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„Einigung nicht um jeden Preis“
Außenminister Maas im Interview mit der Funke Mediengruppe
Die Einigung beim EU-Gipfel war eine schwere Geburt. Muss sich die die Gemeinschaft demnächst auf neue Querschüsse aus Polen und Ungarn einstellen – und wie wird sie reagieren?
Ja, eine schwere Geburt, aber es war wichtig, um diese Einigung zu kämpfen. Das ist ein echter Schlüsselmoment für die Rechtsstaatlichkeit in der EU! Was wir jetzt mitten in der Pandemie am wenigsten brauchen ist eine zweigeteilte EU, die sich selbst blockiert. Die Menschen und Unternehmen, die von Corona hart getroffen wurden, brauchen zügig die Mittel aus dem Aufbaupaket der EU. Und klar ist auch: Die Lösung, die wir jetzt gefunden haben, tastet in der Substanz den Rechtsstaatsmechanismus nicht an. Damit können wir künftig auf Rechtsstaatsverstöße bei der Verwendung von EU-Mitteln mit Kürzungen dieser Gelder reagieren.
Wie hoch schätzen Sie die Chancen auf einen Brexit-Kompromiss in letzter Minute ein?
Eine Einigung wird mit jedem Tag schwieriger, aber sie ist immer noch möglich. Deshalb verhandeln wir als EU weiter, solange das Fenster auch nur einen Spalt offen ist. Wir werden sehen, was bis Sonntag gelingt und dann die Lage wieder bewerten. Wir wollen diesen Verhandlungsmarathon ins Ziel bringen, weil wir mit der Pandemie wirklich noch eine riesige Herausforderung haben, die unsere Kraft erfordert. Aber bei aller Kompromissbereitschaft müssen wir als EU natürlich auch unsere Interessen im Blick behalten, etwa die hohen Standards bei Umwelt- und Verbraucherschutz oder die Regeln für fairen Wettbewerb. Deshalb haben wir immer gesagt: Wir wollen eine Einigung, aber nicht um jeden Preis.
Wie stark würde ein harter Brexit die deutsche Wirtschaft schädigen – und wie könnten deutsche Unternehmen die Nachteile kompensieren?
Klar ist: ohne Abkommen gelten ab 1. Januar die WTO-Regeln – mitsamt der dort vorgesehenen Zolltarife. Das wäre das Szenario, auf das wir uns einrichten müssen. Aber auch mit einem Abkommen wird es wirtschaftliche Auswirkungen geben. . Der Brexit hat einen Preis, leider auch für unsere Wirtschaft in der EU. Aber glücklicherweise haben wir nun die Einigung auf den Mehrjährigen EU-Finanzrahmen, in dem auch ein Fonds für Brexitfolgen aufgelegt werden soll. Wir setzen uns dafür ein, dass auch kleine und mittlere Unternehmen, die stark vom Brexit betroffen sind, diese Hilfen abrufen können.