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Rede von Außenminister Heiko Maas beim „Frauennetzwerk Salvador da Bahia“

29.04.2019 - Rede

Freude, aber auch Ernüchterung. Diese zwei doch sehr gegensätzlichen Emotionen haben viele gespürt, als wir uns in der letzten Woche in New York im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen für eine Resolution zum Kampf gegen sexualisierte Gewalt in Konflikten eingesetzt haben.

Die Freude hat am Schluss dann doch dominiert, weil der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen die von uns eingebrachte Resolution am Ende nach einer Diskussion mit 78 Wortmeldungen dann doch mit 13 von 15 Ja-Stimmen angenommen hat.

Ernüchterung gab es aber auch, dass wir eine solche Debatte überhaupt führen mussten und dass der Weg bis dahin ein so schwieriger geworden ist. Wochenlang haben wir hart über Dinge verhandelt, von denen wir dachten, sie seien eigentlich selbstverständlich.

Darüber, die Täter konsequenter zur Rechenschaft zu ziehen. Oder über die Aufforderung, Überlebenden sexualisierter Gewalt endlich die Hilfe und die Unterstützung zukommen zu lassen, die sie längst verdient haben.

Trotzdem waren die Widerstände groß. Und sie kamen im Übrigen nicht nur von jenen Ländern, von denen man das erwarten konnte. Sondern auch von unerwarteter Seite, von einem Land, das bislang ein Verbündeter gewesen ist im Kampf gegen sexualisierte Gewalt und für Frauenrechte.

Leider kam das nicht sehr überraschend. Wir erleben derzeit gefährliche Rückschritte. Populismus und Nationalismus sind weltweit auf dem Vormarsch. Über Jahrzehnte erkämpfte Errungenschaften werden heute nicht mehr nur diskutiert, sondern sie werden teilweise sogar in Frage gestellt.

Dies gilt für die multilaterale, die regelbasierte Ordnung im Allgemeinen. Das gilt aber auch im Besonderen - für Errungenschaften wie Frauenrechte und Gleichstellung.

Wir werden kämpfen müssen, um den Fortschritt am Leben zu halten. In Deutschland, in Lateinamerika und weltweit. Und für diesen Kampf brauchen wir Verbündete.

Meine sehr verehrten Damen und Herren,

es ist deshalb kein Zufall, dass mich meine Reise in drei lateinamerikanische Staaten zunächst nach Salvador führt.

In eine Stadt mit einer bewegten Geschichte, die ihr im Übrigen viele Beinamen gegeben hat:

  • „Schwarzes Rom“ in Anspielung auf die vielen Kirchen und die reiche afrobrasilianische Kultur, die Stadt und Bundesstaat auf ganz faszinierende Weise geprägt haben.
  • Oder „Die Stadt der Freude“, wie man Salvador wegen seiner vielen Feste nennt.
  • Aber eben auch: „Die Stadt der Frauen“. Nach einem Buch der amerikanischen Ethnologin Ruth Landes.
    Sie wählte den Titel, weil Frauen nicht nur im spirituellen Leben der Stadt eine herausragende Rolle gespielt haben.

Stadt der Frauen! Was für ein passender Ort für den Auftakt zu einer Initiative zur Stärkung von Frauenrechten.

„UNIDAS“ soll dieses Netzwerk heißen, auf Deutsch: „vereint“. Weil es um Vernetzung geht und um Zusammenhalt. Und wenn ich mich hier so umblicke, dann habe ich den Eindruck, dass der Name gut gewählt ist.

Ich freue mich sehr, dass so viele engagierte Frauen heute hier sind. Aus Brasilien, aber auch Vorkämpferinnen für Frauenrechte in Deutschland, die mich auf dieser Reise begleiten.

Uns alle hier eint ein gemeinsames Ziel: gleiche Chancen von Frauen und Männern.

Wie weit dieses Ziel noch entfernt ist, darauf hat vor kurzem erst der VN-Generalsekretär hingewiesen.

Demnach würde es, wenn der Fortschritt so weitergeht, noch weitere 200 Jahre dauern, bis weltweit eine vollständige Gleichstellung der Geschlechter erreicht ist.

200 Jahre, eine wirklich erschreckende Zahl in diesem Zusammenhang.

Dabei gibt es keine Alternative zum Kampf für Gleichberechtigung und Geschlechtergerechtigkeit!

Teilhabe, gleiche Chancen und gleiche Rechte – all dies gehört zum Kern einer demokratischen Gesellschaft. Ohne Gleichstellung gibt es keine Gerechtigkeit. Und ohne Gerechtigkeit schwächen wir unsere Demokratie und zwar überall.

Es sollte selbstverständlich sein, dass Frauen weltweit gleichberechtigte Akteurinnen sind. Doch die Realität, mit der wir es zu tun haben an den meisten Orten der Welt, ist eine andere.

Deshalb ist der Fokus auf Frauenrechte ein wichtiger Teil unserer, der deutschen Außenpolitik.

  • Sei es durch unser Engagement im Sicherheitsrat gegen sexualisierte Gewalt und für die Beteiligung von Frauen an Friedensprozessen - was in viel zu geringem Umfang heute der Fall ist.
  • Oder auch durch den Austausch mit Frauen auf der Vielzahl von Reisen, die stattfinden und die ich unternommen habe - sei es im Irak, sei es in Sierra Leone oder in New York. Und überall lerne ich dazu.
  • Aber auch durch die Gründung eines Netzwerks wie UNIDAS.

Meine Damen und Herren,

dieses Netzwerk ist ein Angebot. Ein Angebot, näher zusammenzurücken im Kampf für mehr Gleichberechtigung.

Es gibt zahlreiche Herausforderungen, in denen Deutschland und Lateinamerika voneinander lernen können. Nehmen wir mal die politische Partizipation: In unserem Parlament, dem Deutschen Bundestag sitzen heute weniger Frauen als noch vor 20 Jahren. Das ist wirklich beschämend.

Auch in Brasilien ist der Anteil weiblicher Abgeordneter immer noch sehr gering.

Viele andere, auch lateinamerikanische Staaten haben mittlerweile gesetzliche Regelungen für eine stärkere Repräsentation von Frauen in den Parlamenten auf den Weg gebracht.

Das ist eine Erfahrung, die uns interessiert – denn in Deutschland fangen wir gerade erst an, darüber zu diskutieren.

Deshalb bin ich gespannt auf die anschließende Diskussion, die heute hier stattfinden wird - und darauf, wo Sie Chancen und Perspektiven für Frauen in Wirtschaft, Politik, Wissenschaft, Kultur und Medien sehen. Denn es sind letztlich Ihre Ideen, aus denen ein solches Netzwerk entsteht, ein Netzwerk der Ideen, aber auch der gemeinsamen Ziele.

Und wenn heute in dieser Stadt dafür nicht nur der Grundstein gelegt, sondern der Anstoß gegeben wird, dann ist das ein guter Tag. Ein guter Tag für die Rechte von Frauen, aber im Ergebnis auch ein guter Tag für unsere Demokratie.

Herzlich willkommen, vielen Dank, dass Sie heute Morgen hierhergekommen sind.

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