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Rede von Außenminister Heiko Maas bei der Eröffnung des “Berlin Energy Transition Dialogue”

09.04.2019 - Rede

Ich bitte zu entschuldigen, dass Sie den Opening Film nicht ganz sehen konnten. Das war schon der erste Beitrag zum Energiesparen. Aber wir werden die andere Hälfte im Laufe des Tages noch zeigen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren,

“Change is on the horizon, but to see that change we also have to change ourselves.”

Ich glaube, es ist das erste Mal, dass ich eine Rede mit einem Zitat beginne – aber nicht von einem großen Philosophen, einer preisgekrönten Wissenschaftlerin oder einem beeindruckenden Politiker, nein. Sondern von einer 16-jährigen Schülerin, Greta Thunberg.

Seit Wochen lassen Freitag für Freitag junge Menschen an unzähligen Orten auf der ganzen Welt, uns, die Verantwortlichen, relativ alt aussehen. Sie fordern uns auf, mehr für den Klimaschutz zu tun. Sie fordern uns auf, die Realitäten nicht nur anzuerkennen, sondern etwas zu ändern. Uns zu ändern. Es geht um unsere Existenz.

Klimapolitik ist längst nicht nur Umweltpolitik und spätestens seit #fridaysforfuture auch, wie wir festgestellt haben, ein gutes Stück Gesellschaftspolitik.

Sie ist Wirtschafts-, Gesundheits-, aber eben auch, und das wird immer deutlicher, auch für uns hier in diesem Haus, Sicherheits- und Außenpolitik.

Denn: Als Folge des Klimawandels treten Dürren, Waldbrände, Überschwemmungen und Extremwetterereignisse häufiger und mit höherer Intensität auf. An vielen Orten der Welt verlieren Menschen ihre Lebensgrundlage, sie müssen fliehen. Der Kampf um immer knapper werdende Ressourcen spitzt sich zu. In solchen Situationen steigt auch die Gefahr, das sehen wir leider viel zu häufig, die Gefahr gewalttätiger Konflikte. Der Klimawandel verstärkt Risiken, besonders in bereits fragilen Kontexten. Er bedroht den Frieden und die Stabilität ganzer Regionen auf der Welt.

Deshalb haben wir die sicherheitspolitischen Folgen des Klimawandels zu einem Schwerpunktthema für unsere Mitgliedschaft im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen in den nächsten zwei Jahren gemacht.

Hier arbeiten wir auch ganz besonders eng mit den „Kleinen Inselstaaten“ zusammen, für die der Klimawandel eine unmittelbare existenzielle Bedrohung darstellt.

Ich freue mich deshalb ganz besonders, meinen Kollegen Abdulla Shahid von den Malediven hier begrüßen zu können.

Meine Damen und Herren,
der Klimawandel beschäftigt auch uns auf den Reisen, die wir unternehmen. Vor einigen Wochen traf ich in Sierra Leone die Bürgermeisterin von Freetown, Yvonne Aki-Sawyerr. Sie hätte wirklich allen Grund zum Klagen. Denn die Stadt hat ein enormes Umweltproblem. Rund tausend Menschen starben vor etwa einem Jahr, als eine Schlammlawine Freetown überrollte.

Freetown ächzt unter riesigen Müllbergen. Und die Stromversorgung übernimmt ein dreckiges Schiff, ein schwimmendes Dieselkraftwerk, dessen Schlote den blauen Himmel schwärzen.

Die Bürgermeisterin klagte aber nicht. Stattdessen redete sie über Chancen. Über Veränderungen. Über nachhaltige Politik – und wie Freetown davon profitieren kann. Sie hat sogar in dieser nicht einfachen Stadt ein eigenes Klimaprogramm für die Stadt aufgelegt. Und sie sagte folgendes zu mir: “Tell me more about Energiewende!”

Meine Damen und Herren,
es klingt immer etwas ungewohnt, wenn man unterwegs ist und weit weg von der Heimat ein Gesprächspartner plötzlich auf Deutsch antwortet oder deutsche Begriffe benutzt. Bestimmt geht es jedem deutschen Brauer ähnlich, der im Ausland auf das German Reinheitsgebot angesprochen wird. Damit verbindet man eben weltweit etwas typisch Deutsches.

Und so war das lange auch mit der Energiewende.

An dieser Konferenz nehmen heute mehr als 50 Ministerinnen und Minister aus allen Erdteilen teil. Das zeigt, dass die „German Energiewende“ längst zu einer „Global Energiewende“ geworden ist!

Schon heute wird weltweit mehr Geld in Erneuerbare Energien als in fossile Energieträger investiert. Ab Mitte der 2020er-Jahre soll die weltweite Erdölproduktion Studien zufolge sinken. Der Anfang vom Ende des Zeitalters fossiler Energieträger ist längst eingeleitet.

Die Energiewende wird große geopolitische Folgen haben. Einerseits natürlich positive: denn Erneuerbare Energien sind dann weltweit verfügbar. Das bedeutet aber auch, dass um den Zugang zu ihnen seltener Konflikte ausgetragen werden müssen. Staaten werden auch Energieträger weniger als Druckmittel einsetzen können.

Doch es wird nicht nur Gewinner geben. Das müssen wir im Kopf haben und jetzt auch schon mitdenken. Was passiert zum Beispiel mit jenen Staaten, die heute sehr stark von Einnahmen aus dem Erdöl- oder Erdgasexport abhängig sind? Das Risiko ökonomischer Krisen und damit auch die Gefahr politischer Instabilität kann hier sehr schnell steigen. Wir sollten ein Interesse daran haben, dass es nicht zu Konflikten kommt, wenn Geschäftsmodelle ganzer Staaten dadurch in sich zusammenbrechen.

Die beste Prävention ist, bereits jetzt umfangreich in die wettbewerbsfähigen Erneuerbaren Energien zu investieren. Die Bundesregierung und die deutsche Wirtschaft stehen als Partner bereit, um andere bei der Diversifizierung ihrer Wirtschaftsmodelle zu unterstützen. Und ich bin mir sicher, Herr Kaeser wird dazu sicherlich später aus Unternehmersicht noch einiges zu sagen haben.

Meine Damen und Herren,
noch immer sind knapp 1 Milliarde Menschen auf der Welt ohne Zugang zu Strom. Erneuerbare Energien können dazu beitragen, dass diese Zahl schnell sinkt. Die Energiewende gibt vielen Ländern Gelegenheit, einen Entwicklungssprung zu machen.

Bisher bestehende Abhängigkeiten können reduziert und der wachsende Energiebedarf gestillt werden.

Die Energiewende ist auch ein gigantischer Wachstumsmotor. Allein in Deutschland werden wir in den nächsten 19 Jahren mehr als 40 Gigawatt an Kohlekraftwerken ersetzen, vor allem durch Erneuerbare Energien. Andere Staaten haben noch viel umfangreichere Pläne. Das bedeutet Investitionen, Arbeitsplätze und wirtschaftliches Wachstum. Schon heute arbeiten weltweit mehr als 10 Millionen Menschen im Bereich der Erneuerbaren Energien. Diese Zahl wird in Zukunft noch deutlich steigen.

Gerade wegen des großen wirtschaftlichen Potentials müssen wir sehr darauf achten, dass dieser Wachstumsmarkt offen bleibt für Unternehmen aus allen Ländern und die notwendige Technologie auch für alle verfügbar ist. Daher setzen wir uns für globale Standards ein und vertrauen hier besonders auf internationale Organisationen wie IRENA und auch die IEA, um diese Standards zu etablieren.

Ich freue mich deshalb auch ganz besonders, dass Francesco La Camera heute hier ist. Umso mehr, da dies seine erste Dienstreise als neuer Generaldirektor der IRENA ist.

Globale Energiewende heißt auch regionale Vernetzung und Zusammenarbeit. Das darf man nicht vergessen. Unsere Energie soll vor allem aus Windkraft und Photovoltaik stammen. Der Wind weht aber nicht ständig und die Sonne scheint auch nicht durchgehend. Solange die Speichertechnologie noch nicht weit genug vorangeschritten ist, müssen wir Strom über weite Distanzen transportieren. In Europa heißt das, dass wir uns noch viel stärker als bisher vernetzen müssen, auch mit unseren nordafrikanischen Nachbarn.

Meine sehr verehrten Damen und Herren,
wir haben in Deutschland schon beachtliche Fortschritte gemacht. Ungefähr 40 % des produzierten Stroms stammen heute bereits aus Erneuerbaren Energien.

Doch das ist nur ein erster Schritt, sehr viel Arbeit liegt noch vor uns. Denken wir nur an die Reduktion von Emissionen in den Bereichen Verkehr und Wärme, den Kohleausstieg und den Netzausbau.

Trotz aller Herausforderungen sind wir überzeugt, dass der eingeschlagene Weg der richtige ist. Wir müssen es schaffen, unseren Erneuerbaren-Anteil weiter auszubauen und dabei ein Industrieland mit einem hohen Wohlstandsniveau zu bleiben.

Für viele Länder sind wir bei der Energiewende ein Vorreiter. Wir werden diese Rolle stärker nutzen, um auch international Tempo zu machen.

Meine Damen und Herren,
Ihnen hier im Raum sage ich sicher nichts Neues, aber man kann es auch in diesen Zeiten nicht genug betonen: globale Herausforderungen lassen sich nicht mit nationalen Alleingängen lösen. Der Klimawandel macht eben nicht an Grenzen halt. Das sollte die Energiewende auch nicht.

Wir müssen auf allen Ebenen deshalb noch viel enger zusammenarbeiten, als wir das bisher tun: im Bereich der Vereinten Nationen, auf der Ebene der Staaten, aber auch der Regionen, der Städte und Gemeinden. Und dabei müssen alle an Bord sein – Politik, Zivilgesellschaft, Wirtschaft und Wissenschaft.

Deshalb: Nutzen Sie diese Konferenz und die zahlreichen Side Events auf der Berlin Energy Week, knüpfen Sie Kontakte und entwickeln Sie Ideen, um die Energiewende im besten Sinne zu globalisieren.

Join the dialogue and be a part of the global Energiewende!

Herzlichen Dank! Herzlich willkommen. Und ich freue mich, Peter Altmaier jetzt das Wort zu geben!

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