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Laudatio von Außenminister Heiko Maas bei der Verleihung des Kaiser-Otto-Preises an Rumäniens Staatspräsidenten Klaus Johannis

14.10.2020 - Rede
Außenminister Heiko Maas bei der Verleihung des Kaiser-Otto-Preises im Magdeburger Dom
Außenminister Heiko Maas bei der Verleihung des Kaiser-Otto-Preises im Magdeburger Dom© photothek/ Ronny Hartmann

„Europa hat ein einziges Herz, das in uns allen schlägt und uns verbindet, vom Osten nach Westen und von Nord nach Süd.“

Das hat Klaus Johannis vor einiger Zeit im Europäischen Parlament gesagt. Es ist dieser Gedanke, der im Motto der Europäischen Union seinen Ausdruck findet: „In Vielfalt geeint.“

Vielfalt – als Rumänischer Staatschef kennt sich Klaus Johannis damit aus. Ethnische Vielfalt, religiöse, kulturelle, sprachliche: Rumänien mit seinen 20 anerkannten Minderheiten ist ein „Europa im Kleinen“.

Als Angehöriger einer dieser Minderheiten, genauer gesagt der Siebenbürger Sachsen, die seit über 800 Jahren auf dem Gebiet des heutigen Rumäniens leben, weiß Klaus Johannis um den Wert der Vielfalt.

Dies ist vielleicht einer der Gründe, warum er so leidenschaftlich für den europäischen Gedanken eintritt. Warum er sich für die gemeinsamen Werte einsetzt, die uns zusammenhalten in Europa. Und wofür er heute den Kaiser Otto Preis erhält.

Meine Damen und Herren,
dass wir heute hier, in Magdeburg, zusammenkommen können, ist ein großes Glück.

Nicht nur wegen der Corona-Pandemie, die Veranstaltungen wie diese im letzten halben Jahr zu einer Rarität hat werden lassen. Jede Reise ist etwas Besonderes in diesen Tagen. Aber eine Reise nach Magdeburg wäre für einen Westdeutschen wie mich bis vor 31 Jahren fast unmöglich gewesen.

In umgekehrter Richtung galt das noch viel mehr.

Erst vor wenigen Tagen haben wir den 30. Jahrestag der deutschen Einheit gefeiert.

Dabei gerät manchmal aus dem Blick, dass dieser deutsche Glücksmoment auch eine gleich doppelte europäische Bedeutung hat. Zum einen, weil er ohne die Vorgeschichten in den anderen Ländern Mittel- und Osteuropas kaum vorstellbar gewesen wäre.

Und zum anderen, weil mit dem Fall des Eisernen Vorhangs eben nicht nur die beiden deutschen Staaten, sondern ganz Europa wieder zusammenwachsen konnte. Zu dem großen, vielfältigen Kulturraum, der viel älter ist als unsere heutigen Nationalstaaten.

Und der seine Wurzeln auch hier, in Magdeburg, hat.

Schließlich liegt hier die Wiege des Magdeburger Rechts – einer Sammlung von Normen und Rechtsvorstellungen, die den Bürgerinnen und Bürgern einer Stadt bereits vor 800 Jahren erstmals ein gewisses Maß an Freiheit und Selbstbestimmung eröffnete.

Zum damaligen Zeitpunkt war das derart bahnbrechend und erfolgreich, dass das Magdeburger Recht sich über ganz Mitteleuropa ausbreiten konnte. Im Südosten übrigens bis in Ihre Heimatstadt, Präsident Johannis, nach Sibiu , zu Deutsch: Hermannstadt, wo Ihre politische Karriere als Bürgermeister sehr erfolgreich begann.

Wer nach den Ursprüngen unserer heutigen Europäischen Union sucht, der findet sie auch im Magdeburger Recht.

Eine Art Rechtsgemeinschaft, die die Menschen Europas über Sprach- und Kulturgrenzen hinweg verbindet – das klingt erstaunlich vertraut.

Und jede Stadt, die das Magdeburger Stadtrecht anwandte, brachte damit zum Ausdruck, wo sie sich selbst mit ihren Werten und Normen verortet. Wo sie hingehören will: zu dieser Rechtsgemeinschaft. Zu Europa.

Meine Damen und Herren,
so gesehen war der EU-Beitritt von Bulgarien und Rumänien 2007 eigentlich nur so etwas wie die um viele Jahrhunderte verspätete Anerkennung dieser Zugehörigkeit zu Europa. Dass es so kommen konnte, ist ein großes Glück.

Denn wir brauchen gerade jetzt ein starkes, ein geeintes, ein großes Europa, um die Herausforderungen zu bewältigen, vor denen wir derzeit stehen - und die die Corona-Pandemie noch weiter verstärkt:

  • Das europaweite Erstarken von Rechtsnationalen und Populisten
  • Die Gefahr von Desinformation für unsere Demokratien.
  • Die Krisen rings um Europa
  • und nicht zuletzt die zunehmende Rivalität zwischen den USA und China, die Europa aufzureiben droht.

Unsere Antwort darauf kann nur eine europäische Antwort sein – so wie bereits vor 30 Jahren.

Wir brauchen mehr Solidarität im Innern, damit Europa seine Werte und Interessen nach außen souveräner durchsetzen kann.

Meine sehr verehrten Damen und Herren,
nichts davon ist eine Selbstverständlichkeit. Ich bin 1966 geboren. Im Westen Deutschlands. Ich bin aufgewachsen in Frieden, Freiheit, Demokratie, Rechtsstaatlichkeit. In einem Land, in dem Gleichberechtigung herrscht und Minderheiten geschützt werden. Ich musste mir davon nichts selbst erkämpfen. Manchmal habe ich den Eindruck, wir leben in Zeiten, in denen Menschen, nicht nur aus meiner Generation, das alles als selbstverständlich empfinden. Es ist aber nicht so. Das merkt man besonders, wenn man viel unterwegs ist. Im Moment gibt es auf der Welt etwa 70 Millionen Flüchtlinge. Wir werden die Probleme dieser Menschen nicht alleine lösen – aber wenn man diese Menschen fragt, wo sie gern leben würden, dann sagt ein Großteil dieser Menschen Europa. Weil es keinen anderen Platz auf der Welt gibt, auf dem es so viel Frieden, Freiheit Demokratie und Rechtsstaatlichkeit gibt wie hier. Der Grund dafür ist die Europäische Union. Deshalb müssen wir auch in Zeiten wie diesen das zu schätzen wissen und auch für diese Werte einstehen – in unseren Ländern und in der Europäischen Union. Und Präsident Johannis ist einer von denjenigen, die in ganz außergewöhnlicher Weise dafür Verantwortung übernehmen.

Dass wir in Europa solidarisch handeln können, haben wir trotz aller Schwierigkeiten in den vergangenen Monaten gezeigt: durch die Einigung auf ein historisch beispielloses Paket von Hilfsmaßnahmen, für die wir gemeinsam einstehen.

Doch diese Maßnahmen werden nur dann erfolgreich sein,

  • wenn sie auf Modernisierung ausgelegt sind und aufs Zusammenwachsen.
  • Wenn sie dort wirken, wo die durch Corona verursachte Not am größten ist – von der Biskaya bis ans Schwarze Meer, von Andalusien bis zur Ostsee.
  • Und wenn sie ankommen bei den Bürgerinnen und Bürgern - zum Beispiel indem wir in Rumänien eine Reserve anlegen für medizinische Ausrüstung.

Das sind die Aufgaben, vor denen wir jetzt stehen und die wir in den verbleibenden Monaten unserer EU-Ratspräsidentschaft gemeinsam mit den Mitgliedstaaten, dem Europäischen Parlament und der EU-Kommission lösen müssen.

Meine Damen und Herren,
was wir dafür brauchen ist die gleiche Zuversicht, die gleiche Tatkraft, mit denen die Menschen in Mittel- und Osteuropa vor 30 Jahren Demokratie und Freiheit erkämpft haben. Wir müssen das „Herz, das uns eint, in die Zähne nehmen“.-

So sagt man in Rumänien, wenn jemand mutig ist, wen jemand etwas wagt.

Einer, der sein Herz für Europa immer in die Zähne genommen hat, sind Sie, Herr Präsident Johannis.

Egal ob als Bürgermeister von Sibiu oder als Präsident Ihres Landes und überzeugter Vertreter Europas – die Prämisse Ihres Tuns war immer, dass die Entwicklung und der Wohlstand Rumäniens untrennbar verbunden sind mit der Entwicklung und dem Wohlstand Europas.

Dass Sie damit durchaus anecken bei denjenigen, die die Schuld für eigene Versäumnisse stets in Brüssel oder anderswo suchen, war Ihnen immer bewusst.

Doch Sie nehmen dies in Kauf, für Ihre Überzeugungen.

Ich selbst habe das erlebt bei einem Besuch in Bukarest vor zwei Jahren, als dort gerade eine innenpolitische Krise tobte.

Es war das Gespräch mit Ihnen, Ihre Geradlinigkeit, Ihre Ruhe und Ihre Prinzipienfestigkeit, die mich deutlich zuversichtlicher haben nach Hause fahren lassen, als ich hingereist bin. Das kann ich nicht von jeder Reise sagen. Doch bei Ihnen ist es so gewesen.

Vor allem aber war es Ihr klares Bekenntnis zu Europa und zu dem, was Europa bedeutet: Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und zu den Werten, die uns als Europäer einen.

Meine Damen und Herren,
wir Deutsche wissen, dass Einheit nicht immer Einigkeit heißt.

Unsere unterschiedlichen Herkünfte und Biografien als Vielfalt anzuerkennen und als Stärke zu begreifen, das müssen wir allerdings manchmal noch lernen.

Einer, auf den wir dabei schauen können, ist Klaus Johannis. Und deshalb sind wir dankbar, sehr geehrter Herr Präsident, Sie an unserer Seite zu wissen, Ihr europäisches Herz an unserer Seite schlagen zu hören.

Diesen Dank bringen wir heute zum Ausdruck – durch die Verleihung des Kaiser-Otto-Preises der Stadt Magdeburg an einen würdigen Preisträger, einen großen Europäer und einen engen Freund unseres Landes:

Präsident Klaus Johannis.

Herzlichen Glückwunsch!

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