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„Wir müssen Zeugen werden“

08.04.2020 - Namensbeitrag

Gastkommentar von Außenminister Maas in der Bild Zeitung zum heutigen (08.04.) Kabinettsbeschluss über die deutsche Förderung für die Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem:

Außenminister Heiko Maas besuchte 2018 bei einer Reise die Gedenkstätte Yad Vashem
Außenminister Heiko Maas besuchte 2018 bei einer Reise die Gedenkstätte Yad Vashem© Xander Heinl/photothek.net

Gertrude Steinl war 21, als sie ihre jüdische Kollegin vor den Nazi-Mördern rettete. Vor zwei Wochen ist sie gestorben, einen Tag vor ihrem 98. Geburtstag. Sie war die letzte noch lebende Deutsche, die als „Gerechte unter den Völkern“ geehrt worden war. Für ihren Mut. Für ihre Menschlichkeit.

Mut und Menschlichkeit, die wir auch heute brauchen. „Jeder der einmal einem Zeugen zuhört, wird selbst ein Zeuge werden“, hat der Holocaust-Überlebende Elie Wiesel einmal gesagt. Damit die Erinnerung nicht mit den Zeitzeugen stirbt, müssen wir alle Zeugen werden.

Dafür braucht es neue Formen des Erinnerns, digital, lebendig: Neue Medien, die die Erinnerung der Überlebenden neu erfahrbar machen. Elektronische Archive, in denen Wissenschaftler aus aller Welt forschen. Digitale Ausstellungen, die Menschen heute, im 21. Jahrhundert, berühren.

Das muss Deutschland unterstützen. Das ist unsere Verantwortung. Deshalb haben wir heute entschieden, die Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem für weitere zehn Jahre zu fördern. Wer einmal dort gestanden hat, in der „Halle der Namen“, unter den Fotos unzähliger Ermordeter, der weiß: Jede Geschichte, jeder Name, die wir vor dem Vergessen bewahren, macht uns zu Zeugen. Zeugen für das, was war. Zeugen für das, was nie wieder sein darf. Zeugen, die aufstehen, wenn Jüdinnen und Juden heute wieder angegriffen werden auf unseren Straßen. Wenn blanker Antisemitismus sich als Israel-Kritik verkleidet. Solidarisch zu sein mit den Opfern und mutig gegenüber den Tätern - das heißt Erinnern heute. 75 Jahre nachdem die letzten Konzentrationslager befreit wurden.

Aus solch ehrlichem Erinnern wächst Vertrauen. In der Corona-Krise haben sich israelische Touristen auf der Suche nach Hilfe weltweit an deutsche Botschaften und Konsulate gewandt. Dutzende von ihnen konnten an Bord deutscher Flugzeuge heimkehren - rechtzeitig vor dem Pessach-Fest, das heute beginnt. Zukunft entsteht aus Erinnerung. Selten gab es ein schöneres Beispiel dafür, wie wahr dieser Satz ist.

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