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Rede von Außenminister Heiko Maas im Bundestag zu 70 Jahren Allgemeiner Erklärung der Menschenrechte

13.12.2018 - Rede

Anfang Oktober sind fast eine Viertel Million Menschen in Berlin auf die Straße gegangen. Sie haben mit ihrer Präsenz dort ein Zeichen gegen Rassismus und Abschottung gesetzt, für Toleranz und Weltoffenheit, dafür, dass Menschenrechte unteilbar sind. Was für ein großartiger Tag war das in Berlin!

Diese Erkenntnis verdanken wir der Weltgemeinschaft, die sich vor 70 Jahren auf die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte geeinigt hat. Gerade einmal drei Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs beschworen die Staaten die Würde und die unveräußerlichen Rechte eines jeden einzelnen Menschen - ein Bekenntnis und ein Auftrag zugleich. Seitdem haben wir, wie ich finde, viel erreicht.

Wir können heute auf ein stabiles System zum Schutz der Menschenrechte zurückgreifen: der Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen in Genf, die Hochkommissarin für Menschenrechte, die Überwachungsausschüsse, die es gibt, und die vielen Mandatsträgerinnen und Mandatsträger der Vereinten Nationen. Doch wir wissen mittlerweile: Dieses System ist auch nicht unumstößlich. Mit den USA ist ausgerechnet einer der traditionell stärksten Partner in der Menschenrechtspolitik aus dem Menschenrechtsrat ausgetreten. Das zeigt, dass wir in Zeiten leben, in denen es keine Selbstverständlichkeiten gibt. Vielmehr müssen wir das Erreichte entschieden verteidigen.

Wir sehen besorgt weltweit dramatische Menschenrechtsprobleme, in China und Myanmar bis Saudi Arabien und bei vielen anderen. Wir nutzen die Kanäle, die wir haben, natürlich auch den Menschenrechtsrat, um Missstände anzusprechen. Aber das ist keine Einbahnstraße. Auch wir wurden zum Beispiel nach den Vorfällen in Chemnitz mit deutlicher internationaler Kritik im Rahmen des Staatenüberprüfungsverfahrens konfrontiert. Ja, auch das zeigt, dass die Gremien, die wir haben, funktionieren. Wir müssen auch vor unserer eigenen Haustür kehren, wenn wir weltweit für Menschenrechte eintreten wollen; denn nur so bleiben wir wirklich glaubwürdig.

Deshalb hat die Bundesregierung - um nur ein Beispiel zu nennen - in der vergangenen Woche 7 000 deutsche Unternehmen angeschrieben und für die weltweite Umsetzung ihrer menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht geworben. Denn eines ist doch klar: Ohne die Umsetzung der Menschenrechte bleiben Frieden und Sicherheit fragil und auch Entwicklung und Wohlstand nicht nachhaltig gesichert. Dafür braucht es nicht nur Regierungen, die ihre Verpflichtungen ernst nehmen, und eine unabhängige Justiz. Es braucht vor allen Dingen auch eine engagierte Zivilgesellschaft.

In vielen Teilen der Welt - auch das darf nicht unausgesprochen bleiben - sehen wir jedoch, wie sich die Freiräume der Zivilgesellschaft verengen. Menschenrechtsverteidiger, Journalisten und NGOs werden an vielen Stellen der Welt eingeschüchtert und drangsaliert. Auch für deren Schutz müssen wir uns einsetzen, wenn wir es mit den Menschenrechten ernst nehmen.

Deshalb, liebe Kolleginnen und Kollegen: Warum haben wir als Europäische Union eigentlich kein Instrument - wir haben keines! -, um Menschenrechtsverletzer weltweit mit Sanktionen zu belegen? Genau darüber werden wir in den nächsten Wochen mit unseren europäischen Partnern reden; denn es gibt eine entsprechende Initiative aus den Niederlanden, die auch wir unterstützen werden.

Wir unterstützen außerdem die Initiative eines Peer Review, eines Mechanismus, in dem sich alle teilnehmenden EU-Mitgliedstaaten gegenseitig einer Überprüfung der Rechtsstaatlichkeit unterziehen. Rechtsstaatlichkeit als Grundwert sollte nämlich in der EU einen und nicht spalten.

Liebe Kolleginnen und Kollegen,
die Herausforderungen ändern sich auch. Wir sind heute mit Herausforderungen konfrontiert, die so vor 70 Jahren noch nicht bestanden. Globalisierung, Digitalisierung, Migration, Klimawandel - alles ist grenzenlos. Das Klima der Welt verändert sich rasant, auch wenn mancher noch immer Klima und Wetter verwechselt.

Es ist nicht nur ein Umweltproblem, um das es da geht, sondern es ist längst auch ein Menschenrechtsproblem, wenn der Meeresspiegel steigt und Wetterextreme den Zugang zu sauberem Wasser gefährden. Das zeigt, dass es bei den Menschenrechten um viel mehr geht als das, was wir den klassischen Menschenrechtsschutz nennen. Vielmehr gibt es eine Vielzahl von neuen Themen. Die Verbindung von Klima und Sicherheit ist darunter eines, das wir zu einem Schwerpunktthema unserer Mitgliedschaft im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen erklärt haben.

Liebe Kolleginnen und Kollegen,
diese Entwicklung, der Zusammenhang zwischen Klima und Sicherheit, führt unweigerlich dazu, dass es mehr Migration geben wird. Umso gewichtiger erscheint das, was wir jetzt mit dem Globalen Migrationspakt erreicht haben. Er ist nämlich eine Voraussetzung dafür, auch auf diese globale Entwicklung eine Antwort zu geben.

„Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren. Sie sind mit Vernunft und Gewissen begabt und sollen einander im Geiste der Brüderlichkeit begegnen.“

So heißt es im ersten Artikel der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte.

Liebe Kolleginnen und Kollegen,
dieser Satz meint alle - hier, aber auch draußen und überall auf der Welt. Das Bekenntnis zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten ist der Kern dessen, was unsere Gesellschaft zusammenhält.

- „Nee“ ruft da einer dazwischen?

Das Bekenntnis zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten ist der Kern dessen, was unsere Gesellschaft zusammenhält. Wer das nicht erkennt und wer das nicht für richtig hält, stellt sich außerhalb unserer Gesellschaft, meine sehr verehrten Damen und Herren.

Es darf deshalb keine Rolle spielen, woher man kommt. Es darf auch keine Rolle spielen, woran man glaubt. Es darf auch keine Rolle spielen, wen man liebt. Wenn wir uns heute weltweit für Menschenrechte engagieren, dann machen wir das auch aus dieser Überzeugung heraus. Ich frage: Wer, wenn nicht wir, die freiheitlichen Demokratien, soll das machen?

Ich weiß, dass auch hier im Deutschen Bundestag wichtige Beiträge dazu geleistet werden, nicht nur in den Debatten und mit dem, was wir hier beschließen. Ich denke auch an das Programm „Parlamentarier schützen Parlamentarier“, bei dem einige von Ihnen Patenschaften für gefährdete Abgeordnete anderer Länder übernehmen. Auch das hat etwas mit Freiheit und mit Menschenrechten zu tun.

Für Menschenrechte muss man überall eintreten: in Berlin, in Peking, in Chemnitz genauso wie in Moskau. Am Schluss liegt es an uns selbst, die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte mit Leben zu füllen.

Herzlichen Dank.

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