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USA: „Eine der größten Aufgaben für Joe Biden ist es, die Polarisierung in den USA zu beenden“

17.01.2021 - Interview

Außenminister Maas im Interview mit der Bild am Sonntag.

Herr Minister, die Amtszeit von Donald Trump endet mit dem Sturm auf das Kapitol und der Sorge vor weiteren Ausschreitungen zur Amtseinführung Joe Bidens. Was muss der neue Präsident tun?

Eine der größten Aufgaben für Joe Biden ist es, die Polarisierung in den USA zu beenden. Das wird leider nicht einfach. Denn Donald Trump wird zwar aus dem Weißen Haus verschwinden, aber nicht aus der amerikanischen Öffentlichkeit.

Wie viel Unheil kann Trump noch anrichten?

Trump wird weiter die Lügengeschichte erzählen, dass er die Wahl gewonnen habe. Selbst wenn die Republikaner so vernünftig sind, endlich mit ihm zu brechen, wird er von der Seitenlinie mit seinen Fake News versuchen, viele Anhänger aufzuhetzen. Deshalb ist richtig, dass Biden ein Billionen-Corona-Hilfspaket schnürt. Eine erfolgreiche Wirtschafts- und Sozialpolitik gegen die Unzufriedenheit ist einer der besten Impfstoffe gegen die Spaltung der Gesellschaft.

Trägt Trump Schuld an der Stürmung des Kapitols?

Wer hetzt, trägt Verantwortung. Aber schon lange vorher hat Trump Menschen mit Lügen und Verschwörungstheorien auf Abwege gebracht. Seine Anhänger haben sich instrumentalisieren lassen für jemandem, der mit seinem ganzen Narzissmus diese Wahlniederlage nicht verkraftet.

Ist Donald Trump für Sie ein Feind der Demokratie?

Trump hat die Spielregeln der Demokratie weder verstanden noch akzeptiert.

Damit ist er kein Demokrat.

Er hat die Mechanismen der Demokratie genutzt, um an die Macht zu gelangen, aber nie verstanden, dass in einer Demokratie gerade auch faire Wahlverlierer systemrelevant sind.

Warum kritisieren Sie Trump erst jetzt so heftig, wo er praktisch weg ist?

Als Demokraten müssen wir die Ergebnisse demokratischer Wahlen akzeptieren - ob sie uns gefallen oder nicht. Wir haben vier Jahre lang die bestmögliche Zusammenarbeit mit der amerikanischen Regierung angestrebt. Das war - vorsichtig gesagt - schwierig, aber wir hatten keine Wahl. Ich würde es immer wieder so machen.

Die Demokraten haben das zweite Amtsenthebungsverfahren gegen Trump eröffnet. Finden Sie das richtig?

Ich habe dafür volles Verständnis. Mit der Einleitung des Impeachment-Verfahrens macht der Kongress deutlich, dass die USA nicht bereit sind, die Beschädigung demokratischer Institutionen einfach so zu akzeptieren. Es geht auch darum, zu verhindern, dass so etwas noch einmal geschieht.

Macht man Trump damit nicht zum Märtyrer?

Nein. Trump ist der geistige Brandstifter hinter der Attacke auf das Kapitol. Die Dinge müssen klar beim Namen genannt werden, egal ob das jemand benutzt, um sich zum Märtyrer zu stilisieren.

Sie haben den USA einen Marshallplan zur Rettung der Demokratie vorgeschlagen. Muss Deutschland wirklich die Demokratie in Amerika retten?

Es geht darum, dass Joe Biden einen „Gipfel der Demokratie“ angekündigt hat. Den unterstützen wir. Die liberalen Demokratien müssen sich weltweit zusammenschließen.

War der Begriff Marshallplan ein Fehler? Er klingt aus Deutschland gegenüber den USA schulmeisterlich und gönnerhaft.

Maas: Die Demokratie steht in vielen Regionen der Welt auf dem Prüfstand. Mir ist es wichtig, darauf hinzuweisen, wie groß die Gefahr und die Aufgabe für alle Demokratien ist.

Frage: Sie bleiben beim Begriff „Marshallplan“?

Wir brauchen diesen Schulterschluss aller Demokratien – weltweit. Selten standen demokratische Grundsätze weltweit so unter Druck. Die Demokratie zu verteidigen ist eine der größten Herausforderungen unserer Zeit. Das scheint mir noch nicht jeder verstanden zu haben. Die Zeit der Selbstverständlichkeiten ist vorbei.

Twitter hat das Konto von Trump dauerhaft gesperrt. Finden Sie das richtig?

Auf den ersten Blick wirkt das symphytisch. Aber bei genauerem Hinsehen fühle ich mich nicht wohl damit. Nicht nur Trumps Twitteraccount wurde gesperrt. Als er auf das Netzwerk Parler, das ich zwar auch nicht mag, ausweichen wollte, wurde die App von Apple, Google und Amazon aus ihrem Angebot entfernt. Diese Internetunternehmen haben zu viel Macht, Meinungsbildungsprozesse zu beeinflussen. Es kann nicht die Entscheidung eines Firmenchefs in den USA sein, wer was wo sagen darf und wer nicht. Dafür muss es Regeln geben, die demokratisch gewählte Regierungen setzen.

Warum schaffen es Europa und Amerika nicht, gemeinsame Regeln für soziale Netzwerke durchzusetzen?

Als Justizminister habe ich durchgesetzt, dass strafbare Beleidigungen und Bedrohungen aus sozialen Netzwerken gelöscht werden müssen. Soziale Netzwerke haben die Hetze nicht erfunden, aber sie verbreiten und verstärken sie weltweit. Wir dürfen nicht immer mehr Macht an die Digitalunternehmen abgeben. Gemeinsame Regeln für die sozialen Netzwerke und das Thema Meinungsfreiheit gehören ganz oben auf die Tagesordnung beim geplanten Gipfel der Demokratien.

Ein Thema, das Biden bestimmt mit Ihnen besprechen will, ist der Streit um die Gaspipeline Nord Stream 2. Was bieten Sie ihm an?

Die kritische Haltung in Washington zu Nord Stream 2 wird sich unter Biden nicht grundlegend ändern. Die Bundesregierung ist gesprächsbereit, unsere grundsätzliche Haltung zu dem Projekt ist allerdings unverändert.

Ihre Parteifreundin Manuela Schwesig hat jetzt eine Stiftung mit Geld des russischen Staatskonzerns Gazprom gegründet, um die Pipeline zu Ende zu bauen. Gefällt Ihnen das?

Die Bundesregierung hat die Stiftung nicht gegründet. Wir setzen auf Dialog mit der US-Regierung.

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