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Rede von Außenminister Heiko Maas vor der Genfer Abrüstungskonferenz: „Rüstungskontrolle am Scheideweg“

22.02.2021 - Rede

„Zwar ist die Abrüstung (…) für die Menschheit überlebensnotwendig (…), aber seit Ende des Zweiten Weltkrieges wurden hierbei nur wenige Fortschritte erzielt.“

Dies ist ein Zitat aus der historischen Resolution, mit der 1978 die Abrüstungskonferenz eingesetzt wurde.

Unsere weltweiten Übereinkünfte, mit denen biologische, chemische und bestimmte konventionelle Waffen verboten wurden, sowie der Vertrag über das Verbot von Kernwaffenversuchen stellen seitdem sicherlich bedeutende Meilensteine dar. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass im Laufe der Jahre viel zu viele dieser Übereinkünfte missachtet oder sogar offen verletzt worden sind.

Dieses Jahr zeichnet sich allerdings eine neue Chance für die Abrüstung ab. Die Bedeutung der Verlängerung des „New START“-Vertrages kann gar nicht hoch genug eingeschätzt werden. Jetzt ist es an uns, auf diesem Erfolg aufzubauen.

Unsere erste Aufgabe besteht darin, nukleare Abrüstung wieder auf die Agenda zu setzen.

Im vergangenen Jahr hat die Stockholm Initiative einen Fahrplan vorgelegt, wie die nukleare Abrüstung vorangebracht werden kann. Diese Vorschläge für praktische Fortschritte – von der Risikominderung und der Verifikation bis hin zur weiteren Reduzierung der nuklearen Arsenale – liegen nach wie vor auf dem Tisch.

Die Initiative für Nichtverbreitung und Abrüstung hat zudem wertvolle Empfehlungen für die Stärkung aller Aspekte des Nichtverbreitungsvertrags vorgelegt. Die dieses Jahr stattfindende Überprüfungskonferenz gibt uns die Chance, diesen Worten Taten folgen zu lassen und entscheidende Schritte auf dem Weg zu unserem gemeinsamen Ziel zu gehen: einer Welt ohne Kernwaffen.

Die zweite Aufgabe besteht darin, der Proliferationsgefahren entgegenzuwirken und die Straflosigkeit dafür zu beenden.

Präsident Biden und Außenminister Blinken haben ihre Bereitschaft erklärt, zur Nuklearvereinbarung mit Iran (JCPoA) zurückzukehren, wenn Iran diese seinerseits wieder vollständig einhält. Es liegt im ureigenen iranischen Interesse, jetzt einzulenken, bevor die Vereinbarung irreparabel beschädigt ist. Als Unterzeichner des JCPoA erwarten wir von Teheran nicht weniger als die vollständige Einhaltung der Vereinbarung, vollständige Transparenz und die vollständige Zusammenarbeit mit der Internationalen Atomenergie-Organisation.

Auch Nordkorea bedarf unserer ungeteilten Aufmerksamkeit. Denn das Land hat nicht nur den Nichtverbreitungsvertrag verletzt und später verlassen. Es erweitert auch fortwährend seine illegalen Kernwaffen- und Raketenprogramme. Einigkeit zu bewahren in unseren Bemühungen um die Denuklearisierung Nordkoreas, ist eine Frage der Glaubwürdigkeit. Verbunden mit diplomatischem Engagement liegt darin unsere größte Chance auf dauerhaften Frieden.

Syrien hat wiederholt chemische Waffen gegen seine eigene Bevölkerung eingesetzt. Diese schrecklichen Verbrechen wurden von der Organisation für das Verbot chemischer Waffen zweifelsfrei bestätigt. Und als verantwortungsbewusste Staaten haben wir die Pflicht, diejenigen, die diese Taten verübt haben, auch zur Rechenschaft zu ziehen.

Meine Damen und Herren,
unsere dritte große Aufgabe besteht darin, die Rüstungskontrolle angesichts des technologischen Wandels neu zu denken.

Künstliche Intelligenz, Bio- und Cyber-Technologien bergen großes Potenzial für den Fortschritt der Menschheit. Aber sie schaffen auch neue Bedrohungen. Autonome Waffensysteme, die außerhalb menschlicher Kontrolle operieren, stellen eine schwerwiegende Bedrohung der Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts dar. Wenn wir die Sicherheit auch im 21. Jahrhundert bewahren wollen, müssen wir uns mit diesen Risiken beschäftigen. Es ist höchste Zeit, die dafür nötigen Regelwerke zu schaffen – auf der Grundlage des Völkerrechts und im Wege multilateraler Zusammenarbeit.

Und schließlich hat uns die COVID-19-Pandemie gezeigt, wie verletzlich wir gegenüber einem Virus sind. Noch gefährlicher können biologische Kampfstoffe sein. Das Übereinkommen über das Verbot biologischer Waffen muss deshalb überarbeitet werden, um neuen Bedrohungen zu begegnen und mit dem rapiden Fortschritt in Biotechnologie und -wissenschaften Schritt zu halten. Dies ist das Ziel, das wir uns für die bevorstehende Überprüfungskonferenz setzen sollten.

Meine Damen und Herren,
Rüstungskontrolle stärkt unsere Sicherheit. Abrüstung rettet Leben. 43 Jahre nach Einsetzung der Abrüstungskonferenz wird ihr enormes Potenzial immer noch nicht ausgeschöpft. Das muss sich ändern.

Und diese Veränderung kann hier und heute ihren Ausgang nehmen, damit das Jahr 2021 zu einem Wendepunkt wird für die globale Rüstungskontrolle.

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