Willkommen auf den Seiten des Auswärtigen Amts

„Die Konferenz kann ein erster Schritt zu einem Frieden für Libyen sein“

19.01.2020 - Interview

Außenminister Heiko Maas im Gespräch mit der Bild am Sonntag vor der Libyen-Konferenz in Berlin

Herr Minister, Sie haben den Konflikt in Libyen zu Ihrer Hauptaufgabe gemacht. Warum ist der Bürgerkrieg dort so wichtig für Deutschland?

Libyen gehört zu unserer europäischen Nachbarschaft. Dort herrscht ein brutaler Stellvertreterkrieg. Unter anderem die Türkei, Russland, Ägypten und die Vereinigten Arabischen Emirate mischen mit. Die libyschen Bürgerkriegsparteien können sich nur bekämpfen, weil sie von außen militärisch unterstützt werden. Wir müssen das stoppen, damit Libyen nicht das neue Syrien wird.

Droht Deutschland und der EU sonst eine neue Flüchtlingskrise?

Schon jetzt kommen Flüchtlinge über Libyen und das Mittelmeer zu uns. Je länger der Konflikt in Libyen dauert, desto weniger können wir die Migrationsbewegungen unter Kontrolle bringen. Nur wenn es dort funktionierende staatliche Strukturen gibt, können wir das Geschäft der Schlepper unterbinden.

Welche Ergebnisse erwarten Sie von der Libyen-Konferenz im Kanzleramt?

Die Unterstützerstaaten der Bürgerkriegsparteien sollen keine Waffen und keine Soldaten mehr nach Libyen schicken. Ohne diese Hilfe von außen werden die libyschen Kriegsparteien mit Premier Sarradsch und General Haftar ihre Kämpfe nicht fortsetzen können. So wollen wir die verfeindeten Lager auf den Weg zu einem Friedensprozess bringen.

Das heißt, ab Sonntag schweigen die Waffen?

General Haftar hat mir am Donnerstag zugesagt, dass er sich an den Waffenstillstand hält. Ich bin froh, dass es uns gelungen ist, am Sonntag alle an einen Tisch zu holen. Das ist die Voraussetzung, um zu verbindlichen Vereinbarungen zu kommen. Die Konferenz kann ein erster Schritt zu einem Frieden für Libyen sein.

General Haftar ist ein brutaler Warlord, seine Truppen verüben Kriegsverbrechen. Vertrauen Sie ihm trotzdem?

Darum geht es gar nicht. Wir müssen eine Situation schaffen, in der General Haftar sich auf Friedensverhandlungen einlässt. Dafür müssen wir den tödlichen Zustrom von Waffen und Kämpfern aus dem Ausland stoppen. Dieser Konflikt ist für niemanden militärisch zu gewinnen. Das müssen alle verstehen.

Am Verhandlungstisch in Berlin sitzen nur die ausländischen Mächte. Wie soll es einen Durchbruch geben, wenn die Feinde Sarradsch und Haftar nicht dabei sind?

Sarradsch und Haftar werden in Berlin dabei sein.

Auch am Verhandlungstisch?

An welchem Tisch auch immer. Sie können meinetwegen auch hintereinander ihre Vorstellungen für Libyen darlegen. Aber sie sind Teil der Konferenz. Ich hoffe, dass beide die Gelegenheit wahrnehmen, die Zukunft Libyens wieder in libysche Hände zu geben.

Der Außenbeauftragter Borrell will notfalls EU-Soldaten nach Libyen schicken, um den Waffenstillstand abzusichern. Hat er Recht?

Sicher ist: Wir wollen auch nach unserer Konferenz den politischen Prozess innerhalb Libyens weiter unterstützen. Für diesen Weg ist die Einhaltung des Waffenstillstands natürlich außerordentlich wichtig. Mein Eindruck aus den Gesprächen der letzten Wochen ist bisher nicht, dass es den Libyern vordringlich um eine internationale Truppenpräsenz geht.

Geht es in Wahrheit nicht um das riesige Gasfeld im Mittelmeer, auf das die Türkei, Griechenland, Zypern, Libyen und Israel Anspruch erheben?

Das Gasfeld spielt bei unserer Konferenz keine Rolle. Es geht um einen politischen Prozess für Libyen. So lange der Bürgerkrieg tobt, können sich alle ihre Interessen am Gasfeld sowieso abschminken.

Griechenland ist stocksauer, weil sie nicht zur Libyenkonferenz eingeladen sind. Sind Sie da vor dem Druck Erdogans eingeknickt?

Nein. Die EU ist eingebunden. Und ich bin mir sehr sicher, dass alle EU-Mitgliedsländer ein Interesse an Frieden in Libyen haben und deshalb die Konferenz unterstützen.

Erdogan hat erst am Donnerstag modernes Kriegsgerät nach Tripolis verlegt. Ist die deutsche Außenpolitik zu wenig robust, um sich durchzusetzen?

Widerspruch! Wir haben bei der Lösung dieses Konflikts eine Führungsrolle übernommen. Am Sonntag haben wir die wichtigsten Akteure zu uns nach Berlin geholt, von Putin über Erdogan bis zum UN-Generalsekretär. Wir sind seit Jahren die ersten, denen das gelingt. Und zwar ohne rein militärische Logik, sondern mit monatelanger stiller Diplomatie.

Im Konflikt mit dem Iran fordern die USA von den Europäern, endlich eine härtere Gangart einzulegen.

Die USA und Europa haben einen unterschiedlichen Ansatz. Während die USA im Alleingang aus dem Atomabkommen ausgestiegen sind und auf maximalen Druck setzen, wollen wir gemeinsam Fortschritte durch Verhandlungen erreichen. Frankreich, Großbritannien und Deutschland wollen das Abkommen erhalten, um zu verhindern, dass Iran in den Besitz von Atomwaffen kommt.

Was erwarten Sie denn nun konkret vom Iran?

Ganz klar: Iran muss sich an das Abkommen halten. Die erhöhte Urananreicherung muss ein Ende haben. Die Internationale Atomenergiebehörde muss weiter Zugang zu allen Einrichtungen im Iran haben, um das genauestens zu überprüfen.

Aber was ist damit, dass der Iran seinen Einfluss in der Region mit Gewalt vergrößert, dass das iranische Raketenprogramm Israel bedroht?

Unabhängig von dem Atomabkommen müssen wir mit dem Iran über seine destabilisierende Rolle in der Region und natürlich auch über sein Raketenprogramm reden. . Iran wird sich entscheiden müssen: ob es kooperiert oder ob es sich immer weiter in die Isolation begibt.

Wie weit sind die Mullahs noch von der Atombombe entfernt?

In jedem Fall ist die Zeit, die Iran zur Entwicklung bräuchte, heute deutlich länger als vor dem Abkommen. Ohne das Abkommen hätte Iran wahrscheinlich schon eine Atombombe. Dass es soweit kommt, müssen wir unbedingt verhindern. Darum ist das Abkommen mit seinen Kontrollregeln ja so wichtig. In keinem anderen Land der Welt werden mehr Prüfungen der Atomenergiebehörde durchgeführt als in Iran.

Glauben Sie wirklich, dass Sie das Mullah-Regime mit Worten von der Bombe abhalten können?

Es braucht beides: Gespräche und politischen und wirtschaftlichen Druck. Iran ist wirtschaftlich in einer sehr schwierigen Situation. Nach dem versehentlichen Abschuss des ukrainischen Flugzeugs ist auch die innenpolitische Lage für das Regime schwieriger geworden.

Im Iran protestieren regimekritische Demonstranten. Warum stärkt die Bundesregierung diesen mutigen Menschen nicht öffentlich den Rücken?

Das tun wir. Wie die Sicherheitsbehörden des Iran mit den Demonstranten umgehen, ist absolut inakzeptabel und wird von uns klar verurteilt. Die Führung in Teheran darf mit den Menschenrechten nicht so umgehen, wie sie das in den letzten Wochen getan hat.

Seit 40 Jahren setzt Deutschland auf den Dialog mit dem Iran, aber es gibt keine Fortschritte bei den Menschenrechten.

Wenn wir etwas für die Menschen im Land erreichen wollen, bringt es aber auch nichts, den Dialog einzustellen. Sondern: Dann müssen wir mit dem Iran reden und die Einhaltung der Menschenrechte einfordern. Reine Drohungen und militärische Zuspitzungen haben jedenfalls auch nichts gebracht. Wir wollen einen Flächenbrand im Nahen und Mittleren Osten verhindern. Die EU setzt auf Diplomatie statt Eskalation.

40 Jahre Diplomatie mit dem Iran: Das Ergebnis ist ein Regime, das Terror und Krieg exportiert und kurz vor der Atombombe steht.

Nochmal: daran haben auch Drohgebärden und Militäraktionen nichts geändert. Und: Wir sollten nicht so tun, als würde sich mit einem von außen herbei geführten Regimewechsel in Teheran die Lage automatisch verbessern. Das ist woanders auch schon gehörig schief gegangen, etwa im Irak.

Interview: Angelika Hellemann, Roman Eichinger, Björn Stritzel

www.bild.de


Schlagworte

nach oben