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Grußwort von Außenminister Heiko Maas für die Konferenz „DARING NEW SPACES Conference for the European Public Sphere“ (Progressives Zentrum und ECFR)

10.12.2020 - Rede

Ich bin ein Europa-Optimist.

Diese Aussage wäre noch vor wenigen Monaten ziemlich gewagt und umstritten gewesen.

Doch in den vergangenen Monaten unserer Ratspräsidentschaft hat die EU eine Einigkeit und Handlungsfähigkeit bewiesen, die viele nicht erwartet hätten.

Der Wiederaufbaufonds und die politische Einigung auf den EU‑Haushalt im Juli stehen für beispiellose Solidarität.

Und ich bin zuversichtlich, dass wir auch die aktuell offenen Fragen noch vor Jahresende lösen. Rechtsstaatlichkeit sollte uns als Europäerinnen und Europäer schließlich nicht entzweien, sondern einen.

Debatten wie die jetzige zeigen uns immer wieder: Die Europäische Union ist ein Motor, der Differenzen konsumiert und Kompromisse produziert.

Ich bin auch deshalb optimistisch, weil wir zuletzt etwas beobachten, von dem Pessimisten uns gesagt hatten, es existiere nicht. Eine europäische Öffentlichkeit.

Bei der Europawahl vergangenes Jahr lag die Wahlbeteiligung so hoch wie zuletzt 1994. Und der größte Wählerzuwachs kam von Jugendlichen sowie Erstwählerinnen und Erstwählern.

Dieses Jahr hat die Pandemie transeuropäische Kommunikation befeuert: Wir schauen über Grenzen hinweg und vergleichen Strategien zum Umgang mit dem Virus. COVID‑Patienten aus Frankreich und Italien wurden in deutschen Krankenhäusern behandelt, ungarische Ärzte halfen in tschechischen Kliniken aus.

Gleichzeitig existieren nationale Öffentlichkeit natürlich weiter. Und die Reaktion auf die Pandemie wurde hauptsächlich von nationalen Regierungen verantwortet. Aber das sollte uns nicht überraschen:

Einheit bedeutet nicht Gleichförmigkeit. Die Stärke Europas liegt in der Vielfältigkeit unserer lokalen, regionalen und nationalen Identitäten. Diese Identitäten werden niemals in einer europäischen Super‑Öffentlichkeit aufgehen – und das will auch niemand.

Aber wir können und müssen mehr Diskussion und mehr Austausch zwischen Europäerinnen und Europäern fördern.

Ein erster und essenzieller Schritt ist hier Sprache – einer der letzten geschlossenen Schlagbäume in Europa. Warum versuchen wir nicht, diesen Schlagbaum zu heben, mit digitalen Sprachlernplattformen oder Übersetzungsprogrammen basierend auf künstlicher Intelligenz?

Zweitens müssen europäische Debatten im öffentlichen Raum stattfinden, nicht in exklusiven Clubs und abgeschotteten Blasen. Wir müssen auch mit denen sprechen, die eine andere Vorstellung von Europa haben als wir.

Aus diesem Grund haben wir die Initiative „Europa spricht“ von ZEIT‑ONLINE als zentralen Teil unserer Ratspräsidentschaft unterstützt. Auch das Kunstwerk „Earth Speakr“ von Olafur Eliasson baut auf dieser Idee auf.

Und ich freue mich auf die Konferenz zur Zukunft Europas. Um eine Vision für Europa in zehn oder zwanzig Jahren zu schaffen, müssen wir heute die Wünsche aller Europäerinnen und Europäer aus allen Ländern und allen Gesellschaftsschichten einbeziehen.

Und schließlich sollten wir selbstbewusster über Europa und seine Werte sprechen. Solidarität, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit sind zentral für europäische Integration. Und internationale Kooperation bleibt die einzige Lösung, um die Herausforderungen zu meistern, vor denen alle unsere Länder stehen: dem wachsenden Populismus, dem Klimawandel und natürlich der Pandemie.

Liebe Freundinnen und Freunde,
mein Gespräch vor ein paar Wochen mit einigen von Ihnen und Euch zu diesen Themen hat mich beeindruckt. Wir brauchen Ihre und Eure frischen Ideen und progressiven Ansätze, um unsere gemeinsame europäische Zukunft zu bauen.

Also, denken Sie weiter unkonventionell! Und vor allem: bleiben wir optimistisch.

Vielen Dank.

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