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Deutschland und Indien: „In sicherheitspolitischen Fragen an einem Strang ziehen“

01.11.2019 - Interview

Aus Anlass der deutsch-indischen Regierungskonsultationen sprach Außenminister Maas mit den indischen Zeitungen Hindustan Times und Dainik Jagran. Lesen Sie hier eine Zusammenfassung der beiden Interviews.

Wie würden Sie die deutsch-indischen Beziehungen einordnen? Wie haben sich die Beziehungen in der Modi-Merkel Ära entwickelt?

Indien und Deutschland teilen als Demokratien gemeinsame Werte. Wir setzen uns für eine regelbasierte internationale Ordnung ein. Die strategische Partnerschaft zwischen Deutschland und Indien ist einzigartig. Wir pflegen mit keinem anderen Land in Südasien etwas Vergleichbares. Unsere Beziehungen haben sich in den letzten Jahren immer weiter vertieft. Dafür stehen zum Beispiel über 30 Konsultations- und Dialogformate, die über die mittlerweile 19 Jahre unserer Partnerschaft entstanden sind.

Was versprechen Sie sich von dem Besuch der Bundesregierung in Indien? Werden beide Länder wichtige Abkommen unterzeichnen?

Wir wollen die Dynamik in den Beziehungen verstärken. Dazu werden wir z.B. Vereinbarungen schließen, um den Austausch zwischen unseren Start-Ups zu fördern. Auch im Bereich Green Urban Mobility wollen wir das Startsignal für eine neue Zusammenarbeit setzen. Darüber hinaus wird die Bundesregierung bei ihrer Reise auch von einer Wirtschaftsdelegation begleitet.

Deutschland ist Indiens größter Handelspartner in der EU. Was kann Indien tun, um die wirtschaftlichen Beziehungen noch weiter zu vertiefen?

Die indische Wirtschaft wächst seit Jahren mit beachtenswerten Raten. Wie Deutschland setzt sich auch Indien für einen freien, offenen und regelbasierten Handel ein. Ich bin überzeugt, dass es für Europa und Indien gut wäre, wenn wir die Verhandlungen zu einem Freihandelsabkommen wieder aufnehmen und vorantreiben könnten. Dazu brauchen wir allerdings positive Impulse von allen Seiten.

In Indien sind ca. 1700 deutsche Unternehmen aktiv - eine bemerkenswerte Zahl. Indien ist in den letzten Jahren im Ease of Doing Business Index beständig nach oben geklettert. Das ist ein gutes Zeichen und wird auch von der deutschen Wirtschaft wahrgenommen. Dem gegenüber stehen jedoch noch immer verschiedene nicht-tarifäre und administrative Hürden. Deutschland steht bereit, Indien zu unterstützen, um die Rahmenbedingungen für Investitionen noch weiter zu verbessern.

In welchen Bereichen hat Deutschland ein spezielles Interesse noch enger mit Indien zusammenzuarbeiten?

Potential für mehr Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Indien sehe ich insbesondere bei internationalen und globalen Herausforderungen. Bei Klima- und Umweltschutz arbeiten wir zum Beispiel bilateral bereits sehr gut zusammen. Wenn es uns gelingt, in Klima- und Umweltfragen noch enger – auch auf internationaler Bühne – zu kooperieren, dann können wir wichtige Schritte hin zu einer Umsetzung der ehrgeizigen Klimaziele von Paris gehen.

Wie geht es mit der strategischen Partnerschaft zwischen Deutschland und Indien voran? Welche Bedeutung hat sie? Wie soll sie fortentwickelt werden?

In sicherheitspolitischen Fragen spielt Indien eine zentrale Rolle in der Region, etwa in Afghanistan. Auch Deutschland ist ein wichtiger Partner Afghanistans beim Wiederaufbau und im Friedensprozess. Mit dem innerafghanischen Dialog in Doha hat Deutschland etwa einen wichtigen Beitrag für einen zukünftigen Friedensprozess in Afghanistan geleistet. Für uns ist aber auch klar, dass wir Indiens Einfluss für eine dauerhafte Stabilisierung der Region brauchen. Auch deshalb ist es wichtig, dass Deutschland und Indien in zentralen sicherheitspolitischen Fragen an einem Strang ziehen.

Wie sieht Deutschland Indiens Vorgehen in Jammu & Kaschmir? Hat Deutschland seinen Blick auf das Kaschmir-Thema geändert?

Indien steht für Vielfalt und Toleranz. Für uns als enger demokratischer Partner Indiens ist wichtig – und das haben wir deutlich zum Ausdruck gebracht: die durch die Verfassung verbrieften Rechte der lokalen Bevölkerung in Jammu & Kaschmir müssen beachtet werden.

Für uns handelt es sich hier um eine innerindische Angelegenheiten. Gleichzeitig ist aber auch klar, dass Entscheidungen zu Jammu & Kaschmir immer auch Auswirkungen auf die regionale Stabilität haben können. Darauf habe ich in meinen Gesprächen sowohl mit der indischen als auch mit der pakistanischen Seite stets hingewiesen. Für uns ist wichtig, dass keine Seite Öl ins Feuer gießt und dass die diplomatischen Gesprächskanäle offen bleiben.

Unabhängig davon ist aber auch klar, dass grenzübergreifender Terrorismus nachhaltig unterbunden werden muss. Das gilt selbstverständlich für jegliche Art von Terrorismus und Extremismus – und ist nicht zuletzt auch im ureigensten Interesse Pakistans.

Viele indische Studierende entscheiden sich inzwischen für Deutschland als Studienstandort. Was können Sie ihnen auf den Weg geben?

Wir freuen uns, dass der Studienstandort Deutschland bei indischen Studierenden so hoch im Kurs steht. Von diesem Austausch – da bin ich überzeugt – können Wirtschaft und Forschung in beiden Ländern nur profitieren. Ich kann natürlich jedem, der in Deutschland studieren möchte, mit Blick auf die guten Wirtschaftsbeziehungen zwischen Indien und Deutschland nur nahelegen, auch ein bisschen Deutsch zu lernen.

Wo stehen wir momentan bei der Verteidigungszusammenarbeit zwischen Deutschland und Indien? Wie sieht die Zukunft in diesem Bereich aus?

Im Februar 2019 haben die beiden Verteidigungsministerinnen eine Vereinbarung unterzeichnet, um die Kooperation im Verteidigungsbereich auszubauen. Zudem haben wir erst vor kurzem ein neues Dialog-Format geschaffen, das sich vor allem militärpolitischen Aspekten widmen wird. Das alles ist eine gute Grundlage für unsere Zusammenarbeit in verteidigungs- und sicherheitspolitischen Fragen.

Wie steht Deutschland zu Rüstungslieferungen an Indien?

Deutschland hat eine sehr restriktive und verantwortungsvolle Rüstungsexportpolitik. Darüber gibt es in der deutschen Politik einen breiten Konsens. Das heißt nicht, dass wir keine Rüstungsgüter nach Indien exportieren. Es kommt aber immer auf den Einzelfall an. Indien ist ein Stabilitätsanker und Schlüsselpartner für uns in der Region. Das fließt selbstverständlich bei Rüstungsexportgenehmigungen immer auch in unsere Entscheidungen mit ein.

Was hat es mit der Allianz der Multilateralisten auf sich? Sehen Sie Deutschland und Indien hier an einer Seite?

Die regelbasierte Weltordnung ist in den vergangenen Jahren immer stärker unter Druck geraten. Dem wollen wir mit der Allianz für den Multilateralismus etwas entgegensetzen. Wir sind überzeugt, dass wir als Teamplayer mehr erreichen als als Einzelkämpfer. Daher bin ich meinem indischen Amtskollegen, Dr. Jaishankar sehr dankbar, dass er an der Veranstaltung der Allianz für den Multilateralismus teilgenommen hat und hoffe, dass sich Indien weiter daran beteiligt.



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