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Rede von Außenminister Heiko Maas anlässlich der Konferenz des Archaeologcial Heritage Network „Das kulturelle Erbe in der Krise – Prävention, Schutz und Post-Desaster Rehabilitation“

09.10.2018 - Rede
Außenminister Heiko Maas spricht bei der Veranstaltung Das kulturelle Erbe in der Krise.
Außenminister Heiko Maas spricht bei der Veranstaltung „Das kulturelle Erbe in der Krise“.© Thomas Koehler/photothek.net

„Die Verteidigung des Friedens ist identisch mit der Verteidigung der Kultur.“ Es war 1958 als Arnold Zweig diesen Satz aufschrieb und er wusste genau wovon er sprach. Zweig – der Schriftsteller, der Jude, der Sozialist.

Als 1933 seine Bücher brannten, emigrierte er in die Tschechoslowakei. Als 5 Jahre später Synagogen brannten, befand er sich im Exil in Haifa. Als 12 Jahre später ganz Europa brannte, hatte man ihm seine deutsche Staatsbürgerschaft längst aberkannt.

Drei Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges kehrte er zurück, in seine alte Heimat, die nun eine andere geworden war.

Wo Kultur zerstört wird, da stirbt Identität.

Kulturgüter sind für das kulturelle Gedächtnis eines Volkes von unschätzbarem Wert. Wann immer sie zerstört werden, trifft es die gesamte Gesellschaft bis ins Mark.

Wenn dies auch noch mutwillig geschieht, dann ist es besonders perfide. Das sehen wir auch heute. In vielen Konflikten ist es das Mittel einer psychologischen Kriegsführung geworden.

Gerade der sogenannte IS, aber auch andere islamistische Milizen setzen auf die bewusste Zerstörung und Plünderung kulturellen Erbes.

Und dabei verfolgen sie mehrere Ziele:

Zum einen dient es der Durchsetzung der eigenen Ideologie. Das sahen wir in Afghanistan, wo Taliban 2001 die 1.500 Jahre alten, gigantischen Buddhastatuen in der Bamiyan-Provinz gesprengt haben.

Zum anderen soll die kulturelle Identität der verschiedenen Bevölkerungsgruppen und Religionsgemeinschaften durch solche Handlungen beseitigt werden, um religiöse Gruppierungen in Syrien und im Irak gegeneinander auszuspielen und so die Gewalt zwischen ihnen weiter zu schüren.

Und genau das sahen wir etwa bei den Museumsplünderung und Bücherverbrennungen in Mossul.

Die Verluste, die da entstehen, sie sind nicht nur schmerzlich, sondern sie sind vor allen Dingen unumkehrbar. Nach Jahrzehnten des Konflikts gibt es nun, zumindest im Irak, Anzeichen auf Hoffnung. Der Islamische Staat ist als territoriales Gebilde besiegt, Stabilisierungsmaßnahmen beginnen zu greifen. Jetzt geht es auch darum, den Wiederaufbau zu schaffen und vor allem die Wunden des Krieges und des Terrors zu überwinden.

Aber dafür reicht es eben nicht, nur äußere Sicherheit herzustellen. Um Frieden nachhaltig zu verankern, müssen wir auch der durch Zerstörung geschaffenen Leere etwas entgegensetzen: Symbole gemeinsamer Identität, friedliche Koexistenz als Grundlage für Frieden und eine erfolgreiche Bewältigung von Konflikten.

Es geht eben nicht nur darum, Gebäude wieder aufzubauen. Der öffentliche Raum muss wieder der des Austausches und der einer Bürgergesellschaft werden. Deshalb wollen wir z.B. in Mossul dem Wiederaufbau zweier historischer Stätten jetzt sehr schnell den Weg bereiten.

Gleiches gilt auch für Syrien – auch wenn wir von einem nachhaltigen Frieden zurzeit leider noch weit entfernt sind. Der Wiederaufbau archäologischer Kulturgüter wird nach einer politischen Lösung des Konflikts ein ganz wichtiges Zeichen und Mittel zur gesellschaftlichen Versöhnung sein. Genau deshalb unterstützen wir schon jetzt die digitale Archivierung des syrischen Kulturbesitzes. Die kulturelle und die religiöse Vielfalt Syriens spiegelt sich eben besonders in seinen wertvollen Kulturschätzen wider.

Meine Damen und Herren, liebe Gäste,
Kulturerbe gibt Orientierung. Es ist ein Teil von Identität. Es bietet eine Chance zur Selbstvergewisserung und auch Verortung. Kulturerbe ist eben Ausdruck auch von Verständigung.

Die Zerstörung von Kulturgut ist nichts anderes als die Ablehnung kultureller Vielfalt. Arnold Zweig hat mit Blick auf den Versuch der kulturellen Gleichschaltung ebenfalls gesagt:

„Die Drohung, mit der die Fackel in den Bücherstapel fliegt, sie gilt der europäischen Kultur, sie gilt den Werten, die die Menschheit mühsam hervorgebracht und die der Barbar anhaßt.“

Die Zerstörung von Kulturgut ist eben nicht weniger als ein Angriff auf das Herz der gesamten Zivilisation.

Das macht unsere Anstrengungen, weltweit Kulturerbe zu schützen, umso wichtiger!

Diese Konferenz ist dazu ein Ideenlaboratorium. Sie, die Experten, Wissenschaftler, Praktiker und Politiker setzen sich an diesen beiden Tagen mit Fragen auseinander, die letztendlich unsere Identität berühren.

Ein wirksamer Schutz des kulturellen Erbes kann nicht allein durch staatliche Akteure erreicht und sichergestellt werden. Er muss vielmehr aus der Mitte unserer Gesellschaft kommen.

Ich danke Ihnen ganz besonders dafür, dass Sie gestern und heute ein Teil dieses strategischen Dialogs gewesen sind und sind!

Liebe Schülerinnen und Schüler, die ja heute auch da sind,
ich hoffe, dass Sie die Diskussionen auch in Ihre Schule mit zurücknehmen. Sie, die Jugend, sind, so heißt es allerorten, die Zukunft. Und Zukunft braucht eben auch Erinnern! Um zu wissen, wer man ist, muss man wissen, wo man herkommt. Und um die anderen zu verstehen, muss man wissen, woher sie kommen. Nur wenn wir uns in unserer Unterschiedlichkeit respektieren und unsere Vielfalt anerkennen, wird es uns gelingen, friedlich zusammenzuleben auf der Welt, aber auch bei uns zu Hause in unserem eigenen Land. Und ich hoffe, dass diese beiden Tage bei uns hier im Auswärtigen Amt dazu einen Beitrag dazu leisten.

Herzlich willkommen und vielen Dank, dass Sie da sind!

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