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Rede von Außenminister Heiko Maas im Deutschen Bundestag: „Deutschlands Mitgliedschaft im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen – für eine dauerhaft friedliche, stabile und gerechte Ordnung in der Welt“

29.06.2018 - Rede

-- es gilt das gesprochene Wort --

Sehr geehrter Herr Präsident,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
184 Ja-Stimmen für Deutschland verkündete der Präsident der VN-Generalversammlung am 8. Juni als Ergebnis der Wahl der nicht-ständigen Sicherheitsratsmitglieder. Das ist eine überwältigende Mehrheit. Und sie war keineswegs selbstverständlich.

Diese Mehrheit ist Ausdruck der großen Anerkennung für das weltweite Engagement unseres Landes:

  • Als aktiver Fürsprecher multilateraler Konfliktlösung,
  • als viertgrößter Beitragszahler in den Vereinten Nationen und wichtiger Truppensteller,
  • als engagiertes Mitglied im Menschenrechtsrat
  • und als großzügiger Unterstützer des humanitären Systems und der Entwicklungsorganisationen der Vereinten Nationen.

Die große Dankbarkeit, die uns dafür entgegengebracht wird, möchte ich heute auch an Sie weitergeben. Denn unser Engagement ist nur möglich dank der fraktionsübergreifenden Unterstützung des Deutschen Bundestags!

Unsere Wahl in den Sicherheitsrat ist aber nicht nur Anerkennung für bereits Geleistetes. Bei meinen drei Besuchen in New York habe ich erfahren, welch hohe Erwartungen sich an uns richten: Deutschland wird zugetraut, eine Kraft des Ausgleichs zu sein, ein Verteidiger der regelbasierten Weltordnung, eine Stimme der Vernunft in einer zunehmend radikalisierten Welt.

Das sind hohe Ansprüche. Und wir wollen ihnen gerecht werden, liebe Kolleginnen und Kollegen!

Denn der Multilateralismus ist in Gefahr.

Vor sechzig Jahren sprach der damalige VN-Generalsekretär Dag Hammarskjöld von „Zeiten des Friedens, die kein Friede sind“.

Auch wenn sich die Herausforderungen seitdem verändert haben, so spüren wir doch auch heute, dass unser Friede keine Ewigkeitsgarantie hat. Dass Konflikte in der Welt auch uns in Europa unmittelbar erreichen und die Weltordnung gewaltige Umbrüche erlebt.

Wichtige Akteure wenden sich vom multilateralen System ab. Denken wir etwa an den Rückzug der USA aus dem VN-Menschenrechtsrat. Andere Staaten blockieren internationale Konfliktlösung durch ihr Veto oder brechen internationales Recht, wie Russland durch die völkerrechtswidrige Annexion der Krim oder sein Verhalten in der Ost-Ukraine.

Unsere Antwort darauf muss die Antwort sein, die auch Dag Hammarskjöld gegeben hat: Wir brauchen starke Vereinte Nationen – mehr denn je! Und wir brauchen einen handlungsfähigen Sicherheitsrat als Herzstück der internationalen Sicherheitsarchitektur.

Bei manch berechtigter Kritik dürfen wir eines nicht vergessen: Allein im vergangenen Jahr wurden 61 Resolutionen angenommen, 59 davon einstimmig. Das zeigt: Der Sicherheitsrat leistet einen entscheidenden Beitrag zu Frieden und Stabilität!

Wenn wir 2019 in den Sicherheitsrat einziehen, wird dieser zu einem Drittel aus EU-Mitgliedern bestehen. Diesen „europäischen Moment“ wollen wir nutzen. Europäische Außenpolitik, die diesen Namen verdient, muss auch in New York gemacht werden – dort, wo es um die großen Fragen von Krieg und Frieden geht!

Wo können wir dabei inhaltliche Schwerpunkte setzen?

Natürlich ist die Arbeit im Sicherheitsrat zu allererst geprägt von den Krisen unserer Zeit. Und so schwierig es auch sein wird, bei der Konfliktlösung in Syrien, in der Ukraine, im Südsudan oder im Jemen voranzukommen - wir wollen dazu unseren Beitrag leisten:

  • Indem wir unsere Mitgliedschaft für politische Initiativen nutzen und
  • indem wir immer wieder versuchen, bestehende Blockaden zu überwinden.

Dafür bringen wir einiges mit: Ein weltumspannendes, diplomatisches Netzwerk, aber natürlich auch belastbare Gesprächskanäle zu den fünf ständigen und den neun nichtständigen Mitgliedern. Und wir können aufbauen auf das große Vertrauen, das in 184 Ja-Stimmen zum Ausdruck gekommen ist.

Wo es zur Friedenssicherung nötig ist, sind wir auch zu militärischem Engagement bereit – das haben wir in den letzten Jahren zum Beispiel in Mali unter Beweis gestellt.

Klar ist aber auch, dass der Sicherheitsrat nicht erst dann aktiv werden darf, wenn es schon lichterloh brennt. Er muss Brände verhindern! Und dafür muss er auch die Brandbeschleuniger in den Blick nehmen.

Wie im Antrag von CDU, CSU und SPD gefordert, wollen wir daher auch unsere Vorsitze im Sicherheitsrat nutzen, um Menschenrechtsverletzungen, die Auswirkungen des Klimawandels oder Gesundheitskrisen wie Ebola auf die Tagesordnung zu setzen. Denn wir wissen, dass Entwicklung und Achtung der Menschenrechte Voraussetzungen sind für dauerhaften Frieden.

Und auch der unverzichtbare Beitrag, den Frauen zu Frieden und Sicherheit leisten, muss noch stärker berücksichtigt werden.

Krisenprävention ist eine unserer Stärken! Unsere Erfahrungen, unsere Ideen und unsere Kapazitäten bei Stabilisierung, Mediation und Konfliktnachsorge werden wir überall dort einbringen, wo Länder in Konflikte abzurutschen drohen.

Ein weiterer Brandbeschleuniger ist die unkontrollierte Proliferation von Waffen, insbesondere von Kleinwaffen. Hier wollen wir gemeinsam mit den Vereinten Nationen Verbesserungen für Menschen in Krisengebieten erreichen.

Und angesichts der globalen Aufrüstung begrüße ich es ganz ausdrücklich, dass Generalsekretär Guterres die Themen Abrüstung und Rüstungskontrolle wieder auf die Tagesordnung der Vereinten Nationen gesetzt hat.

Zum Schluss möchte ich noch eine Frage ansprechen, die auch im Antrag der Regierungsfraktionen aufgeworfen wird: Wie können wir die Effektivität und Legitimität der Vereinten Nationen stärken?

Ein Ansatzpunkt ist, den Sicherheitsrat inklusiver zu machen – man könnte auch sagen: ihn endlich an die Realität des 21. Jahrhunderts anzupassen. Deutschland steht bereit, auch dauerhaft Verantwortung in einem reformierten Sicherheitsrat zu übernehmen.

Neben der Sicherheitsratsreform müssen wir aber auch die Reform des VN-Entwicklungssystems und der Managementstrukturen voranbringen. Rückenwind gibt uns dabei die breite Unterstützung des Bundestags dafür, die freiwilligen Beiträge Deutschlands im Rahmen bestehender Haushaltsspielräume zu erhöhen.

Das ist ein wichtiges, notwendiges Signal, besonders in Zeiten, in denen auch in Deutschland der ein oder andere schon in den Abgesang auf die multilaterale Weltordnung einstimmt. Je breiter der Multilateralismus in Frage gestellt wird, desto entschiedener müssen wir ihn verteidigen. Wir müssen eintreten für mehr internationale Zusammenarbeit, und nicht weniger. Gerade jetzt!

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

ich freue mich darauf, gemeinsam mit Ihnen die deutsche Mitgliedschaft im Sicherheitsrat zu gestalten - als überzeugte Multilateralisten und als starke Stimme für den Frieden!

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