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Rede von Außenminister Heiko Maas anlässlich der vereinbarten Debatte zum Arbeitsprogramm 2021 der Europäischen Kommission

25.02.2021 - Rede

Im Moment blicken viele mit viel Frust nach Brüssel. Das hat was mit der Beschaffung von Impfstoffen zu tun. Ja, die Beschaffung der Impfstoffe hätte besser laufen können. So etwas einzugestehen, ist auch eine unumgängliche Voraussetzung, um für die Zukunft aus Fehlern zu lernen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bin genauso fest davon überzeugt: Eine gemeinsame europäische Beschaffung der Impfstoffe war der einzig vernünftige Weg. Denn was wäre die Alternative gewesen? Ein europäisches Wettrennen, jeder gegen jeden, um den knappen Impfstoff? Einige wenige durchgeimpfte Länder mitten in einem krisengeschüttelten Kontinent? Das will ich mir in einem solidarischen Europa gar nicht vorstellen. Es hätte die Europäische Union zerrissen; davon bin ich fest überzeugt.

Vor allem, liebe Kolleginnen und Kollegen, darf aber das tägliche Krisenmanagement, mit dem wir uns ja alle beschäftigen, nicht den Blick auf das verstellen, wie Europa dauerhaft aus dieser Krise gestärkt hervorgehen kann. Das wird uns nur gelingen, wenn wir den im letzten Jahr eingeschlagenen solidarischen Kurs fortsetzen werden.

Das Arbeitsprogramm der Europäischen Kommission für das Jahr 2021 bringt unser Ziel auf den Punkt: eine gerechtere, ökologischere und digitalere Gesellschaft. Kleine Reförmchen werden dafür nicht mehr ausreichen. Wir brauchen vielmehr die Kraft zu einer echten Transformation. Der Schlüssel, um diesen Wandel in Einklang mit unseren Werten und Interessen zu gestalten, liegt letztlich vor allen Dingen in einem solidarischen und in einem souveränen Europa.

Während des letzten halben Jahres unserer Ratspräsidentschaft haben wir dafür wichtige Pflöcke einschlagen können. Jetzt arbeiten wir gemeinsam mit unseren Trio-Partnern Portugal und Slowenien daran, dass die Dinge auch umgesetzt werden. Die Einigung auf den Finanzrahmen und das Coronaaufbauinstrument mit seinen 750 Milliarden Euro war nichts anderes als ein historischer Akt europäischer Solidarität.

Jetzt kommt es darauf an, die entsprechenden Mittel schnell verfügbar zu machen. Deshalb müssen in allen Mitgliedstaaten die hierfür nötigen Beschlüsse gefasst werden und die Pläne in Brüssel und nach Brüssel endlich auf den Weg gebracht werden. Der neue Rechtsstaatsmechanismus und das neue Menschenrechtssanktionsregime stärken die europäische Wertegemeinschaft; das ist jetzt bei all den Diskussionen, die wir in der Europäischen Union etwa mit Blick auf Rechtsstaatlichkeit hatten, nötiger denn je.

Um einige konkrete Beispiele zu erwähnen, insbesondere aus einem Bereich, der ein sehr zukunftsträchtiger ist, nämlich der Digitalisierung: Wir haben mit der Datenschutz-Grundverordnung vieles auf den Weg gebracht, und wir werden das jetzt mit dem Digital Services Act und dem Digital Markets Act weiterführen. Das sind die Arbeiten, die zurzeit in Brüssel unter Hochdruck fortgeführt werden. Wir haben während unserer Ratspräsidentschaft dafür eine vernünftige Basis gelegt. Gepaart mit ambitionierten Investitionen liegt darin das Fundament für ein digital souveränes Europa, für ein menschenzentriertes digitales Modell, das sich gegen rein marktgesteuerte oder repressive Modelle, die wir auch auf der Welt sehen können, durchsetzen kann.

Mit dem Instrument SURE haben wir Europa sozialer und gerechter gemacht; denn, liebe Kolleginnen und Kollegen, nicht Banken oder Großkonzerne, sondern Menschen stehen im Mittelpunkt der Krisenbewältigung. Es ist auch gut, dass wir diesen Paradigmenwechsel beim Sozialgipfel im Mai in Portugal fortführen werden.

Meine Damen und Herren, mit unserem ehrgeizigen Klimaziel hat Europa rechtzeitig vor der COP 26 in Glasgow wieder eine globale Vorreiterrolle im Kampf gegen den Klimawandel eingenommen. Ich bin froh - und das wird uns dabei helfen, dem globalen Anspruch dieses Themas gerecht zu werden -, dass wir jetzt endlich auch wieder die Amerikaner mit an Bord haben.

Auch außenpolitisch hat die Europäische Union trotz vieler Probleme und vieler Schwierigkeiten dennoch an Gewicht und auch an Gesicht gewonnen. Nie zuvor waren wir uns so einig, dass die Herausforderungen Chinas oder Russlands gemeinsam angegangen werden müssen. Unsere Reaktion auf das Vorgehen in Hongkong oder zuletzt im Fall Nawalny zeigt das, wie ich finde, sehr deutlich und sehr konkret.

Diesen Weg werden wir auch mit Blick auf andere Konflikte, mit denen wir es international zu tun haben, gehen. Mit der Europäischen Friedensfazilität oder dem Kompetenzzentrum für Ziviles Krisenmanagement haben wir Instrumente geschaffen, die uns in Krisen handlungsfähiger und auch transatlantisch zu einem stärkeren Partner machen.

Das alles, meine Damen und Herren, werden wir weiter vorantreiben mit einem neuen sogenannten Strategischen Kompass, den wir uns dieses Jahr gemeinsam in Europa geben wollen, und darin werden wir auch Europas Bekenntnis zu Multilateralismus verankern. Weil wir dabei nicht an Worten, sondern an Taten gemessen werden, haben die Europäische Union und ihre Mitgliedstaaten den Covid-19 Tools Accelerator und die gerechte Impfstoffverteilung mit mittlerweile über 3 Milliarden Euro unterstützt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, tägliches Krisenmanagement und strategisches Handeln, um Europa dauerhaft aus der Krise zu führen und besser vorzubereiten auf die Krisen, die sich in Zukunft noch ergeben werden - in den nächsten Monaten muss beides weiter Hand in Hand gehen. Bei der Antwort auf die Frage, wie Europa in zehn oder 20 Jahren aussehen soll, sollten wir vor allem auf die Bürgerinnen und Bürger Europas hören. Deshalb hoffen wir, dass im Mai endlich die Konferenz zur Zukunft Europas beginnen wird.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das alles sind Mammutaufgaben, die auf uns warten, aber eine solidarische und eine souveräne Europäische Union ist dafür gut gewappnet.

Herzlichen Dank.

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