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Grußwort von Außenminister Heiko Maas bei der Jahres-Konferenz des Institute for National Security Studies in Israel: “2021 in the Middle East – Lockdown, Breakdown or Break-through?”

27.01.2021 - Rede

(Video-Grußbotschaft – Original in Englisch)

Ich bin sicher: Niemand von uns wird das Jahr 2020 je vergessen.

Für viele fühlten sich die ersten Januartage eher wie eine Verlängerung des Dezembers an. Der Kampf gegen die COVID-19-Pandemie ist noch längst nicht vorbei. Und der Sturm auf das Kapitol hat uns einmal mehr vor Augen geführt, dass durch viele unserer Gesellschaften gefährliche Risse verlaufen.

Doch es gab auch hoffnungsvolle Momente. Für mich gehörte zu den bewegendsten Augenblicken des letzten Jahres das Treffen mit meinen Freunden, den Außenministern Gabi Ashkenazi und Abdullah bin Zayed kurz nach der Unterzeichnung des historischen Abkommens über die Normalisierung der Beziehungen zwischen Israel und den Vereinigten Arabischen Emiraten. Wir haben uns nicht einfach irgendwo getroffen. Wir haben uns in Berlin getroffen, am Holocaust-Mahnmal, der in Stein gegossenen Erinnerung an die von den Deutschen begangene Ermordung der Juden Europas.

Ohne dass es vieler Worte bedurfte, konnten wir unseren Freunden aus den Vereinigten Arabischen Emiraten zeigen, wo der Staat Israel seinen Ursprung hat. Und auch, weshalb seine Sicherheit von so großer Bedeutung ist – für Israelis, aber auch für uns Deutsche. Das Abkommen über die Normalisierung der Beziehungen zeigt eindrucksvoll, dass Aussöhnung und Zusammenarbeit möglich sind. Doch sie erfordern Mut.

Und im neuen Jahr werden weitere mutige Schritte nötig sein, um das, was mit dem Abkommen begonnen wurde, zu einem Abschluss zu bringen. Das Ziel ist, Frieden und Zusammenarbeit zwischen Israel und seinen Nachbarn herbeizuführen.

Doch echten Frieden und wahre Zusammenarbeit mit den Menschen der arabischen Welt wird es ohne eine Lösung des israelisch-palästinensischen Konflikts nicht geben. Ohne eine verhandelte Zweistaatenlösung wird es keinen dauerhaften Frieden geben.

Meine Damen und Herren,

das Abkommen über die Normalisierung der Beziehungen, der Regierungswechsel in den USA, die anstehenden Wahlen in Israel und wahrscheinlich auch in den Palästinensischen Gebieten – all diese Entwicklungen erfordern es, die Dinge neu zu denken.

Wir sind nicht taub gegenüber jenen, die andere Ansichten äußern als wir, die uns für naiv erklären und die Zweistaatenlösung als „überholt“ bezeichnen.

Wir sind auch nicht blind. Wir sehen sehr wohl, wie die Chancen für eine Zweistaatenlösung mit jedem Akt oder Aufruf zur Gewalt schwinden - und auch mit jedem neuen Gebäude, das in den Siedlungen im Westjordanland errichtet wird. Deshalb fordern wir die Einstellung der Aktivitäten in Giv'at HaMatos.

Doch wir sehen auch, dass der Status quo auf tönernen Füßen steht. Weil er eben nicht für alle Beteiligten zufriedenstellend ist. Deshalb frage ich diejenigen, die anderer Meinung sind als wir: Wie stellen Sie sich dauerhaften Frieden vor? Für uns ist die Sicherheit Israels als ein demokratischer und jüdischer Staat von herausragender Bedeutung. Doch wie kann beides gewährleistet werden, wenn nicht durch einen unabhängigen palästinensischen Staat?

Die Trump-Regierung hat hierfür keine überzeugende Antwort geliefert. Zudem hätte eine Annexion von Teilen des Westjordanlands jede friedliche Lösung gefährdet. Und sie hätte die Bande zwischen Israel und einigen seiner nächsten Nachbarn zerstört.

Die Abraham-Vereinbarungen weisen in eine andere, konstruktivere Richtung. Und in genau diesem Geiste darf eine Annexion auch weiterhin nicht zur Debatte stehen – unabhängig vom Ausgang der anstehenden Wahlen in Israel.

Gemeinsam mit Frankreich, Ägypten und Jordanien werden wir auch in Zukunft alle Seiten ermuntern, wieder in einen konstruktiven Dialog zu treten. Wir appellieren an den Pragmatismus beider Seiten. Und wir bieten unsere Unterstützung an, um Vertrauen aufzubauen. Eine Verpflichtung, von einseitigen, nachteiligen Maßnahmen abzusehen und stärker mit den Palästinensern im Kampf gegen COVID-19 zusammenzuarbeiten, könnten erste wichtige Schritte sein.

Selbst dann wird es noch viel zu tun geben. Doch wir haben wichtige Wegweiser für das weitere Vorgehen: frühere Abkommen zwischen den Parteien und international vereinbarte Parameter – auch wenn einige von ihnen vielleicht angepasst und aktualisiert werden müssen.

Meine Damen und Herren,

ein regelbasierter Ansatz ist auch von entscheidender Bedeutung für die Herausforderungen in Bezug auf Iran. Teherans rücksichtsloses Verhalten der letzten Wochen hat uns erneut vor Augen geführt, warum wir unbedingt verhindern müssen, dass das Land jemals in den Besitz von Atomwaffen gelangt. Das beste Instrument hierfür ist nach wie vor der Gemeinsame Umfassende Aktionsplan, das JCPoA.

Auch wenn es bei weitem nicht perfekt ist, eröffnet es doch mehr Transparenz als je zuvor.

Ich stimme Ihnen zu, dass das nicht ausreicht. Wir müssen uns auch mit dem gefährlichen Raketenprogramm Irans und seinem aggressiven Verhalten in der Region auseinandersetzen. Doch auch das wird viel einfacher sein, wenn wir zunächst mithilfe des JCPoA die nukleare Bedrohung kontrollieren können.

Meine Damen und Herren,

wir können uns entweder an 2020 als ein Jahr des Chaos erinnern. Oder wir blicken auf das Licht am Ende des Tunnels:

  • Joe Biden und Kamala Harris haben das Thema Versöhnung zu ihrer obersten Priorität gemacht – in den USA selbst und im Zusammenspiel mit anderen Demokratien.
  • Der Erfolg der israelischen Impfkampagne inspiriert die ganze Welt.
  • Und schließlich: Wer hätte vor einem Jahr gedacht, dass es einmal Direktflüge vom Flughafen Ben Gurion nach Abu Dhabi oder Manama geben würde?

Wenn Menschen sich treffen und beginnen, miteinander zu reden, ist alles möglich. Fortschritt ist möglich – selbst inmitten einer Pandemie.

Ob der globale Lockdown zu einem Zusammenbruch oder zu einem Durchbruch führt, das liegt in unseren Händen.

Vielen Dank!

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