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Rede von Außenminister Heiko Maas anlässlich eines Empfangs zu Ehren von Mario Adorf

13.02.2019 - Rede

Lieber Mario Adorf,

ich will Sie alle ganz herzlich begrüßen hier im Auswärtigen Amt. Genauer gesagt: Auf dem Dach des Auswärtigen Amtes. Also sozusagen über dem Maschinenraum der Diplomatie. Und lieber Herr Adorf, ich finde, das ist genau der richtige Platz für einen großartigen Künstler, für einen Mann, dem eben nicht nur Film und Kultur viel zu verdanken haben in Deutschland, sondern auch ganz viele, die heute Abend hierhergekommen sind und die sind alle wegen Ihnen da.

Aber erst mal der Reihe nach: Der Internationale Club, das ist der Ort, an dem wir uns hier befinden, das ist einer der Lieblingsplätze unserer Botschafterinnen und Botschafter. Und deshalb ist das auch der richtige Ort für Sie, Herr Adorf, heute Abend einen Empfang zu Ihren Ehren zu machen, denn letztlich wollen wir Sie ehren auch als einen Botschafter, als einen Botschafter unseres Landes.

Denn Sie sind ja nicht nur Künstler, mit Ihren Filmen, sondern Sie sind vor allen Dingen auch ein engagierter Bürger und europäischer Botschafter unseres Landes. Und da kann man sagen: herzlich willkommen in Zukunft in Ihrem Stammlokal!

Hier oben treffen sich tagein, tagaus Gesprächspartner aus aller Welt. Die einen bezeichnen wir als unsere Freunde und die anderen sehr diplomatisch als schwierige Partner.

Und bei dem einen oder anderen könnte man auch in Versuchung kommen, an einige der Charaktere zu denken, die Sie, lieber Mario Adorf, in Ihren Filmen verkörpert haben. Ich fange jetzt nicht an, Namen zu nennen.

Aber ich versichere Ihnen: vom Gefreiten Wagner, ihrer ersten Rolle, über Alfred Matzerath und den großen Bellheim - ehrlich gesagt, bei jedem Namen fällt mir so im Hinterkopf einer ein, den man dafür nennen könnte im wahren Leben - aber vielleicht auch Santer, die sind alle schon mal hier gewesen. Außer Karl Marx, den haben Sie vor kurzem auch vor die Kamera gebracht, der hat sich hier schon lange nicht mehr sehen lassen.

Eines, und das ist uns ganz besonders wichtig und das ist auch einer der Gründe, warum wir heute Abend hier eingeladen haben, eines, das haben Sie bei all Ihren Erfolgen nie vergessen: Nämlich dass Kunst sich eben nicht nur auf der Bühne abspielt, sondern auch in der Gesellschaft. Und dass deswegen ein Künstler auch politisch sein kann und es sein darf. Und manchmal es vielleicht auch sein muss.

Und ich darf Ihnen sagen, dass mich und uns, meine Kolleginnen und Kollegen im Auswärtigen Amt, uns hat ganz besonders Ihr Einsatz für Toleranz und Respekt in einer liberalen Gesellschaft und vor allen Dingen eine größere kulturelle Öffnung unseres Landes, für die Sie sich immer eingesetzt haben, sehr beeindruckt.

Und ich will dazu mal eines sagen: Ich bin 1966 geboren, ich bin in Westdeutschland aufgewachsen, und alles, was mein Leben lebenswert macht, nichts von dem musste ich mir erkämpfen, es war schon alles da: Frieden, Freiheit, Rechtsstaat, Bürgerrechte, relativer Wohlstand – und manchmal habe ich den Eindruck, dass allzu viele, die nichts anderes kennen, den Eindruck haben, das sind alles pure Selbstverständlichkeiten. Und das ist heute nicht mehr so. Und ehrlich gesagt, man muss gar nicht irgendwie um uns herum nach Europa gucken oder vielleicht sogar darüber hinaus, sondern auch in Deutschland gibt es nationalen Populismus, der all das wieder in Frage stellen will.

Und ich will einmal Willy Brandt zitieren. Der hat einmal gesagt:

„Wenn ich sagen soll, was mir neben dem Frieden wichtiger sei als alles andere, dann lautet meine Antwort ohne Wenn und Aber: Freiheit. Die Freiheit für viele, nicht nur für die wenigen. Freiheit des Gewissens und der Meinung. Auch Freiheit von Not und von Furcht.“

Und wenn man manchmal die Debatten in Deutschland verfolgt, dann hat man so den Eindruck, dass es eine laute Minderheit gibt, die wieder anfängt, das in Frage zu stellen. Und ich bin fest davon überzeugt, dass das eine Minderheit ist, denn die große, die überragende Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger in diesem Land will, das sie in einem weltoffenen und toleranten Land leben. Aber warum erscheint uns diese Minderheit so laut? Weil nämlich die Lautstärke der Minderheit von der Lautstärke der Mehrheit reguliert wird. Und vielleicht sollte das den einen oder anderen auch dazu bringen, darüber nachzudenken, dass das, was unser Leben lebenswert macht, eben keine Selbstverständlichkeiten sind im Jahre 2019, auch nicht in Deutschland. Und dass es eben nicht mehr reicht, es nur zu leben, sondern auch dafür einzustehen. Das haben Sie getan, nicht nur in dem, was Sie beruflich getan haben, sondern Sie haben das auch immer in Ihrem zivilen Leben getan. Wir brauchen mehr davon, von solchen Botschaftern, die die Stimme erheben, wenn es darum geht, nicht nur das, was uns was wert ist, zu leben, sondern auch dafür einzustehen und dafür wollen wir uns heute Abend bei Ihnen bedanken, Herr Adorf.

Und wenn Sie mir die Bemerkung erlauben: ich glaube auch, dass mit der Berlinale und mit Dieter Kosslick haben Sie sich dafür einen passenden Partner ausgesucht. Der Film über Ihr Leben und Ihr Werk mit dem Titel „Es hätte schlimmer kommen können“ (Das ist übrigens ein Standardspruch eines jeden Diplomaten – ich komme gerade aus Washington zurück, da hätte man sogar sagen können, es hätte noch schlimmer kommen können). Dieser Film von Dominik Wessely, der heute Abend auch hier ist und den ich auch ganz herzlich begrüße, der hat auf der Berlinale Special wirklich einen guten Platz.

Und deshalb, lieber Herr Adorf, die Ehrung für Sie, ist insofern auch eine Ehrung für dieses wunderbare Festival. Es sind ja die internationalen Filmfestspiele und das Auswärtige Amt fühlt sich insofern mit zuständig, immer sobald es um internationale Themen geht.

Herr Adorf, wir ehren Sie heute als Botschafter unseres Landes. Sie haben damit in Zukunft freien Zugang zu allen unseren Botschaften weltweit, Kost und Logis sind ebenfalls frei. Das stand jetzt nicht in meinem Redemanuskript.

Lieber Herr Adorf, als Künstler, als Bürger und als Europäer. Und zwar als Europäer von Geburt an, aber vor allem aus Überzeugung und aus Tatkraft.

Wohl kaum ein anderer hat in so vielen europäischen Ländern, auch in den USA, aber vor allen in vielen europäischen Ländern gedreht und gearbeitet. Und ist nicht nur in Deutschland, sondern ist längst auch in Frankreich und oder gerade Italien Teil der dortigen Filmkultur geworden.

Sie haben als Künstler schon das geschaffen, was uns und mir als Politiker noch Kopfzerbrechen bereitet, nämlich das, was wir als EuropeUnited bezeichnen.

Ein Kontinent, auf dem sich jedes Land seiner Eigenheiten bewusst ist und diese auch respektiert werden. Ein Kontinent auf dem wir uns alle unserer jeweiligen Vergangenheit bewusst sind und daraus auch die richtigen Lehren gezogen haben.

Aber eben auch ein Kontinent, auf dem jedes Land sich bewusst ist, dass in Zeiten von Amerika first, China first, Russia first, wir ohne die anderen Europäer in der heutigen Welt unsere Interessen und vor allen Dingen unsere Werte nicht mehr behaupten können.

Paul-Henri Spaak, ein ehemaliger belgischer Premierminister, einer der vergessenen Gründungsväter der Europäischen Union, hat vor vielen Jahrzehnten einmal gesagt: Es gibt in Europa nur zwei Arten von Ländern: kleine Länder und Länder, die noch nicht gemerkt haben, dass sie auch klein sind. Und deshalb sind wir in Europa gerade in Zeiten wie heute mehr denn je aufeinander angewiesen. Und trotz der Fliehkräfte, die es auch innerhalb der Europäischen Union gibt, ist die europäische Idee und sie auch zu leben eine Voraussetzung dafür, dass die gemeinsame Wertebasis, die wir in Europa haben, auch behauptet werden kann.

Sie, lieber Herr Adorf, haben sich auf diese europäische Idee eingelassen, Sie haben sie gelebt.

Und wenn ich Ihnen und uns etwas wünsche, dann ist es genau das: Sie haben sich was getraut in Ihrem Leben. Was getraut, was Ihnen nicht in die Wiege gelegt war. Sondern etwas, was Sie sich erarbeitet haben.

Um uns die Augen und Ohren zu öffnen für die Facetten des Lebens, uns Mut zu machen, uns darauf einzulassen, um Ihre Stimme zu erheben, um das zu sagen, was eine moderne Gesellschaft wirklich ausmacht: nämlich dass Menschen sich vor allen Dingen mit einem gegenübertreten sollen, nämlich Respekt. Das hat vieles von dem, nicht nur, was Sie künstlerisch erarbeitet haben, sondern dass, was Sie auch in Ihrem zivilen Leben gemacht haben, geprägt und dafür wollen wir Ihnen heute Abend danken, verbunden mit dem Wunsch, dass Sie so bleiben, wie Sie sind.

Herzlichen Dank, Mario Adorf!

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