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Grußwort von Außenminister Heiko Maas bei der Veranstaltung „Rom in Berlin“ - 100 Jahre diplomatische Beziehungen zwischen dem Heiligen Stuhl und Deutschland

30.06.2021 - Rede

Sehr geehrter Herr Kardinalstaatssekretär Parolin, Eminenzen,
sehr geehrter Herr Nuntius,
sehr geehrte Herren Kardinäle und Bischöfe - ganz besonders freue ich mich natürlich, auch einen früheren Vertreter „meines“ Bistums Triers hier zu sehen – Herr Bischof Bätzing (Vorsitzender DBK, ehem. Generalvikar in Trier), – es ist schön, sie wiederzusehen,
sehr geehrte Damen und Herren Professoren,
meine Damen und Herren,

„Rom in Berlin“ – so haben Sie, lieber Herr Erzbischof Eterović, diese Jubiläumsfeier überschrieben.

Und deshalb möchte ich zuallererst noch einmal unseren römischen Gast hier bei uns in Berlin begrüßen. Es bedeutet uns wirklich sehr viel - und ich spreche dabei nicht nur für mich, sondern auch für die Bundesregierung - und sicherlich hat die Bundeskanzlerin es Ihnen auch schon selbst gesagt: Wir freuen uns sehr, dass Sie heute zu dieser Jubiläumsfeier gekommen sind.

Und dies, obwohl das Jubiläum selbst ja durchaus erklärungsbedürftig ist.

Denn: Gemessen an den mehr als tausendjährigen religiösen, politischen und menschlichen Beziehungen zwischen „den Deutschen“ und dem Heilligen Stuhl, die ja zurückreichen an einen Punkt weit vor der Entstehung eines deutschen Nationalbewusstseins oder gar eines deutschen Staats, scheinen die letzten hundert Jahre doch nahezu kurz.

Ich will damit gar keine archäologische Spurensuche im märkischen Sand anregen.

Dort würde man – anders als in manchen Städten Südwestdeutschlands – wohl auch eher auf die Reste einer slawischen Wallburg stoßen denn auf die Spuren Roms.

Dabei denke ich auch weniger an die steinernen Zeugnisse katholischen Glaubens, die nach der Reformation im so genannten „preußischen Rom“ naturgemäß bescheidener ausfielen als anderswo in unserem Land.

Meine sehr verehrten Damen und Herren,
die Spuren Roms in Berlin sind wohl dann doch eher metaphysischer Natur. Aber damit bei weitem nicht weniger tief.

Es tat gut, dies zu spüren, als ich vor wenigen Wochen die große Ehre und auch Freude hatte, Papst Franziskus zu einer Audienz in Rom zu treffen. Wir haben über die Werte und Ziele gesprochen, die Deutschland, Europa und der Heilige Stuhl teilen, in dieser oft zerrissenen Welt. Allem voran die Suche nach Frieden, der mehr ist als die bloße Abwesenheit von Krieg und Gewalt.

Diesem Frieden „nachzujagen“, wie der 34. Psalm es formuliert, das muss eigentlich Wesensmerkmal sein für unser Land und seine Politik - gerade angesichts der Untiefen unserer Geschichte.

Ich habe dem Papst für seinen Besuch im Irak gedankt, dessen Nachhall in der schiitischen Welt kaum hoch genug einzuschätzen ist. Auch wir ringen in unserer Arbeit in der Region um Frieden – derzeit vor allem bei den Atomgesprächen mit dem Iran in Wien. Und ich finde, dieses Beispiel zeigt sehr gut, wie wir – jeder mit seinen ganz anderen Mitteln und Zugängen – dem Frieden nachjagen.

Gleiches würde ich mir für den Libanon wünschen, sehr geehrter Herr Kardinalstaatssekretär, dessen Stabilität und Zusammenhalt über Glaubensgrenzen hinweg Ihnen und uns am Herzen liegt. Gerade heute Morgen hatte ich die libanesische Außenministerin zu Gast, um mit ihr darüber zu sprechen, welchen Beitrag auch wir hier leisten können.

Und ich könnte viele weitere Beispiele nennen, wo die Stimme des Heiligen Stuhls ganz besonders gebraucht und auch gehört wird.

In Afrika, wo die vatikanische Diplomatie etwa in Mosambik oder Südsudan wertvolle Vermittlungsarbeit leistet.

Oder in Lateinamerika, wo das Leiden der Menschen z. B. in Venezuela, aber auch die Zerstörung der Demokratie in Nicaragua uns allen große Sorgen bereiten.

Oft sind es katholische Organisationen wie die Caritas, die Malteser oder Misereor, die in diesen Ländern humanitäre Not lindern und Entwicklungschancen schaffen.

Welch große Verantwortung die Kirche dabei schultert - manchmal für die Gesundheitssysteme ganzer Länder - das hat uns auch die Pandemie in all ihrer Dramatik gerade noch einmal sehr vor Augen geführt.

Und nicht zuletzt gehört ins Zentrum einer Friedenspolitik auch der Schutz unserer Lebensgrundlagen - der Kampf gegen den Klimawandel.

„Laudato Si“, die Klima-Enzyklika von Papst Franziskus, hat weltweit Augen und Ohren geöffnet. Und einen solchen Impuls werden wir auch dieses Jahr brauchen, wenn wir bei der Klimakonferenz in Glasgow niemanden verlieren wollen auf dem Weg in eine klimaneutrale Welt, die gerade den Schwächsten das Überleben sichert.

Wie kaum irgendwo sonst zeigt sich hier, wie Recht Papst Paul VI. hatte, als er schrieb „Wenn Du Frieden willst, arbeite für die Gerechtigkeit.“

Dieser Satz gilt für Staaten.

Als Christ und auch als Katholik hoffe ich und vertraue ich aber auch darauf, dass er auch innerhalb meiner Kirche überall gehört wird.

Denn: Nur Gerechtigkeit kann die tiefen Wunden hoffentlich irgendwann heilen, die Menschen durch sexuellen Missbrauch erlitten haben. Und nur durch Gerechtigkeit und Transparenz wird neues Vertrauen in die Kirche wachsen, das – wie ich auf meinen Reisen immer wieder erlebe - überall gebraucht wird.

Umso dankbarer bin ich denjenigen, die den steinigen Weg der Aufarbeitung und der Reformen gehen.

Das Rücktrittsschreiben „meines“ früheren Trierer Ortsbischofs, Kardinal Marx, hat mich wirklich tief beeindruckt. Trotzdem bin ich zugleich dankbar, dass er der katholischen Kirche in Deutschland und auf der Welt erhalten bleibt: als jemand, der die Kraft zur Erneuerung sucht. Und sie im Austausch mit allen Teilen der Kirche, findet.

Anders ausgedrückt: Ich wünsche mir eine Kirche, die sich einbringt in die Welt. Weil ihre Stimme, ihre Seelsorge und Ihre guten Werke gebraucht werden.

Doch das setzt voraus, dass die Kirche die Kraft findet, sich ohne Vorbehalte auch der Welt zu öffnen.

Dafür steht die jüngst erfolgte Offenlegung der Akten zum Pontifikat von Pius XII, der über Jahrzehnte – als Nuntius in München und Berlin, später als Kardinalstaatssekretär und Papst - eine zentrale Figur unserer Beziehungen gewesen ist.

Dafür steht, lieber Herr Bischof Bätzing, dass die Bischofskonferenz mit Beate Gilles erstmals eine Frau zu ihrer Generalsekretärin gewählt hat.

Und dafür steht aber auch nicht zuletzt auch dieses wunderschöne Haus, die Nuntiatur.

Als es nach dem Regierungsumzug darum ging, einen Ort für die neue Vertretung in Berlin zu finden, da verzichtete der Heilige Stuhl ganz bewusst auf das alte Grundstück im Botschaftsviertel am Tiergarten. Um hierher zu ziehen, nach Neukölln.

Mitten ins Leben. Wo Arm und Reich, unterschiedliche Kulturen und Religionen täglich aufeinandertreffen.

Dass gerade hier ein Stück Rom in Berlin entstanden ist, sehr geehrter Herr Nuntius, das hat fast etwas Prophetisches, wenn man auf das Pontifikat von Papst Franziskus und sein Verständnis einer im wahrsten Sinne des Wortes leidenschaftlichen und mitfühlenden Kirche blickt.

Es ist diese Kirche, die die Welt schätzt und braucht.

Es sind diese Spuren Roms, die wir heute, hier in Berlin, nachzeichnen wollen.

Und es sind diese Spuren, die die Herzen der Menschen erreichen.

Vielen Dank!

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