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Rede von Außenminister Heiko Maas zur Eröffnung der Berliner Konferenz zu Klima und Sicherheit

04.06.2019 - Rede
Außenminister Heiko Maas bei der Berlin Climate and Security Conference
Außenminister Heiko Maas bei der Berlin Climate and Security Conference © Felix Zahn/photothek.net

Können Sie sich vorstellen, wie viel eine Null, gefolgt von 33 weiteren Nullen hinter dem Komma ist, denen dann erst eine Eins folgt? Ich kann es nicht. Vielleicht ein Hauch von Nichts, das trifft es wohl noch am ehesten. Und es ist diese unvorstellbare Zahl, die der deutsche Astronaut Alexander Gerst vor einigen Wochen vorgetragen hat.

Beim Wirtschaftsausschuss des Deutschen Bundestages sprach er davon, wieviel Prozent des bekannten Weltraums bewohnbar sind.

In anderen Worten: die bewohnbare Fläche ist eine winzige Insel in der Unendlichkeit.

Und wir sind dabei, selbst diese Insel unbewohnbar zu machen. Und zwar vor allen Dingen durch den Klimawandel, der von uns Menschen verursacht ist.

Diese Erkenntnis ist nicht neu – und doch wird sie immer noch angezweifelt. Aber wohl selten zuvor wurde sie so vehement vorgetragen wie in jüngster Zeit.

Jeden Freitag schallt es uns von demonstrierenden Schülerinnen und Schülern entgegen, eine Botschaft, die eindeutig ist: Macht uns unsere Zukunft nicht kaputt! Handelt, bevor es zu spät ist!

Und ja, die jungen Leute haben Recht. Wir müssen umsteuern. Das ist keine Aufgabe einzelner Generationen, einzelner politischer Parteien oder einzelner Länder. Der Klimawandel betrifft uns alle. Und zwar weltweit.

Als vor 27 Jahren in Rio der sogenannte „Erdgipfel“ stattfand, war das ein historischer Moment. Erstmals kam der Klimawandel auf die Weltkarte der Politik. Allerdings wurde er damals vor allem als Herausforderung für die Umweltpolitik begriffen.

Und ich glaube, was wir heute begreifen müssen: die Auswirkungen gehen weit über die reine Umweltpolitik hinaus. Der Klimawandel wird in vielen Regionen der Welt zunehmend zur Gefahr für Frieden und Sicherheit. Und er ist damit eine zentrale Herausforderung vor allem auch für die Außen- und Sicherheitspolitik.

Meine Damen und Herren,

um das zu verdeutlichen, müssen wir nicht lange nach aktuellen Beispielen suchen. Leider.

Es ist erst wenige Wochen her, dass der Zyklon Fani Teile von Indien und Bangladesch verwüstet hat.

Noch stärker hat der Zyklon Ida im März Mosambik, Simbabwe und Malawi getroffen. Er hat mehr als 1.000 Menschen das Leben gekostet und rund eine Million Menschen obdachlos gemacht. Ganze Landstriche versanken in den Fluten.

Ähnlich betroffen ist die Karibik. Letzte Woche habe ich im Rahmen der Lateinamerikakonferenz hier in Berlin die Außenminister der Karibik getroffen. Sie haben mir die existentielle Gefährdung durch Hurricanes geschildert, die immer häufiger und stärker werden. Wir haben auch deshalb 150 Mio. Euro zugesagt, um Klimaschutzmaßnahmen wie Aufforstung oder Elektromobilität in der Region voranzubringen.

Kleine Schritte, aber notwendige. Und wir haben auch gleich zu Beginn unserer Zeit im Sicherheitsrat die Sicherheitsrisiken des Klimawandels auf die Agenda gesetzt – und zwar gemeinsam mit einem der betroffenen Staaten, der Dominikanischen Republik.

Ich könnte die Liste der Beispiele noch lange fortführen. Wirbelstürme, Überschwemmungen und extreme Hitzewellen werden immer häufiger und intensiver. Sie zerstören die Lebensgrundlage von immer mehr Menschen auf unserem Planeten.

Nicht weniger dramatisch als diese Wetterextreme wirken die langsameren Veränderungen: Im Mittelmeerraum, im Nahen Osten und in Mittelamerika wird Wasser immer knapper. Landwirtschaftliche Erträge nehmen ab. Erträge aus der Fischerei werden immer geringer.

Das heißt nichts anderes, als das Konflikte vorgezeichnet sind. Flucht und Migration sind die Folge und heizen Krisen zusätzlich an. Schon jetzt steht die Stabilität ganzer Regionen auf dem Spiel.

Natürlich ist der Klimawandel selten der einzige Anlass, wenn Konflikte ausbrechen. Meist kommen mehrere Faktoren hinzu. Der Klimawandel aber wirkt als Katalysator. Er macht Konflikte wahrscheinlicher.

Aber, meine Damen und Herren, er macht sie nicht unvermeidlich.

Und genau deshalb können wir, müssen wir hier ansetzen. Und zwar mit vorausschauender Politik, die nicht immer nur reagiert, wenn es schon zu spät ist. Sondern aktiv nach Antworten sucht. Und zwar jetzt.

Um genau das zu tun, meine Damen und Herren, haben wir die sicherheitspolitischen Auswirkungen des Klimawandels zu einem Schwerpunkt unserer Mitgliedschaft im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen gemacht - unterstützt durch eine Freundesgruppe aus rund 50 Staaten von allen Kontinenten.

Und deshalb war es auch so wichtig, dass Schweden in den letzten zwei Jahren mit viel Ehrgeiz die Klima-und-Sicherheits-Agenda weiter vorangebracht hat. Margot Wallström wird sicher darüber sprechen, wenn sie heute Nachmittag hier sein wird.

Mit dem “Climate Security Mechanism” ist es uns auch gelungen, das Thema institutionell am Hauptsitz der Vereinten Nationen zu verankern.

Das war ein wichtiger Schritt. Denn letztlich unterstreicht er, dass das Bewusstsein für die Wechselwirkung zwischen Klima und Sicherheit immer mehr zunimmt.

Mit der heutigen Konferenz wollen wir einen weiteren Schritt gehen. Und zwar indem wir deutlich machen: Das Erreichen der internationalen Klimaziele ist der neue Imperativ unserer Außenpolitik.

Diesem Ziel dient der “Berlin Call for Action”, den wir heute vorstellen. Er wird gemeinsam vom Auswärtigen Amt sowie unseren Konferenzpartnern – dem Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung und adelphi – getragen.

Und ich möchte für Ihre Unterstützung dieses “Call for Action” schon jetzt werben.

Dabei stehen drei Punkte im Mittelpunkt.

Erstens wollen wir erreichen, dass die internationale Gemeinschaft besser versteht, wie der Klimawandel Konflikte verschärft. Dafür brauchen wir fundierte Analysen.

Konkret schlagen wir einen regelmäßigen Bericht der Vereinten Nationen vor – ein Global Risk and Foresight Assessment. Dieser soll das Wissen zu Klima und Sicherheit zusammenfassen und Lösungen für die Entscheidungsträger aufzeigen.

Ein von uns eingerichtetes internationales Expertennetzwerk arbeitet bereits an mehreren Regionalanalysen, darunter Studien zum Amazonasbecken und zur besonderen Situation der Kleinen Inselstaaten.

Und Anfang April war das Auswärtige Amt Gastgeber des ersten VN-Workshops überhaupt zu der Frage, wie die Folgen des Klimawandels besser bei Konfliktanalysen berücksichtigt werden können.

Als Ergebnis entwickeln die Vereinten Nationen ein neues Analyse-Tool, das wir in Kürze am Horn von Afrika testen werden.

Und ohne Prof. Edenhofer und Prof. Rockström vorgreifen zu wollen, möchte ich aber an dieser Stelle zumindest erwähnen, dass das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung dabei ist, mit Unterstützung des Auswärtigen Amts ein Frühwarnsystem für die besonders betroffene Sahel-Region zu entwickeln.

Es soll die klimabedingten Sicherheitsrisiken besonders im Hinblick auf Ernährungssicherheit analysieren. Damit wir in Krisenzeiten früher und gezielter gegensteuern können.

Das bringt mich zum zweiten Element unseres Call for Action. Wir wollen die Handlungsfähigkeit der Vereinten Nationen zu Klima und Sicherheit weiter stärken – in New York und in den betroffenen Regionen.

Etwa durch Experten, die in den Einsatzgebieten aktiv sind. In Kürze wird der erste Experte zu Umwelt und Sicherheit im Rahmen der VN-Friedensmission in Somalia seine Arbeit aufnehmen.

Er wird von Deutschland in Kooperation mit dem VN-Umweltprogramm finanziert und wird das Team der Vereinten Nationen in Mogadischu verstärken.

Und das ist hoffentlich nur der Anfang. Ein kleiner Schritt, der aber große Wirkung entfalten kann, wenn er zur Norm wird in allen Friedensmissionen und Konfliktgebieten.

Mein dritter und letzter Punkt: Wir brauchen mehr politische Kohärenz. Wir müssen in Zukunft Klima, nachhaltige Entwicklung, Sicherheit und Friedensförderung viel mehr als bisher zusammen denken – in all unseren Projekten und Programmen.

Ich möchte Ihnen ein Beispiel aus Nigeria nennen. Das Auswärtige Amt fördert seit 2016 im nigerianischen Middle-Belt ein Mediationsprojekt.

Es geht darum, den Konflikt um Landnutzung zwischen mehrheitlich muslimischen Hirten und mehrheitlich christlichen Ackerbauern zu entschärfen. Ein Konflikt, der auf den ersten Blick klein wirkt, aber alles andere als klein ist. Ein Konflikt, in dem weniger die Religion eine Rolle spielt, als die immer knapper werdenden Ressourcen in der Sahel-Zone.

Wir arbeiten direkt in und mit den Gemeinden. Klimaschutz und Konfliktprävention – das geht dort, vor Ort, mittlerweile Hand in Hand. Ich glaube, dieser Ansatz könnte auch für andere Regionen vielversprechend sein, die schon jetzt unter Ressourcenknappheit leiden.

Darum geht es doch, meine sehr verehrten Damen und Herren: möglichst schnell konkret zu werden und Antworten auf die drängendsten Fragen zu finden.

Das ist das Ziel unseres Call for Action. Und das sollte auch das Ziel sein beim Klimagipfel des Generalsekretärs im September.

Schon jetzt möchte ich Sie - auch im Namen von Nauru - zu einem Außenministertreffen am Rande dieses Gipfels einladen, bei dem wir den heutigen Austausch fortführen und dann auch schon ganz konkrete Impulse setzen wollen.

Denn der Kampf gegen die sicherheitspolitischen Folgen des Klimawandels verlangt eine globale Kraftanstrengung. Und Deutschland hat den Anspruch, dabei eine führende Rolle zu spielen.

Und letztlich füge ich hinzu: Dafür müssen wir glaubwürdig sein. Deshalb dürfen wir nicht auf der Bremse stehen, wenn etwa Frankreich, unser engster Partner in Europa, ambitionierte Vorschläge macht. Wir müssen beweisen, dass wir es auch selber vor Ort, dort wo wir verantwortlich sind, ernst nehmen.

Wir müssen gemeinsam aufs Tempo drücken – gerade wenn andere ihre Verpflichtungen in Frage stellen.

Auch deshalb haben wir in Deutschland Anfang des Jahres ein Klimakabinett eingerichtet.

Und wir wollen noch in diesem Jahr ein Klimaschutzgesetz verabschieden, in dem wir unsere nationalen Klimaziele rechtlich festschreiben und unseren Klimapfad bis 2050 festlegen. Bis dahin wollen und müssen wir die Transformation hin zu vollständiger Klimaneutralität schaffen.

Ein zentrales Element dabei ist der Kohleausstieg in Deutschland, für den wir in einer Diskussion mit allen gesellschaftlichen Gruppen einen klaren Fahrplan entwickelt haben.

Ein weiteres Instrument, für das wir uns alle gemeinsam stark machen sollten, ist ein angemessener Preis auf CO2, und zwar möglichst weltweit.

Meine Damen und Herren,
alles in allem kann man zusammenfassen: Wir haben keine Zeit zu verlieren. Die Erde hat längst begonnen, uns eine hohe Rechnung für unsere Versäumnisse der Vergangenheit auszustellen. Die Auswirkungen sind jetzt schon für Millionen von Menschen lebensbedrohlich geworden. Steuern wir nicht um, droht uns eine Heißzeit mit kaum zu beherrschenden Folgen für Frieden und Sicherheit einhergehen wird.

Die gute Nachricht ist: es ist noch nicht zu spät umzusteuern. Und es lohnt sich. Denn es mag nur eine kleine Insel im Weltraum sein, auf der wir leben. Aber sie ist eben alles, was wir haben.

Herzlichen Dank!

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