Willkommen auf den Seiten des Auswärtigen Amts

Grußwort von Außenminister Heiko Maas anlässlich der Verabschiedung von Staatssekretär Walter Lindner und der Begrüßung von Staatsekretärin Antje Leendertse

22.03.2019 - Rede

“Hello, Goodbye” ist wohl ein ganz zutreffendes Motto für diese Stunde, in der wir Walter Lindner als Staatssekretär verabschieden und Antje Leendertse als Staatssekretärin begrüßen.

Die letzte Veranstaltung dieser Art hier im Weltsaal, die ist genau auf den Tag ein Jahr her. Das ist auch für mich ein Jahr gewesen, das buchstäblich wie im Fluge vergangen ist.

Dabei ist „wie im Fluge“ genau genommen die präzisere Beschreibung als „in diesem Haus“. So ist das in unserer Branche nun eben, aber das ständige Kommen und Gehen hat nicht nur Nachteile, sondern es hat viele Vorteile, denn man lernt täglich neu dazu.

Trotzdem, meine sehr verehrten Damen und Herren, bleiben Abschiede traurig, ganz besonders natürlich diejenigen, die endgültig sind. Vor wenigen Tagen ist Klaus Kinkel verstorben.

Viele hier im Haus verbinden gute, dankbare Erinnerungen mit ihm - das war wirklich sehr deutlich zu spüren in den Tagen nach der traurigen Nachricht von seinem Tod. Und auch ich habe in diesen Tagen oft an eine meiner letzten Begegnungen mit Klaus Kinkel gedacht.

Ich war noch Justizminister und schon in diesem Amt sein Nachfolger. Er erzählte mir von den Verhandlungen, die er 1989 mit den hungerstreikenden RAF-Terroristen in deutschen Gefängnissen geführt hatte. Ein Satz darüber ist mir ganz besonders in Erinnerung geblieben, den er mir sagte: „Ich wollte sie verstehen, um sie als Menschen für die Gesellschaft zurückzugewinnen.“

Ich glaube, in diesem Satz steckt viel von dem, was Klaus Kinkel ausgezeichnet hat - nicht nur als Politiker, sondern ganz besonders als Mensch.

Er wollte verstehen und deshalb nahm er seine Gesprächspartner ernst.

Als Außenminister brachte ihm das große Sympathie ein - gerade auch bei unseren kleineren Partnern und bei unseren Nachbarn, vor allen Dingen in Mittel- und Osteuropa.

Sein Bekenntnis zu größerer internationaler Verantwortung bei gleichzeitiger Ablehnung jeglichen deutschen Vormachtstrebens – dieses Koordinatensystem Kinkel’scher Außenpolitik das leitet uns auch in diesem Hause bis heute. Es hat dazu beigetragen, dass das wiedervereinigte Deutschland seinen Platz in Europa und in der Welt gefunden hat.

Klaus Kinkel konnte Menschen gewinnen, weil er selbst menschlich war und geblieben ist.

Selbstvermarktung war ihm fremd, ja geradezu suspekt. Aufrichtig, integer, frei von jedem Dünkel, ein „Klarsprecher“ – das sind die Attribute, mit denen seine Weggefährten Klaus Kinkel beschreiben. Darin liegt immer auch viel Anerkennung und Wehmut. Dass wir Klaus Kinkel heute vermissen, hat vielleicht auch etwas damit zu tun, wie sehr ihn diese Eigenschaften absetzen von vielen, die heute politisch Verantwortung tragen.

Unser Land hat mit Klaus Kinkel einen Kämpfer für ein weltoffenes Deutschland verloren, einen hoch angesehenen Staatsmann und einen Fürsprecher unseres Landes in der ganzen Welt.

Das Auswärtige Amt trauert um einen, der sein Amt mit großem Engagement ausgeführt hat, der ein großer Europäer gewesen ist, aber vor allen Dingen ein zutiefst menschlicher Kollege geblieben ist. Kurz gesagt: Um einen durch und durch feinen Kerl.

Ich möchte Sie um eine Minute der Stille im Andenken an Klaus Kinkel bitten.

Lieber Walter [Lindner],

andere Abschiede begeht man vor allem dankbar. Weniger, weil der andere endlich weg ist, sondern vielmehr deshalb, weil er viel hinterlässt. So geht es mir heute, wenn ich Dich als Staatssekretär hier im Auswärtigen Amt verabschiede.

Dass wir einen Beatles-Titel als Motto ausgesucht haben, ist kein Zufall. Ich finde, das passt ganz gut zu Dir. Denn Du hast Dich nicht nur als Staatssekretär verstanden, sondern immer auch als eine Art Weltenbummler, als leidenschaftlichen Musiker und auch als einen Kreativen, einen kreativen Diplomat. Deshalb ist es im Übrigen auch nur folgerichtig, dass Du gleich mit deinem Freund Eric [Wainaina] in die Tasten greifen wirst, mit dem Du seit Deiner Zeit in Kenia immer wieder zusammen Musik gemacht hast.

Mein lieber Walter, Du hast nicht nur musikalisch einen guten Ton in dieses Haus gebracht, sondern auch einen warmen, nahbaren, menschlichen Ton im Umgang mit Kolleginnen und Kollegen, auch in nicht immer einfachen Situationen. Auch das ist wertvoll, wenn man über das spricht, was Du hier hinterlässt.

Und Du hast uns allen vorgelebt, dass man ein Diplomatenleben auch anders führen kann, als man sich das so gemeinhin vorstellt:

Du bist außerordentlich ausgewogen, ja auch cool mit Dingen umgegangen, die viele sehr schnell in die Aufregung getrieben haben. Und deshalb, lieber Walter, hast Du - neben den Dingen, die Du in der Sache bei ganz vielen Themen erreicht hast - wirklich viel bewegt, aber eben nicht nur auf der fachlichen Ebene, sondern auch was das Zusammenarbeiten in diesem Haus angeht.

Dabei bewundere ich Deine nahezu buddhistische Ruhe und Umsicht, mit der Du vor allen Dingen auch nach den Wahlen 2017 monatelang sozusagen im Alleingang das Auswärtige Amt geführt hast. Und ich glaube, es gibt keinen Streit darüber, dass es in dieser auch nicht einfachen Zeit in guten Händen gewesen ist.

Ich schätze aber auch die Anteilnahme, mit der Du nach wie vor bei der Sache bist, so wie wir das gerade in den letzten Tagen noch einmal erlebt haben, als wir schwierige Diskussionen über Venezuela geführt haben. Diese Fähigkeit zur Empathie und dieser völlige Verzicht auf Zynismus kommen allenfalls an ihre Grenzen, wenn Du zur Münchner Sicherheitskonferenz musst – das ist jetzt nicht unbedingt Dein Biotop, nicht nur äußerlich!

Du hast mir, lieber Walter, bei unserem ersten Gespräch vor gut einem Jahr erzählt, wie beklemmend und steif Du die Kultur des Auswärtigen Amts erlebt hast, in das Du vor mehr als dreißig Jahren eingetreten bist.

Dass wir heute so einen wie Dich dann als Staatssekretär verabschieden, ist aber auch der beste Beweis dafür, dass wir da doch anscheinend ein großes Stück vorangekommen sind. Das ist auch Dein Verdienst.

Lieber Walter,

als Student bist Du mit dem Rucksack durch Indien getourt. In wenigen Tagen kehrst Du dorthin als Botschafter zurück. Ich wünsche Dir gerade in einer Zeit, in der ja auch in diesem Land viel in Bewegung ist und auch in dieser Region viel in Bewegung ist, alles Gute für diese neue Etappe, in der sich ja dann auch ein Kreis schließt. Ich freue mich bereits auf die erste Reise zu Dir, um von Dir dann am Flughafen als Botschafter empfangen zu werden und auch anschließend wieder im Flugzeug abgeliefert zu werden. Ja, das habe ich gelernt, dass die Kollegen darauf großen Wert legen. Die Fahrten vom Flughafen zum ersten Termin und vom letzten Termin zum Flughafen sind für mich wirklich immer sehr lehrreiche gewesen, weil Botschafterinnen und Botschafter doch dazu neigen, in diesem Moment im Auto mit dem Minister alleine ihm alles zu sagen, was sie ihm immer schon mal sagen wollten. Ich genieße das und ich erfahre viel: über Diplomatie, über das Auswärtige Amt und über viele Kolleginnen und Kollegen.

So, lieber Walter, ich wünsche Dir alles Gute in Indien. Ich bin mir absolut sicher, dass wir mit Dir dort die beste Vertretung haben werden, die wir in den schwierigen Zeiten dort brauchen. Alles Gute und vielen Dank für alles, was Du für dieses Amt, für die Diplomatie, aber auch für uns getan hast!

Nach dem „Goodbye“ kommen wir nun zum „Hello“! Liebe Antje [Leendertse],

als klar wurde, dass wir nach der Regierungsbildung sehr schnell eine freie Stelle zu besetzen haben, nämlich die der Politischen Direktorin, nachdem Andreas Michaelis Staatssekretär geworden ist, haben wir uns sehr schnell um die Frage gekümmert: Wer kann das übernehmen? Wir haben uns getroffen, wir haben ein intensives Gespräch miteinander geführt und am Ende dieses Gesprächs war mir klar: Die will ich! Und deshalb, liebe Antje, bin ich wirklich außerordentlich froh und freue mich auch sehr darauf, dass wir gemeinsam zum 1. April dann in anderer Funktion zusammen loslegen können.

In diesem turbulenten Jahr, in dem Antje als Politische Direktorin mit mir kreuz und quer durch die Welt gereist ist, habe ich vor allen Dingen drei ihrer Eigenschaften sehr zu schätzen gelernt. In ihrer Mischung können sich diese zu einem ziemlich umwerfenden Charme entfalten.

Erstens ist sie keine Freundin von dem, was sie jetzt selber “handshaking and bullshitting” nennen würde. Sie ist in einem Maß unprätentiös, gerade heraus, witzig und dabei auch zu einer immens schonungslosen Selbstironie fähig, wie das – und das sage ich mit einer gewissen Nachdenklichkeit – vielen Männern vielleicht gar nicht möglich ist.

Dabei hat sie vor allen Dingen - und das ist für das, was kommt, außerordentlich wichtig - sie hat das messerscharfe diplomatische Urteil, das man auch braucht, wenn man als Politische Direktorin in der diplomatischen Champions League unterwegs ist. Deshalb glaube ich, dass alle Voraussetzungen vorhanden sind, für das, was nun auf Dich zukommen wird.

Zweitens ist sie unverwüstlich hartnäckig. Nicht nur gegenüber anderen, auch mir gegenüber. Vielleicht ist das eine Berufskrankheit, die beim Bohren all der harten Bretter entstanden ist, die sie sich in den letzten Jahren vorgeknöpft hat. Der schier endlose Kampf um die Bewahrung des Atomabkommens mit dem Iran, die mühsame Arbeit am Erhalt des Minsk-Prozesses, das Ringen um die Zukunft des INF-Vertrags: So etwas kriegt man nur hin, wenn man echte Steherinnen-Qualitäten hat.

Drittens ist Antje Leendertse mit all ihrer Erfahrung auf den vielleicht anspruchsvollsten Posten in unserem Dienst auch eine Art lebendes Diplopedia.

Welche ukrainischen Oligarchen gerade welche Strippen ziehen; was die Ermittlungen von Robert Mueller noch alles zutage fördern; welchen Whisky Sergej Lawrow bevorzugt und wie man vielleicht reagieren sollte, wenn morgen die USA die NATO verließen – wenn Sie es wissen wollen, bevor es in der Zeitung steht, dann fragen Sie Antje Leendertse.

Und deshalb blicke ich wirklich mit großer Zuversicht auf die kommende Zeit. Ich bin außerordentlich froh, dass wir mit Dir als Staatssekretärin jemanden haben, die den diplomatischen Dienst von all seinen Seiten kennt. Und deshalb freue ich mich auch, dass wir in Zukunft zusammen, sozusagen als „Trio Globale“ mit Andreas Michaelis das Auswärtige Amt auch in stürmischen Zeiten leiten werden.

Ich wünsche Dir dafür eine glückliche Hand und verspreche Dir meine volle Unterstützung bei der verantwortungsvollen Aufgabe, die vor Dir und vor uns allen liegt.

Herzlich willkommen, ich freue mich auf eine gute Zusammenarbeit. Und ich glaube da im Namen aller Kolleginnen und Kollegen sprechen zu können: Herzlichen Glückwunsch!

Schlagworte

nach oben