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Rede von Außenminister a. D. Heiko Maas anlässlich der Amtsübergabe an seine Nachfolgerin Annalena Baerbock

08.12.2021 - Rede

Sehr geehrte Frau Ministerin, liebe Annalena,
sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete aus dem Deutschen Bundestag,
sehr geehrter Herr Staatssekretär, lieber Miguel,
sehr geehrte Frau Staatssekretärin, liebe Frau Baumann,
ich freue mich sehr, dass Sie diesem Haus als Staatssekretärin dienen dürfen!

Liebe Staatsministerinnen und Staatsminister,
sehr geehrte Gäste, Exzellenzen,
aber vor allen Dingen: liebe Kolleginnen und Kollegen,
es heißt, die einzige Konstante im Leben sei die Veränderung. Für einen Tag wie den heutigen trifft das gleich doppelt zu. Nicht nur, weil sich Dein Leben, liebe Annalena, und mein Leben mit dem heutigen Tag ändern werden, sondern auch die Dinge in diesem Haus, in der Regierung, in unserem Land.

Veränderung – das war zuletzt auch eine Konstante in der internationalen Politik.

Und Veränderung, ist auch eine Konstante der Demokratie – zumindest von funktionierenden Demokratien. Deshalb ist das, was wir heute hier tun auch ein Fest der Demokratie – in dem die systemrelevant sind, die kommen und die, die gehen. Wir haben vor nicht allzu langer Zeit gesehen, was passiert mit Demokratien und Gesellschaften, wenn die, die gehen, nicht verstehen, dass sie gehen müssen.

In den letzten Wochen haben mir ganze viele meiner Kolleginnen und Kollegen aus der ganzen Welt größte Hochachtung entgegen gebracht für die Art und Weise wie wir diesen Regierungswechsel vollziehen. Die Tatsache, dass Frau Merkel Olaf Scholz mitgenommen hat auf das G20-Treffen nach Italien, ist wahrgenommen worden und wir werden hier heute unseren Teil dazu beitragen, wie dieser Regierungswechsel würdig geschieht.

Wenn ich auf die letzten beinahe vier Jahre hier zurückschaue, dann dominiert aber vor allem eine Konstante: wir waren und sind konstant in der Krise.

Krise der liberalen Demokratien, Krise in Europa und seiner Nachbarschaft, Krise des Multilateralismus, globale Herausforderungen wie Pandemie und Klimawandel.
Krise ist hier Tagesgeschäft.

Darauf haben wir versucht Antworten zu finden:

Wir haben die Europäische Union in stürmischen Zeiten zusammengehalten und immer wieder Brücken zu den mittel- und osteuropäischen Mitgliedsstaaten gebaut. Die sollen sich nicht fühlen wie EU-Mitglieder zweiter Klasse.

Die Basis dafür ist immer unsere Freundschaft zu Frankreich gewesen. Und wird es weiter bleiben. Während hier in Deutschland in den Medien diskutiert wurde, dass Deutschland nicht genug tue für die deutsch-französische Freundschaft, bin ich im Kreise der EU meistens unterwegs gewesen, um das Misstrauen der anderen zu entkräften, die eigentlich dachten, Deutschland und Frankreich sind viel zu eng.

Aber auch zu Polen: Das Weimarer Dreieck, das wir wiederbelebt haben, das Polendenkmal, das ganz wesentlich im Auswärtigen Amt mit auf den Weg gebracht wurde. Auch das ist das Dreieck, in dem wir in Europa agiert haben und auch agieren wollen.

Und auch mit Krisendiplomatie und humanitärem Engagement haben wir mitgeholfen, Instabilität in unserer Nachbarschaft einzudämmen. Zum Beispiel in Libyen: am 24. soll dort gewählt werden – und auch in diesem Haus gab es einige, die gesagt haben, dass dieses Engagement sich nicht lohnt, weil die Erfolgsaussichten so gering waren. Es ist gut, dass es anders gekommen ist!

Auch im Nahen Osten: Das Treffen mit dem israelischen Außenminister und dem emiratischen Außenminister. Die Aufnahme diplomatischer Beziehungen ist vollzogen worden, hier in Berlin! Und dann noch am Holocaust-Mahnmal. Das ist etwas ganz besonderes gewesen.

Wir haben den Multilateralismus gestärkt, als einer unserer wichtigsten Partner sich zurückgezogen hat.

Und in der Corona-Krise war es eine logistische Meisterleistung, eine gemeinsame Kraftanstrengung aller Auslandvertretungen und der Zentrale, die Rückholung von 240.000 Bundesbürgerinnen und –bürgern und anderer Staatsbürger, die überall auf der Welt festsaßen, zu organisieren.

Und bei allem, was man vor dem Fall Kabuls im Rückblick hätte wissen müssen oder anders machen können – in der Stunde größter Not hat dieses Haus dabei geholfen, tausende Menschenleben zu retten. Für diesen unermüdlichen Einsatz, bei dem viele von Ihnen bis an ihr Limit gegangen sind, möchte ich mich noch einmal ganz herzlich bei Ihnen allen, liebe Kolleginnen und Kollegen, bedanken.

Und wir haben dabei auf einen klaren Wertekompass gesetzt. Weil es keine Politik ohne Geschichte gibt – für Deutschland schon gar nicht.

Dabei galt und gilt im Umgang mit all diesen Herausforderungen: Deutsche Außenpolitik kann nicht bloß die Verlängerung deutscher Innenpolitik sein. Deutschland ist keine Insel, die Welt erwartet viel von uns.

Und es ist gut zu wissen, dass wir mit diesem Amt und seinen Auslandsvertretungen Augen, Ohren und eine Stimme haben – in der Welt, aber auch hier zuhause.

Um daran zu erinnern, dass unser Wohlstand, unsere Freiheit, unsere Sicherheit nicht zu trennen sind vom Wohlergehen anderer Länder.

Die Geste der deutschen Außenpolitik ist immer die ausgestreckte Hand und nie der erhobene Zeigefinger.

Meine Damen und Herren,
bei all den Krisen um uns herum, ist es eben gut zu wissen, dass das Auswärtige Amt als Manager bereitsteht. Dieses Haus ist ein Stabilitätsanker.

Aber je unvorhersehbarer diese Welt ist, umso moderner müssen unsere Instrumente hier sein.

Die Pandemie hat dem Auswärtigen Amt einen Digitalisierungsschub verliehen. Aber für die gesamte Bundesverwaltung wird die Digitalisierung auch für dieses Haus eine große interne Aufgabe der nächsten Jahre bleiben.

Auch organisatorisch muss sich das Amt weiter zukunftsfähig machen: Mobiles und flexibles Arbeiten ist heute deutlich einfacher als noch vor wenigen Jahren. Und das Bundesamt für Auswärtige Angelegenheiten bringt unserer Arbeit deutliche Effizienzgewinne.

Die vielleicht wichtigste Aufgabe hat nicht nur Auswirkungen nach Innen, sondern vor allen auch Wirkung nach Außen: wir brauchen einen diplomatischen Dienst, der ein Spiegel unserer Gesellschaft ist. In den vergangenen Jahren haben wir viel erreicht in Sachen Gleichstellung und Diversität.

Und doch bleibt Parität eine der wichtigsten Aufgaben innerhalb des Hauses.

Denn ich bin fest davon überzeugt: es gibt keine gute Politik, auch keine gute Außenpolitik, die die Hälfte der Menschheit außenvorlässt.

Und deshalb ist es eben nicht egal, dass mit Dir, liebe Annalena, erstmals eine Frau an der Spitze des Auswärtigen Amtes steht. Nach 151 Jahren in der Geschichte dieses Hauses wurde es dafür auch höchste Zeit.

Nicht nur für die Frauen in diesem Haus, sondern für Frauen und Mädchen in unserem Land, für Menschenrechtsverteidigerinnen, die Dir begegnen werden, für Frauen, die in ihren Gesellschaften für Wandel, für gleiche Chancen und Rechte kämpfen.

Ich bin davon überzeugt: Du wirst unser Land und diese Fortschrittskoalition als erste deutsche Außenministerin überzeugend international vertreten. Ich wünsche Dir dafür alles erdenklich Gute. Und alle, die mich kennen, wissen, dass das keine Formel ist, die man zu solchen Anlässen aufsagt. Ich wünsche Dir das wirklich, auch persönlich.

Und ich verrate keinem ein Geheimnis, wenn ich sage: ich war, bevor ich im März 2018 an den Werderschen Markt kam, noch kein Außenminister. Ich bin es hier geworden.

Und das liegt auch an diesem Amt und seinen großartigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, hier und überall auf der Welt.

Ich danke allen Kolleginnen und Kollegen, die mich in den letzten Jahren nicht nur hervorragend und hochprofessionell unterstützt haben, sondern die an vielen Dienstorten weltweit tagtäglich größtes Engagement, Mut und Menschlichkeit zeigen.

Darauf können Sie alle stolz sein. Darauf bin ich stolz.

Ich möchte mich zu allererst bei Zweien bedanken, die mit mir hierhergekommen sind, was ja in diesem Haus nicht unbedingt als eine Selbstverständlichkeit gilt: Katharina Stasch und Steffen Rülke.

Katharina, ich habe Dir in den letzten acht Jahren mehr zu verdanken, als ich hier zum Ausdruck bringen kann. Wir haben schöne Momente geteilt, wir haben zusammen gelitten, wir haben auf jeden Fall immer zusammengehalten. Und ich kann jeden nur beglückwünschen, der jemanden wie Dich um sich hat – aus menschlichen und auch aus professionellen Gründen. Deshalb beglückwünsche ich in dem Fall die Vereinten Nationen in Genf und dass du gerade Vizepräsidentin des Menschenrechtsrates geworden bist, wundert mich nicht – und es ist gut für die Menschenrechte!

Steffen, auch Dir schulde ich allergrößten Dank! Für den positiven Teil meines Bildes in der Öffentlichkeit bist Du verantwortlich. Für den Rest ich. Und auch wir haben viel zusammen erlebt und ich bin dankbar für jede Minute, die wir zusammen gearbeitet haben – und auch für die, in denen wir nicht gearbeitet haben. Ich wünsche Dir alles Gute im Kanzleramt und bin froh, dass Du die da nicht alleine lässt!

Ich danke auch meinen vier Staatssekretärinnen und Staatssekretären, Walter Lindner, Andreas Michaelis, Antje Leendertse, und natürlich vor allem bei Dir, lieber Miguel. Du bist der, der mit mir übrig geblieben ist. Walter Lindner hat mir die unkonventionellen Seiten des diplomatischen Dienstes gezeigt. Mit Antje Leendertse bin ich viel unterwegs gewesen, schon als Politische Direktorin. Das hat uns sehr verbunden. Aber auch mit Dir Miguel, und dafür will ich mich bedanken! Du bist ein ganz großartiger Diplomat und vor allem ein großartiger Mensch.

Ich will mich bedanken, bei Jens Plötner, der mich als Politischer Direktor begleitet hat und auch beraten hat. Und auf den ich mich vor allem immer verlassen konnte und das auch getan habe.

Und natürlich meinen drei Staatsministerinnen und -ministern, liebe Michelle, lieber Michael, lieber Niels – danke für Alles, in unterschiedlichen Bereichen. Ich bin fest davon überzeugt, dass das, was ihr dort geleistet habt, bleiben wird.

Ich will mich bedanken bei Stefan Rößel, der nun wahrlich keine einfache Aufgabe hatte, als er wenige Monate vor der Bundestagswahl das Ministerbüro übernommen hat. Ich bin ihm sehr dankbar für die gute und vertrauensvolle Zusammenarbeit.

Ich danke Maria Adebahr, die extra aus Rom gekommen ist, worüber ich mich sehr freue. Und Christofer Burger und Andrea Sasse und ihrem Team bei 013. Ich glaube, wenn man mit denjenige, die für einen öffentlich sprechen, irgendwann in der Lage ist, sich blind zu vertrauen, zeigt das, dass man nicht nur politisch und professionell, sondern auch menschlich eine gute Ebene gefunden hat. Und auch dafür will ich danken.

Herrn Aulbach und seinen Kolleginnen und Kollegen im Kabinettsreferat.

Und auch bei meinen Redenschreiberinnen und Redenschreibern, vor allen Dingen Christian Doktor und Claudia Zentgraf, die mich am längsten begleitet haben.

Bei meinem Vorzimmer, jetzt Frau Nyberg, Frau Nutz, Frau Ott, und denjenigen, die auch in der Zeit davor dort gewesen sind und auf die ich mich immer, zu Hundertprozent verlassen konnte.

Ich danke aber auch denjenigen, die dafür gesorgt haben, dass ich nicht verloren gehe – ob ich wollte oder nicht: meiner Sicherheit. Ich weiß, dass ich manchmal den Eindruck hinterlassen habe, vor der Sicherheit zu fliehen. Das lag aber nicht an der Sicherheit, das sind ganz großartige Männer und Frauen! Aber das ist etwas, auf das ich mich zugegebenermaßen freue, die Rückgewinnung meiner persönlichen Freiheit. Ich möchte mich bei meinen Fahrern, Herrn Zühlke und Herrn Albers bedanken. Ich möchte mich bei den Kollegen der IT bedanken, vor allen Dingen bei Herrn Bankstahl – aufgrund von Corona haben wir Stunden in Videokonferenzen verbracht. Und ich danke allen anderen großartigen Menschen, die mich durch diese Zeit begleitet haben. Den Dolmetscherinnen und Dolmetschern – auch die, während wir telefonisch ständig mit anderen Kolleginnen und Kollegen auf der Welt verbunden waren, auch mal eine Telefonleitung beendet haben, mit dem Hinweis, es gebe technische Probleme – weil ich dachte, ich hätte einen Italiener am Telefon, aber es war jemand aus Abu Dhabi. Der Italiener ist zwar danach gekommen, aber auch das hat keine diplomatischen Krisen ausgelöst.

Meine Damen und Herren,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
den Dank ins Haus will ich beschließen mit einer Verneigung – und zwar vor Katja Schaefer. Bei ihr würde ich nicht sagen, wir haben zusammen gearbeitet, sondern sie hat vier Jahre auf mich aufgepasst. Egal wieviel Uhr es war, egal welcher Wochentag, egal wo ich gerade war auf der Welt, sie war immer da und ich werde sie vermissen!

Vermissen mussten mich auch meine Liebsten zuhause in den letzten Jahren viel zu oft. Meine wunderbare Frau, meine Söhne, meine Familie. Ihnen allen bin ich wahrscheinlich den größten Dank schuldig – dafür, dass sie diesen Weg, der für sie auch nicht immer einfach war, mit mir gegangen sind.

Ich habe in den letzten Tage von einigen hier gehört, dass sie sich gefreut haben, dass jemand wie ich, der schon so lange Politik macht, auch menschlich bleiben kann. Das ist für mich ein großes Kompliment.

Liebe Kolleginnen und Kollegen,
es war mir eine Ehre, mit Ihnen gearbeitet zu haben. Bleiben Sie nicht unbedingt wo Sie sind, aber wie Sie sind, in diesem Sinne: „Keep on rocking in a free world!“

Rede von Außenminister a. D. Heiko Maas anlässlich der Amtsübergabe an seine Nachfolgerin Annalena Baerbock

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