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Rede von Außenminister Heiko Maas vor dem Deutschen Bundestag bei der zweiten und dritten Lesung zum Bundeshaushalt 2018

04.07.2018 - Rede

-- stenographisches Protokoll --

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren!

Zunächst will ich mich ganz herzlich bedanken für die Anerkennung der Arbeit unseres diplomatischen Dienstes weltweit. Ich gebe das gerne weiter und bin voll und ganz der Auffassung, dass das hier auch so zu Recht geäußert wurde.

Ich freue mich auch schon auf die Haushaltsberatungen, die ab Freitag beginnen werden, und hoffe, dass Sie die Personalzahlen und die Entwicklungspläne für den diplomatischen Dienst, die wir dort vorlegen werden, dann auch alle genauso tatkräftig unterstützen werden; denn vieles von dem, was Sie jetzt gesagt haben, wird darin aufgenommen.

Meine Damen und Herren, dass der diplomatische Dienst tatsächlich immer wichtiger wird, hat etwas damit zu tun, dass sich die Weltordnung dramatisch verändert. Die Stichworte sind in der Debatte eigentlich alle schon genannt worden: das transatlantische Verhältnis, die wachsenden autoritären Entwicklungen in Russland, in China oder in der Türkei, die Zunahme nationaler Alleingänge anstelle multilateraler Kooperationen - leider auch immer mehr in Europa - und die Angriffe auf die regelbasierte Weltordnung.

Ja, liebe Kolleginnen und Kollegen, eigentlich ist es in einer solchen Debatte oder auch politisch insgesamt gar nicht so entscheidend, wer die beste Erklärung für all diese Entwicklungen liefert, sondern entscheidend müsste eigentlich sein, wer die besten politischen Antworten darauf liefert. Deshalb will ich zunächst einmal sagen: Eine Antwort, die man nicht geben kann und darf, weil man sich damit auf eine Stufe mit denjenigen stellt, die wir alle bzw. fast alle kritisieren, ist: Abschottung und Nationalismus. Wer auf Abschottung mit Abschottung reagiert, ist auf einem Irrweg und trägt dazu bei, Deutschland in der Situation, in der wir sind, zu einem politischen Zwerg zu machen. Das dürfen wir nicht zulassen.

Wir werden ohne unsere Partner, vor allen Dingen ohne die Partner in Europa, keine einzige Herausforderung, der wir uns gegenübersehen, alleine in den Griff bekommen. Weder die Migrationsfrage noch der Klimawandel - der Klimawandel macht den Atlantik sogar in Wirklichkeit etwas größer, Herr Karl - noch die Bedrohung des Welthandels, über die wir reden, oder auch die Frage der nuklearen Ordnung, mit der wir uns auseinandersetzen müssen - nichts von dem werden wir, auch als größter Mitgliedstaat der Europäischen Union, noch alleine regeln können. Die Antwort - das ist austauschbar - auf “America first„, auf ”Russia first“ oder auf „China first“ kann wirklich nur „Europe united“ sein, meine sehr verehrten Damen und Herren.

Ich will auch etwas an diejenigen sagen, die hier immer vom deutschen Interesse sprechen: Ja, die deutsche Außenpolitik ist auch deutschen Interessen verpflichtet.

Sie ist sogar in erster Linie deutschen Interessen verpflichtet. Aber dann müssen Sie auch einmal zur Kenntnis nehmen: So wie die Welt jetzt aufgestellt ist, hat das deutsche Interesse gerade jetzt einen Namen, und das ist Europa.
Deshalb ist alles, was Europa guttut, im deutschen Interesse. Wenn Sie das nicht verstanden haben, dann sollten Sie einmal anfangen, sich mit den Realitäten auseinanderzusetzen.
Das, was wir als Bestandsaufnahme in Europa haben, ist: Ja, es gibt Spaltungstendenzen: in der Migrationsfrage, aber auch in der Finanzpolitik, in vielen anderen Fragen. Es gibt immer mehr unabgestimmte nationale Alleingänge.
Sie gehen meistens zulasten Dritter, und deshalb wird es auch insgesamt nicht funktionieren, auf diese Art und Weise Politik zu machen. Es gibt keine vernünftige Alternative dazu, die großen Probleme dieser Zeit im großen Europa anzugehen. Dem fühlt sich die deutsche Außenpolitik dieser Bundesregierung verpflichtet.

Meine Damen und Herren, dann muss man aber auch ein paar Sätze sagen zu der Frage „Wie macht man denn die Europäische Union überhaupt außenpolitikfähig?“; denn die Anforderungen werden größer werden. Dazu haben wir - und das sind nicht nur wir, sondern wir haben das zusammen mit unseren französischen Freunden gemacht - einige Vorschläge unterbreitet. Wir wollen in Zukunft in der Außenpolitik im Rat nicht mehr nur einstimmig entscheiden müssen, sondern wir wollen - das erlauben die Verträge - auch Inhalte definieren, bei denen mit Mehrheit entschieden werden kann, damit wir möglichst schnell und zügig und effektiv außenpolitisch tätig werden können. Wir brauchen die Europäische Sicherheits- und Verteidigungsunion. Durch die Bündelung der Interessen - im Rahmen einer europäischen Ostpolitik, einer balancierten neuen Partnerschaft gegenüber den Vereinigten Staaten und auch im Rahmen einer europäischen Afrika-Politik, tun wir das, was die Herausforderungen dieser Zeit uns mit auf den Weg geben. Auch das ist eine europäische Aufgabe, der wir gerecht werden wollen.

Wir tun dies in der Außenpolitik, meine Damen und Herren, schon jetzt in vielen anderen Fragen, auch mit unseren Partnern zusammen, und übernehmen Verantwortung. Es hat vor nicht allzu langer Zeit - nach über 16 Monaten das erste Mal - auf deutsch-französische Initiative hin noch einmal das Normandie-Format der Außenminister getagt. Wir haben die Russen und die Ukrainer nach über einem Jahr wieder an einen Tisch gebracht und haben mit ihnen darüber geredet, wie dem, was längst vereinbart worden ist in den Minsker Verträgen, wie dem Waffenstillstand, dem Abzug der schweren Waffen, endlich Genüge getan werden kann und wie wir mit einer neuen Initiative, nämlich einer VN-Mission für die Ostukraine, dem Ganzen noch einmal größeren Nachdruck verleihen können.
Darüber wird im Moment sehr konkret verhandelt.

Sie wissen, dass wir gerade beim Atomabkommen mit dem Iran zusammen mit den französischen und den britischen Partnern sehr aktiv sind, weil wir davon überzeugt sind: Das ist besser, als gar keinen Vertrag zu haben und den Iran in eine Entwicklung zu drängen, die keiner will. Wo das, was wir jetzt schon als problematisch empfinden - die Rolle Irans in der Region, das ballistische Raketenprogramm -, möglicherweise eine Dynamik entfalten würde, die in die völlig falsche Richtung geht. Deshalb werden wir alles daransetzen, den Iran in diesem Abkommen zu halten.

Dieses Abkommen sorgt dafür, dass es dort keine militärische nukleare Entwicklung gibt. Das Gleiche gilt auch für den Syrien-Konflikt. Nachdem wir dort lange nicht mehr am Verhandlungstisch gesessen haben, verhandeln wir jetzt zusammen mit unseren Partnern in der Small Group.

Wenn Sie dazwischenrufen: „Was bringt’s?“: Ich kann es Ihnen nicht sagen. Aber ehrlich gesagt: Wenn ich mich an jeden Verhandlungstisch, an den ich mich setze, mit der Überzeugung „Was bringt’s?“ setze, dann würde ich wahrscheinlich besser zu Hause bleiben.
Und wenn Sie Außenpolitik unter der Überschrift „Was bringt’s?“ machen, dann hören Sie vielleicht besser auf, Außenpolitik zu machen.
So kann man sich dort nicht verhalten.

Meine Damen und Herren, ich freue mich, dass in den Haushaltsberatungen eine nicht unerhebliche Anzahl von Euros auf den Regierungsentwurf draufgepackt worden sind, und zwar an den richtigen Stellen. Dafür bedanke ich mich bei allen ganz herzlich. Damit versetzen Sie uns in die Lage, den wirklich immer größer werdenden Herausforderungen auch in unserem diplomatischen Dienst gerecht werden zu können.
Dafür will ich mich herzlich bedanken.

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