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Grußwort von Außenminister Heiko Maas zum Jahresabrüstungsbericht 2018

30.04.2019 - Pressemitteilung

Die Vorstellung des Jahresabrüstungsberichts 2017 im Bundestag war eine meiner ersten Amtshandlungen als Außenminister. Ein Jahr später bietet der vorliegende Bericht für das Jahr 2018 die Gelegenheit für eine erneute Bilanz zu unseren Bemühungen für Abrüstung, Rüstungskontrolle und Nichtverbreitung: Welchen Herausforderungen mussten wir uns stellen? Was haben wir erreicht?

Eines wurde 2018 erneut deutlich: Die Herausforderungen im Abrüstungsbereich nehmen zu. Lange Zeit taugliche rüstungskontrollpolitische Instrumente müssen heute angesichts der sicherheitspolitischen und technologischen Entwicklungen auf den Prüfstand gestellt werden. Wir brauchen neue Denkansätze, müssen komplexe Entwicklungen berücksichtigen und gemeinsam mit Partnern Lösungen entwickeln. Dies war der Anspruch unserer Konferenz 2019. Capturing Technology. Rethinking Arms Control. Am 15. März 2019 begrüßte ich gemeinsam mit der schwedischen Außenministerin Margot Wallström und dem niederländischen Amtskollegen Stef Blok 450 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus der ganzen Welt in Berlin, um über neue Technologien und die Rüstungskontrolle von morgen zu diskutieren. Letale vollautonome Waffensysteme, Biotechnologie, Cyberfähigkeiten und Raketenproliferation stoßen in technologisches, politisches und rechtliches Neuland vor, mit dem unsere etablierten Regelwerke immer weniger Schritt halten.

Um unsere sicherheitspolitischen Interessen zu wahren und durchzusetzen, muss Deutschland die Bereitschaft zu Führung und Gestaltung aufbringen. Für mich heißt das, auch klare Grenzen zu definieren, beispielsweise in Form einer Ächtung letaler vollautonomer Waffen. Daneben müssen wir Dialog und Expertise auch zu strittigen Themen stärken, etwa im Rahmen der von mir gestarteten “Missile Dialogue Initiative”. Und schließlich müssen wir weiterhin alle Akteure der heute multipolaren Welt in die Pflicht nehmen für die Wahrung der internationalen, regelbasierten Ordnung.

Gerade im Bereich Abrüstung und Rüstungskontrolle hat diese Ordnung 2018 deutliche Risse bekommen. Der INF-Vertrag über das Verbot landgestützter Mittelstreckenraketen in Europa steht aufgrund der jahrelangen russischen Vertragsverstöße vor dem Aus. Ich habe mich persönlich in Moskau und Washington dafür eingesetzt, den Vertrag zu retten. Hierfür ist es weiterhin nicht zu spät, sollte Russland zur Vertragstreue zurückkehren. Auch das Ringen um andere zentrale Pfeiler der Rüstungskontrollarchitektur hält an. Die Verlängerung des 2021 auslaufenden New START-Vertrages würde eine fortgesetzte Begrenzung der amerikanischen und russischen strategischen Nuklearwaffenarsenale sicherstellen.

Somit war 2018 auch ein Jahr des unentwegten Kriseneinsatzes zur Wahrung von Abkommen, die unsere Sicherheit garantieren. Dabei war der Rückzug der Vereinigten Staaten aus der Wiener Nuklearvereinbarung mit Iran ein Rückschlag. Dass die Vereinbarung weiter besteht und ihrer sicherheitsbildenden Zielsetzung gerecht wird, ist ein eindrucksvolles Beispiel für den europäischen Schulterschluss.

Es bedarf mutiger Schritte und nachhaltiger Impulse, um die multilaterale Abrüstungs- und Rüstungskontrollarchitektur zu erhalten und sie zukunfts- und krisenfest zu machen. Der Nukleare Nichtverbreitungsvertrag hat sich ohne Frage seit nunmehr 50 Jahren bewährt. Er bildet das Fundament der nuklearen Ordnung. Gleichwohl wird diese nukleare Ordnung in vielfältiger Weise herausgefordert, so auch durch das völkerrechtswidrige nordkoreanische Nuklearwaffen- und Raketenprogramm. Umso wichtiger bleibt die Geschlossenheit der internationalen Staatengemeinschaft, Nordkorea dazu zu bringen, in einen glaubwürdigen Prozess der vollständigen, verifizierbaren und unumkehrbaren Denuklearisierung einzusteigen.

Mit Hochdruck arbeiten wir auf die im kommenden Jahr anstehende Überprüfung des Nuklearen Nichtverbreitungsvertrags hin. Vor dem Hintergrund der ins Stocken geratenen Abrüstungsdynamik und eines zunehmend schwierigeren internationalen Sicherheitsumfelds geht es darum, die Zukunft dieses Vertrages zu sichern. Nur so können wir unser Ziel einer nuklearwaffenfreien Welt erreichen. Wir haben daher das Thema Nuklearer Nichtverbreitungsvertrag auf die Tagesordnung des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen gesetzt. Im Ergebnis hat sich im April dieses Jahres – zum ersten Mal seit 2012 – das höchste Gremium der Vereinten Nationen wieder mit der Frage nuklearer Abrüstung befasst. Dass sich alle Mitglieder des Sicherheitsrates – auch die fünf Nuklearwaffenstaaten – zu ihren Verpflichtungen aus dem Nuklearen Nichtverbreitungsvertrag bekannt haben, ist Ausdruck gemeinsamer Verantwortung und ein wichtiges Signal für die Überprüfungskonferenz 2020.

Wir müssen uns dennoch eingestehen, dass Massenvernichtungswaffen längst nicht der Vergangenheit angehören. Der wiederholte und ungeahndete Einsatz chemischer Waffen gegen die Zivilbevölkerung in Syrien erfüllt uns mit größter Sorge. Wir verurteilen diese Völkerrechtsverletzungen auf das Schärfste. Umso wichtiger ist es dafür zu sorgen, dass die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden. Gemeinsam mit vielen Partnern haben wir 2018 erreicht, dass unabhängige Expertinnen und Experten der Organisation für das Verbot Chemischer Waffen die Urheber von Chemiewaffen-Angriffen zukünftig ermitteln können. Und wir haben in der Europäischen Union ein neues Sanktionsregime gegen den Einsatz und die Weiterverbreitung von Chemiewaffen beschlossen und bereits restriktive Maßnahmen gegen Verursacher und Unterstützer der Chemiewaffen-Angriffe in Syrien und Salisbury verhängt. Damit hat die internationale Gemeinschaft ein wichtiges Signal gesendet: Wer international geächtete Waffen einsetzt, wird zur Rechenschaft gezogen.

Die Diskussion um Massenvernichtungswaffen darf nicht den Blick dafür verstellen, dass die kleinsten Waffen immer wieder die größten Opferzahlen fordern – so auch 2018. Gerade bei der Kleinwaffenkontrolle konnten wir im vergangenen Jahr aber durchaus greifbare Ergebnisse erzielen. Zur Lösung des Kleinwaffenproblems auf dem Westlichen Balkan habe ich mit meinem französischen Amtskollegen im Juli 2018 einen ganzheitlichen Regionalfahrplan vorgestellt. Bei der deutsch-französischen Geberkonferenz am 11. Dezember 2018 in Paris haben wir für dessen Umsetzung finanzielle Mittel in Höhe von rund 16 Millionen Euro gesichert.

Eine Erkenntnis aus dem letzten Jahr ist mir besonders wichtig: Wir brauchen in Deutschland auch in Zukunft eine lebhafte, ehrliche und informierte Debatte zu Abrüstungsfragen. Diese wird durch international vernetzte Expertinnen und Experten ungemein bereichert. Wir brauchen den Austausch mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, Sachverständigen und der Zivilgesellschaft für unsere Arbeit im Auswärtigen Amt. Wir werden uns weiter in verschiedenen Gesprächsformaten, Konferenzen und Workshops austauschen und wollen künftig den Nachwuchs, der sich mit Abrüstungsfragen beschäftigt, durch gezielte Förderprogramme unterstützen bzw. diese durch Praktika in unsere Arbeit im Auswärtigen Amt einbeziehen. Auch ich persönlich werde weiter das Gespräch mit den Akteuren der Abrüstungsdebatten suchen.

Denn Abrüstung und Rüstungskontrolle gehören nicht nur auf das internationale Parkett, sondern auch in die deutsche Öffentlichkeit. In diesem Sinne erfüllt der Jahresabrüstungsbericht mehr als eine bloße Berichtspflicht. Indem er politische Entscheidungsträger und die Öffentlichkeit transparent und umfassend informiert, legt er die Grundlage für einen offenen Dialog über unseren Beitrag zu Frieden und Stabilität.

Ich freue mich auf den Austausch mit Ihnen!

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