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Ein Bündnis zum Erhalt der multilateralen Weltordnung formieren
Außenminister Heiko Maas im Interview mit der Funke-Mediengruppe
Nationalspieler Mesut Özil hat in seiner Rücktritterklärung Rassismus beklagt. Hat er Recht?
Ganz unabhängig vom Fall Mesut Özil sollte völlig klar sein: Wir müssen uns jeder Form von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit sehr entschlossen entgegen stellen. Da haben wir leider noch viel zu tun. Die Zahl der fremdenfeindlichen Straftaten und antisemitischen Übergriffe bleibt beschämend hoch. Und: Es gibt bedauerlicherweise noch immer sehr viele Menschen in Deutschland, die in ihrem Alltag von Rassismus bedroht werden. Das betrifft nicht nur Mesut Özil.
War es dennoch richtig, dass er das Thema aufgegriffen hat?
Mesut Özil hat sich geäußert und eine konsequente Entscheidung getroffen, die zu respektieren ist. Wir sollten nicht vergessen, dass er sehr viele Jahre zum Erfolg des deutschen Fußballs beigetragen hat. Nicht nur mit Blick auf die Debatte um Özil ist mir wichtig: Es bleibt eine Aufgabe für uns alle, einzustehen für die Werte die unser Land ausmachen: Toleranz, Vielfalt und Freiheit. Vielfalt ist keine Bedrohung und nichts, was uns Angst machen muss. Wenn Menschen im Alltag rassistisch bedroht oder antisemitisch beleidigt werden, sind wir alle gefordert gegenzuhalten.
Herr Minister, ist US-Präsident Donald Trump ein Gegner Deutschlands und der EU?
Unabhängig davon, wen Präsident Trump alles als Gegner bezeichnet: Für mich sind die USA kein Gegner, sondern unser wichtigster Partner und Verbündeter außerhalb der EU. Amerika ist größer als das Weiße Haus. Daran wird auch Trump nichts ändern, da kann er so viel twittern wie er will.
Aber in der Handelspolitik stehen die Zeichen längst auf Eskalation: Trump hat die EU als „Gegner“ bezeichnet. Ist ein Handelskrieg überhaupt noch abzuwenden?
Die Frage ist: Auf welche Weise ist ein Handelskrieg abzuwenden? Wir sollten uns nicht von Trump bedrohen lassen. Sondern: Wir müssen die EU zusammen halten und uns gemeinsam selbstbewusst gegen Strafzölle wehren. Wir müssen der Methode Trump Grenzen setzen. Er muss sehen, dass es ihm nicht gelingt, Europa zu spalten. Trump muss verstehen: Auch Amerika kann nur verlieren, wenn wir uns gegenseitig mit Strafzöllen überziehen.
Sollte Trump Strafzölle auf europäische Auto-Importe erheben: Ist die EU dann nicht gezwungen, die Einfuhr von Boeing-Flugzeugen oder I-Phones von Apple ebenfalls mit Strafzöllen zu belegen?
Klar ist, dass die EU in diesem Fall gezwungen wäre, Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Ich hätte mir das vor ein paar Monaten noch nicht vorstellen können. Aber die Sache wird nicht besser, wenn Brüssel klein beigeben würde und dem Recht gäbe, der am lautesten provoziert. Die EU muss sich wehren und darf sich nicht erpressen lassen.
Sie reisen nach Japan und Südkorea. Ist das auch der Versuch, angesichts des handelspolitischen Erdbebens in Amerika neue Netzwerke und Partner zu finden?
Absolut. Das gilt etwa für Japan, das sehr stark auf den freien Welthandel setzt. Auch die demokratischen Werte und Überzeugungen verbindet das Land mit uns. Mit Südkorea und auch mit Kanada streben wir ebenfalls eine enge Partnerschaft an. Eine der wichtigen Aufgaben der deutschen Außenpolitik wird es künftig sein, ein Bündnis zum Erhalt der multilateralen Weltordnung zu formieren. Wir werden die USA nicht ersetzen, aber wir können versuchen, die größten Lücken zu schließen.
Die Brexit-Verhandlungen treten auf der Stelle. An welchem Punkt müssen sich die Briten Ihrer Meinung nach unbedingt bewegen?
Damit sich der Austritt so geregelt wie möglich vollzieht, wird sich die britische Regierung bewegen müssen. Zum einen bei der Frage der Grenze zwischen Nordirland und dem EU-Mitglied Irland. Zum Zweiten beim ungeteilten Binnenmarkt, wo sich die Briten nicht einzelne Rosinen herauspicken können. Wir wollen, dass Bürger und Unternehmen Handlungssicherheit haben. Der Zeitdruck ist groß. Es ist nicht mehr fünf vor zwölf, es ist schon zwei vor zwölf. Aber wir lassen uns nicht unter Druck setzen. Wir werden keine Deals zum Nachteil Europas eingehen.
Osteuropa sperrt sich gegen die Aufnahme von Flüchtlingen. Mittlerweile setzen auch Österreich und Italien auf Abschottung. Kippt Europa in der Frage der Migranten nach rechts?
Die osteuropäischen Staaten, die ihre Freiheit vor nicht allzu langer Zeit erlangt haben, sind offenbar zurückhaltender, wenn Menschen aus anderen Kulturkreisen zu ihnen kommen. In einigen Ländern gelingt es rechtspopulistischen Gruppen leider, mit einem stark antieuropäischen Wahlkampf zu mobilisieren. Nationale Alleingänge werden allerdings keine einzige internationale Frage beantworten. Klar ist aber auch: Man kann niemanden zwingen, ein Abkommen zur fairen Verteilung von Flüchtlingen zu unterzeichnen. Wir werden dennoch daran weiter arbeiten, Verantwortung zu teilen.
Wie wollen Sie Verantwortung teilen?
Wer sich gegen eine Quote sperrt, könnte auch in anderen Feldern einen Beitrag leisten, etwa sich finanziell engagieren oder bei der Fluchtursachenbekämpfung helfen. Die Migrationsfrage darf nicht zur Wahlkampfmunition für neue Nationalisten und nicht zum Spaltpilz innerhalb der EU werden.
Haben Sie Verständnis für Italien, das keine Flüchtlinge mehr aufnehmen will, die von der offiziellen EU-Mission „Sophia“ gerettet wurden?
Wir haben die Italiener in Flüchtlingsfragen zu lange allein gelassen. Und auch die Regeln zur Seenotrettung waren ursprünglich nur für einige wenige Notfälle konzipiert.
Die EU-Kommission will die Mission „Sophia“ neu definieren. Was muss sich ändern?
Wir müssen klären, ob wir mehr Schiffe und mehr Personal im Mittelmeer brauchen. Auch müssen wir uns einigen, wie viel wir in Nordafrika an Land tun können. Die libysche Küstenwache braucht mehr Unterstützung.
Wäre Deutschland bereit, auf freiwilliger Basis mehr Flüchtlinge aufzunehmen, um die Regierung in Rom zu entlasten?
Wir haben schon viel getan. Und es geht jetzt darum, dass wir uns in Europa einigen, wie wir mit anlandenden Flüchtlingen umgehen. Das können Aufnahmequoten sein, aber auch eine Teilung der Verantwortlichkeiten.
Der EU-Gipfel Ende Juni hat sich auf Auffanglager für Migranten in der EU und in Afrika geeinigt. Bislang hat niemand den Finger gehoben: In welchen Ländern sollen Lager errichtet werden?
Nordafrikas Regierungen lehnen das derzeit ab. Und: Ich bin auch skeptisch, wie solche nordafrikanischen Zentren funktionieren können. Bei diesen zentralen Aufnahmepunkten in Afrika sehe ich ein ganz praktisches Problem. Und: es ist unrealistisch, dass gerade diejenigen Menschen in diesen Zentren ausharren würden, die wissen, dass ihre Chancen auf legale Aufnahme in der EU gen null gehen. Sie würden nach neuen illegalen Wegen nach Europa suchen.
Aufnahmelager in Afrika sind also eine Schnapsidee?
Zumindest sollten wir keine überhöhten Erwartungen an diese Konzepte haben. Warum sollten die Leute in diese Zentren gehen, wenn die Wahrscheinlichkeit einer Ablehnung extrem hoch ist?
Erschienen unter anderem in Hamburger Abendblatt und WAZ