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Grußwort von Außenminister Heiko Maas zur Vorführung des Dokumentarfilms „Kishon“ im Rahmen des Jüdischen Filmfestivals Berlin und Brandenburg
Liebe Frau Galliner,
lieber Rafi Kishon,
sehr geehrter Herr Bernstein,
meine sehr geehrten Damen und Herren,
es gibt Berufe, die sterben mit der Zeit aus. Oder wer wird heute schon noch Bürstenbinder, Chausseewärter oder Gelbgießer?
Ein anderer Beruf, den es zumindest noch in meiner Kindheit und Jugend gegeben hat, war der des Ansagers.
Für die Jüngeren unter Ihnen: Das waren Männer, aber öfter waren es auch Frauen, die den Zuschauerinnen und Zuschauern vor Beginn eines Fernsehfilms oder einer Serie erzählt haben, worum es darin im Großen und Ganzen ging.
Warum ich diese Ansager als Kind immer beneidet habe, war, dass sie den Film schon vor der Ausstrahlung gesehen hatten. Dachte ich zumindest. Sie wussten ja, um was es geht. Und dass sie damit auch die Pointe und den großen Showdown vor allen anderen kannten.
Einmal Ansager sein! Vielleicht haben Sie ja geahnt, liebe Frau Galliner, dass Sie mir damit einen kleinen Kindheitstraum erfüllen würden, als Sie mich eingeladen haben, heute Abend diesen wunderbaren und sehr berührenden Film ansagen zu dürfen. Ich hoffe im Übrigen, dass ich den Film auch zu Ende schauen kann. Falls ich früher gehen muss, hat das nicht mit dem Film zu tun, sondern damit, dass im Bundestag zurzeit eine namentliche Abstimmung nach der anderen stattfindet. Aber ich hoffe, dass die sich etwas Zeit lassen und ich diesen schönen Film zu Ende schauen kann.
Meine Damen und Herren,
das Jüdische Filmfestival Berlin Brandenburg und das Auswärtige Amt verbindet schon eine lange Partnerschaft. Und deshalb ist es ganz besonders schön, heute Abend hier zu sein.
Das Jüdische Filmfestival sorgt seit 24 Jahren für das, was man Neudeutsch wahrscheinlich 'food for thought‘ nennt.
Die Fernsehansagerinnen hätten das damals vielleicht als „Denkanstöße“ bezeichnet.
Die Filme, die hier gezeigt werden, regen zum Nachdenken an und zum Diskutieren über die vielen Facetten jüdischen Lebens, über die israelische Gesellschaft, den Nahostkonflikt, über das Verhältnis zwischen Deutschland und Israel. Und natürlich auch über die Geschichte und die Gegenwart jüdischen Lebens in Deutschland.
Vor allem sind diese Filme aber eines, nämlich authentisch.
Egal, ob sie die heimliche Liebe zwischen zwei orthodoxen Jüdinnen zeigen, den letzten, fast vergessenen Juden Bagdads eine Stimme geben, oder die Lebensgeschichten erzählen von Persönlichkeiten wie dem Geiger Itzhak Perlman, der Filmgöttin Hedy Lamarr oder des großen israelischen Satirikers Ephraim Kishon.
Und das Motto des diesjährigen Festivals könnte das alles nicht besser und vor allen Dingen nicht zeitgemäßer zum Ausdruck bringen: „No Fake Jews“!
Meine Damen und Herren,
es gibt wohl keinen Deutschen, zumindest in meiner Generation, der nicht Ephraim Kishons Filme gesehen oder seine Satiren gelesen hat.
Bei 43 Millionen verkauften Büchern, davon allein 33 Millionen in Deutschland, ist das auch schon rein statistisch kaum möglich.
Die Menschen hier liebten und lieben Kishon - als hintersinnigen Beobachter der Verrücktheiten des jüdischen Lebens in Israel und als einen begnadeten Chronisten der Absurditäten des Alltags. Seine Figuren - egal ob Frau Lot, Kasimir Blaumilch oder die beste Ehefrau von allen - sie sind vielen Deutschen ans Herz gewachsen. Denn sie haben uns spüren lassen, dass Deutsche und Israelis, Juden und Nichtjuden, viel mehr verbindet, als wir es wenige Jahre nach dem Horror der Schoah glauben konnten oder auch zu hoffen wagten.
Aus dieser Verbindung ist Nähe und vielfach auch Freundschaft entstanden. Dafür sind wir Deutsche bis heute unendlich dankbar.
Wir wissen aber auch, dass mit dieser besonderen Freundschaft eine besondere Verantwortung einhergeht und das gerade heute.
- Die Verantwortung, jüdisches Leben immer und überall zu schützen;
- die Verantwortung, die Erinnerung wachzuhalten an die von Deutschen gegenüber Juden verübten Menschheitsverbrechen;
- und die Verantwortung, und zwar für alle von uns, auch heute aufzustehen gegen antisemitische Anfeindungen und gegen anti-israelische Hetze.
Ephraim Kishon wusste um die versöhnende Kraft des Humors. „Lachen ist die Endlösung des Rassenhasses“, hat er einmal gesagt.
Es ist ein Satz, der ist, wie ich finde, typisch für ihn. Weil er zeigt, dass sein Humor auch aus den Erfahrungen und Schicksalsschlägen gespeist wurde, die sein Leben geprägt haben - allen voran dem Holocaust.
Diese Lebensstationen zeichnet der Film nach, den Sie heute sehen werden – sehr einfühlsam und auch sehr persönlich.
Die traumatische Flucht des jungen Ferenc Hoffmann vor der sicheren Vernichtung durch die Deutschen, die Zerstörung seiner Familie im Holocaust, die Flucht aus dem kommunistischen Ungarn, der Neuanfang bei null als Ephraim Kishon in Israel – es sind diese Stationen, die die späteren Erfolge Kishons und vor allem sein Zugehen auf uns Deutsche auch heute noch wie ein Wunder erscheinen lassen.
Meine Damen und Herren,
es sind diese Wunder, von denen das Jüdische Filmfestival Berlin Brandenburg lebt und von denen seine Filme erzählen.
Allen, die daran als Organisatoren, Produzenten, Filmemacher oder Sponsoren beteiligt sind, möchte ich bei dieser Gelegenheit ausdrücklich danken. Sie leisten Großes für diese Stadt, für unser Land und auch für die deutsch-israelischen Beziehungen!
Meine Damen und Herren,
ich wünsche Ihnen allen nun einen anregenden Filmabend!
Vielen Dank für Ihr Kommen und viel Freude beim Film! Film ab!