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Begrüßungsstatement von Außenminister Heiko Maas bei der digitalen Eröffnung der Online-Ausstellung „7 Places – Sieben Orte in Deutschland“ der Vereinten Nationen und des Zentrums für verfolgte Künste
(Aufzeichnung: 2. November 2020)
Als in der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 in ganz Deutschland die Synagogen brannten, da sahen viele zu und applaudierten sogar.
Andere sahen achselzuckend weg. Die wenigsten aber zeigten den Mut und die Zivilcourage, die Wilhelm Krützfeld bewies.
Mit seinen Kollegen vom Polizeirevier am Hackeschen Markt stellte er sich den Brandstiftern der SA entgegen und ordnete gegen den geltenden Befehl Löscharbeiten an. Dass die Neue Synagoge Berlin nicht völlig niedergebrannt ist, verdanken wir vor allen Dingen ihm.
Die Novemberpogrome von 1938 zeigten der ganzen Welt, wie weit verbreitet das Gift des Antisemitismus bereits war, in der deutschen Gesellschaft. Sie markieren eine Wende hin zum Massenmord an den Jüdinnen und Juden Europas, dem größten Menschheitsverbrechen aller Zeiten.
Deshalb darf niemand mit den Achseln zucken, wenn wir auch heute fast täglich antisemitische Hetze und Gewalt erleben – im Netz, aber auch auf unseren Straßen.
- Erst vor wenigen Wochen wurde ein jüdischer Mitbürger auf dem Weg in die Synagoge fast totgeschlagen.
- Und viele der Verschwörungsmythen rund um die Corona-Krise machen deutlich: Antisemitismus ist auch heute kein Phänomen allein der rechtsextremistischen Ränder. Er erreicht die Mitte unserer Gesellschaft.
Erinnerung darf daher nicht in historischer Rückschau erstarren. Erinnern bedeutet, aus dem Gestern die richtigen Schlüsse für heute und morgen zu ziehen.
Das Zentrum für Verfolgte Künste Solingen und die anderen Partner dieser Ausstellung haben dafür sieben sehr passende Orte ausgewählt.
- Orte wie das MiQua in Köln, das für 1700 Jahre jüdischen Lebens in Deutschland steht, die wir nächstes Jahr gemeinsam feiern.
- Orte, die Licht auf das dunkelste Kapitel unserer Geschichte werfen.
- Und Orte wie die Synagoge in Halle an der Saale, die uns in die Verantwortung nehmen, jüdisches Leben auch im Hier und Jetzt zu bewahren und zu schützen.
Ich freue mich sehr, dass die Vereinten Nationen diese Bildungs- und Erinnerungsarbeit unterstützen.
Die Zusammenarbeit im Kampf gegen Antisemitismus und gegen die Leugnung und Verfälschung des Holocaust wollen wir auch im Rahmen unseres Vorsitzes der Internationalen Allianz zum Holocaust-Gedenken weiter stärken.
Weil wir wissen, wohin Hass und Hetze führen können. Und wohin es führt, wenn zu viele Menschen achselzuckend wegsehen.
Das Beispiel des Berliner Polizisten Wilhelm Krützfeld zeigt: Es liegt an uns allen, Vielfalt und Demokratie zu verteidigen.
Das gilt für Polizistinnen und Polizisten als Staatsdiener in Uniform.
Und für jede und jeden einzelnen von uns.