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Rede von Außenminister Heiko Maas anlässlich der 15. VAE Botschafterkonferenz

29.03.2021 - Rede

Es ist mir eine Ehre, in diesem besonderen Jahr des 50-jährigen Bestehens der Emirate zu Ihnen zu sprechen. Doch anstelle darin zu verharren, auf die großen Errungenschaften Ihres Landes in den letzten 50 Jahren zurückzublicken, stellen Sie sich die Frage: „Our Future. What do you see?“

Diese zukunftsweisende und zukunftsgerichtete Haltung ist der Schlüssel zu Ihrem Erfolg.

Erlauben Sie mir daher, einige Gedanken mit Ihnen dazu zu teilen, wie ich Ihre Zukunft sehe – oder sollte ich sagen: unsere Zukunft? –, denn ich hoffe, dass es eine gemeinsame Zukunft sein wird.

Ich sehe eine Zukunft, die sich von Ambitionen leiten lässt.

Eine Zukunft, die auf Zusammenarbeit setzt.

Eine Zukunft, die Hoffnung gibt.

Lassen Sie mich mit den „Ambitionen“ beginnen. In den letzten 50 Jahren haben Sie Ihr Land zu einem der modernsten Länder der Welt gemacht. Ihre Vision verdient tiefen Respekt.

Die erste Marsmission der arabischen Welt – geleitet von Frauen und passenderweise „Hoffnung“ genannt – ist ein Ausdruck dieser Ambition, aber auch Ausdruck weitsichtiger Führung und wirksamer Steuerung. Sie spiegelt den Willen der Menschen in den Emiraten wider, Traditionen zu achten und sich gleichzeitig neuen Welten zu öffnen. Sie greifen im wahrsten Sinne des Wortes nach den Sternen – und Sie erreichen sie.

Die Expo in Dubai wird eine weitere glänzende Gelegenheit sein, Ihre Vision der Welt und Ihren Nachbarn in der Region vorzustellen.

Meine Damen und Herren,
Ich sehe auch eine Zukunft, in der sich die Vereinigten Arabischen Emirate auf Zusammenarbeit verlassen können. Wir teilen Ihre Auffassung, der zufolge Zusammenarbeit die Grundlage von Weltfrieden und weltweitem Wohlstand ist.

Wie die Vereinigten Arabischen Emirate ist das heutige Deutschland ein relativ junger Staat. Die internationale Unterstützung für ein wiedervereinigtes Deutschland war das Ergebnis internationaler Zusammenarbeit und wachsenden Vertrauens in unsere Demokratie. Nie wieder würden wir einen Krieg beginnen. Nie wieder würden wir andere aufgrund ihrer Herkunft oder Religion verfolgen. Für uns sind diese Überzeugungen von existenzieller Bedeutung. Sie stehen für das, was wir sind, was wir geworden sind.

Der erste Satz des Grundgesetzes lautet: „Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.“

Für die Außenpolitik bedeutet dies, dass wir uns für den Weltfrieden und die internationale Sicherheit einsetzen. Um dies zu tun, müssen Staaten wie wir das multilaterale System schützen und voranbringen. Damit nicht das Recht des Stärkeren gilt. Und genau deshalb liegt es in unserem Interesse, Völkerrecht und Menschenrechte, Stabilität und Gleichberechtigung weltweit zu verteidigen.

Die Europäische Union wurde aus dieser Überzeugung heraus geschaffen. Nach Jahrhunderten der Konflikte zwischen ihren rivalisierenden Staaten und Königreichen wurde sie zum größten Friedensprojekt unserer Zeit, der Grundlage unseres Wohlstands und unserer einzigen Garantie dafür, dass unsere Stimme in einer Welt wettstreitender Großmächte gehört wird.

Es ist also die Vorstellung größerer europäischer Einheit und globaler Zusammenarbeit, die mich dazu bringt, Ihren Optimismus hinsichtlich der Zukunft zu teilen. Denn einzig und allein, wenn wir zusammenarbeiten, können wir die Herausforderungen der Zukunft bewältigen – ob digitaler Wandel, Globalisierung, Migration oder Klimawandel.

Unsere beiden Länder arbeiten bereits in beeindruckend vielen Bereichen zusammen: menschliche Entwicklung, Klimawandel, Umweltschutz, Ernährungssicherheit, humanitäre Hilfe, Gesundheitsversorgung, Handel, Technologie, Kampf gegen Extremismus und Förderung religiöser Toleranz – und diese Liste ließe sich noch fortsetzen.

Aber ich erkenne sogar noch weitere Möglichkeiten am Horizont: Zum Beispiel könnten wir viel voneinander lernen, wenn es darum geht, unsere Länder in Wissensgesellschaften zu verwandeln. Und wir sind ideale Partner, wenn es darum geht, grüne Zukunftstechnologien wie Wasserstoff zu fördern.

Wo auch immer sie auf der Welt sind, ermutige ich Sie daher, auf Ihre deutschen Kolleginnen und Kollegen zuzugehen. Und ich werde unsere Diplomatinnen und Diplomaten anweisen, das auch zu tun.

Meine Damen und Herren,
wie ein arabischer Dichter so treffend sagte: „Wie eng kann das Leben sein, wenn kein Raum für Hoffnung besteht?“

Die neu entstandene Tiefe und Intensität unserer Partnerschaft gibt Anlass zur Hoffnung, die wiederum neue Räume eröffnet – auch über unsere bilateralen Beziehungen hinaus.

Lieber Scheich Abdallah, als wir uns zuletzt persönlich gesehen haben, war das gemeinsam mit dem israelischen Außenminister Gabi Aschkenasi in Berlin. Und wir haben uns nicht irgendwo getroffen. Wir haben uns am Holocaust-Mahnmal getroffen, der Gedenkstätte, die uns an die von den Deutschen begangene Ermordung der Juden Europas erinnert. Nach Ihrem Besuch schrieben Sie in das Gedenkbuch: „Um zu erinnern und nicht zu vergessen. Um stark zu sein und zu versprechen: Nie wieder!“

Für mich persönlich war dies ein sehr außergewöhnlicher und bewegender Moment, da er zeigte, dass Versöhnung und Zusammenarbeit möglich sind.

Eine neue Ära der Zusammenarbeit begann mit den Abkommen über die Normalisierung der Beziehungen zwischen Israel und seinen arabischen Nachbarn, die Sie auf den Weg gebracht haben. Sie sind wahrlich historisch: Wer hätte noch vor einem Jahr geglaubt, dass Direktflüge von Tel Aviv nach Abu Dhabi möglich sein würden? Oder koschere Gerichte in den wunderschönen Hotels der Emirate?

Meine Damen und Herren, der Mut und die Vision, die sich hinter diesen Schritten verbergen, könnte Hoffnung und Fortschritt für die gesamte Region mit sich bringen.

Dies gilt insbesondere für den Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern. Ich bin der festen Überzeugung, dass es ohne eine auf dem Verhandlungsweg herbeigeführte Zweistaatenlösung keinen dauerhaften Frieden in der Region geben wird. Lassen Sie uns daher die durch die Normalisierung entstandene Dynamik nutzen und mit beiden Seiten enger zusammenarbeiten, um dieses Ziel zu erreichen.
Ein Hoffnungsschimmer ist auch in Libyen zu erkennen, wo wir einer umfassenden politischen Lösung in den letzten Wochen näher gekommen sind. Im Geiste der Berliner Konferenz, die letztes Jahr stattgefunden hat, müssen wir jetzt die verbliebenen Hindernisse überwinden, um dauerhaften Frieden und Stabilität zu erreichen. Deutschland wird auch weiterhin durch die Umsetzung des Waffenembargos der Vereinten Nationen und die Weiterführung des Berliner Prozesses dazu beitragen. Und wir zählen auf Ihre Unterstützung, die von entscheidender Bedeutung sein wird.

In Jemen bleibt Frieden eine weit entfernte Hoffnung. Während das jemenitische Volk weiter leidet, müssen alle Parteien endlich erkennen, dass nur ein von den Vereinten Nationen geführter politischer Prozess diesen Krieg beenden kann. Ein sofortiger Waffenstillstand wäre ein wichtiger erster Schritt. Wir begrüßen in dieser Hinsicht Saudi-Arabiens neue Initiative. Es wird auf absehbare Zeit von entscheidender Bedeutung bleiben, Jemen humanitäre Hilfe zu leisten. Und schließlich liegt vor uns allen ein hartes Stück Arbeit, um einen politischen Kompromiss zu erzielen. Hier zählen wir auch auf Sie und alle Nachbarn Jemens, um mutige Maßnahmen zu ergreifen. Wir bieten hierbei unsere uneingeschränkte Unterstützung an.

Und schließlich bleibt Iran mit seinem Nuklearprogramm, seinem immer umfangreicheren Raketenprogramm und seinem aggressiven Verhalten in der Region die größte Herausforderung für die regionale Stabilität – und ein Sicherheitsanliegen von globaler Dimension. Unsere Priorität ist es weiterhin, sicherzustellen, dass Iran niemals militärische Nuklearfähigkeiten erlangt. Alle anderen Probleme, die wir mit Iran haben, würden sich potenzieren, wenn das Land zu nuklearer Erpressung fähig wäre.

Nichtsdestoweniger teilen wir Ihre Ansicht, dass hinsichtlich der regionalen Sicherheit auch Fragen jenseits der atomaren Bedrohung gelöst werden müssen. Wir glauben, dass diese Fragen und die Interessen des Golf-Kooperationsrats am besten im Rahmen eines umfassenden und wirksamen regionalen Sicherheitsdialogs angegangen werden könnten.

Vertrauensbildende Maßnahmen sollten ebenso wie Maßnahmen zur Förderung der Transparenz und Zusammenarbeit Teil dieser Vorgehensweise sein.

Die politischen Spaltungen in der Golfregion zu überwinden, ist natürlich ein sehr ehrgeiziges Ziel. Doch der Weg, den Sie eingeschlagen haben – der Weg von Ambitionen, Zusammenarbeit und Hoffnung – stimmt mich optimistisch hinsichtlich einer besseren Zukunft.
Meine Damen und Herren, was sehe ich also, wenn ich in unsere Zukunft blicke?

Die kurze Antwort darauf lautet: Ich sehe eine Vertiefung unserer Partnerschaft. Ich sehe zwei Länder, die zusammenarbeiten, um drängende regionale und globale Themen anzugehen. Mit Geduld, aber auch mit Entschlossenheit.

Gestützt auf eine geschickte Diplomatie, wirtschaftliche Innovation und Soft Power.

Mit der kollektiven Stärke unserer multilateralen Partner im Rücken.

Und ich sehe, dass Sie, verehrte Botschafterinnen und Botschafter, dazu einen Beitrag leisten.

Shukran – vielen Dank.

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