Willkommen auf den Seiten des Auswärtigen Amts

Grußwort von Staatssekretärin Antje Leendertse anlässlich des Festakts „190 Jahre DAI

17.05.2019 - Rede

Es ist ja immer etwas befremdlich, wenn die jüngere Schwester eine Lobrede auf das älteste Kind der Familie halten soll. Ungefähr so fühlt man sich, wenn man als Vertreter des 149 Jahre alten Auswärtigen Amts bei der 190. Geburtstagsparty des DAI zu Besuch ist. Da greifen dann auch Hinweise auf das DAI als einzige nachgeordnete Behörde des AA nicht – Ihr Haus hat gegenüber dem meinen einen uneinholbaren Vorsprung von über 40 Jahren. Doch wie es unter Geschwistern so ist: die Ähnlichkeit zwischen AA und DAI ist nicht zu leugnen. Erlauben Sie mir, diese Ähnlichkeit an drei Beispielen festzumachen:

Drei Frauen schauen in die Kamera, hinter ihnen ein altes Foto in schwarz-weiß
Staatssekretärin Antje Leendertse anlässlich des Festaktes „190 Jahre DAI© AA

1. Beispiel unserer Ähnlichkeit = Europa liegt Ihnen – wie uns – in den Genen.

Zur Untermauerung dieser These wage ich den Blick zurück. Denn der zeigt, dass das „europäische Projekt“ für das DAI schon seit 190 Jahren eine Selbstverständlichkeit ist. Mit der Gründung des „römischen Instituts für Archäologische Korrespondenz“ am 21. April 1829 – natürlich in Rom, das haben Sie mit der EU gemeinsam – war das DAI von Anfang an ein „europäisches“ Projekt. Und ein „deutsch-französisches“ gleich dazu, war der erste Präsident doch ein Franzose! Mehr noch: er war französischer Diplomat, und zwar der Gesandte beim Königreich Neapel.

Hinzu kamen noch Hannoveraner, Preußen, Dänen und Italiener. Internationale Zusammenarbeit in Netzwerken prägt die Arbeit des DAI also von Geburt an.

Eine zweite Wegmarke, die ich hervorheben möchte, liegt im Jahr 1874. Die ersten 45 Jahre konnte das DAI noch weitgehend unbehelligt agieren – 1874 ging das DAI in den Geschäftsbereich des Auswärtigen Amtes unter Reichskanzler von Bismarck über. Damals wurde vermutlich schon erkannt, eine wie wichtige Komponente unserer Außenpolitik die Altertumsforschung ist. Vermutlich ging es meinem Haus auch darum, ein wenig vom Glanz der legendären Grabungen auf dem Kapitol, in Olympia, Pergamon und Milet abzukommen.

Viel hat sich seither getan, in unseren Häusern und der Gesellschaft in der wir leben. Ich finde das Foto, das Sie für die Einladungskarte gewählt haben und das den Reichsminister des Auswärtigen Gustav Stresemann bei seiner Rede zum 100jährigen Bestehen des DAI im Reichstag zeigt, hierfür bezeichnend. Eine Schar von schwarzen Fracks und weißen Bärten. Dass beim Festakt heute drei Frauen das Wort führen, hätte sich vermutlich selbst der große Stresemann nicht vorstellen können.

2. Beispiel unserer Ähnlichkeit = Sie scheuen nicht vor der Krise zurück – noch weniger als wir

Ganz im Gegenteil: viele wichtige Projekte des DAI finden im Krisenbogen statt. Zwei Ihrer Häuser (Damaskus und Sana‘a) können derzeit nicht betrieben werden, weil im Land Krieg herrscht.
Die temporäre Schließung ist dabei die ultima ratio – erfahrungsgemäß sind Archäologen oft dann noch in Krisengebieten unterwegs, wenn sonst nur noch das Rote Kreuz vor Ort ist!

Verstehen Sie mich nicht falsch: das DAI ist zum Glück weltweit unterwegs, von Peru bis zu den Solomonen. Ich selber erinnere gut die Arbeit des DAI in Georgien, die ich kennenlernen durfte, als ich Beauftragte des AA unter anderem für den Kaukasus war. Es ging um viertausend Jahre alte Bronzen der Kolchiskultur – einem wunderschönen Teil gemeinsamen europäischen Erbes.

Doch ist die Arbeit im Nahen und Mittleren Osten derzeit besonders drängend: Die Zerstörung von Kulturgut durch Terror, Krieg und illegalen Handel bedroht das kulturelle Erbe der Menschheit. Bilder von Palmyra, Mosul, Aleppo steigen hier vor dem inneren Auge auf. Diese Zerstörung ist Teil geworden eines Kampfes gegen die Grundlagen kultureller Andersartigkeit. Gerade in Kriegsregionen sind historische Stätten Orte der Selbstvergewisserung und Zeugen religiöser und ethnischer Pluralität. Um in Krisenregionen Frieden nachhaltig wieder zu verankern, müssen wir durch die Wiederherstellung von Symbolen der kulturellen Identität der Zerstörung etwas entgegen setzen.

Genau das tut das DAI an vielen Orten, einen davon will ich hervorheben: den Irak. Nach Jahrzehnten des Konflikts gibt es hier so etwas wie Hoffnung. Und das DAI ist von Anfang an wieder dabei:

An der Universität Bagdad wurde Dank Ihrer Initiative das “Iraqi German Center for Archaeology” eingerichtet, wo Studierende im Bereich des Kulturgüterschutzes ausgebildet werden. Daraus entwickelte sich das deutsch-irakische Expertenforum, in dem Mitarbeiter der irakischen Denkmalbehörden mit unseren Technologien zur Dokumentation und Konservierung von Denkmälern vertraut gemacht werden. Ich möchte hier den Direktor der irakischen Antikenbehörde Rashid al-Magases zitieren, der mit Blick auf das Engagement des DAI in seinem Land folgendes sagte:

„Der Erhalt von kulturellem Erbe im Irak ist die beste Reaktion der Menschheit gegen ihre Feinde wie Terrorismus und Extremismus. Er trägt dazu bei, Frieden und Koexistenz zwischen den verschiedenen Teilen der irakischen Gesellschaft wiederherzustellen.“

Friedensarbeit dieser Art leistet das DAI in der ganzen Region, sei es durch die Gründung des Expertennetzwerks Archaeological Heritage Network, durch das daraus hervorgegangene „Stunde Null“-Projekt, oder durch die Mitarbeit am “Syrian Heritage Archive Project”, dem weltweit größten digitalen Kulturerbearchiv über Syrien. Die Liste ist lang, und ich sage mal voraus: sie wird in den kommenden Jahren noch länger werden.

3. Beispiel unserer Ähnlichkeit = Auch Sie machen „Außenpolitik mit Mitteln“

Das Auswärtige Amt hat sich spätestens seit unserem Review 2016 dem Gedanken verschrieben, dass wir „Außenpolitik mit Mitteln“ brauchen.

Das DAI macht das genaugenommen seit Anfang an. Im Laufe der Jahre hat sich das DAI zum unverzichtbaren Partner in der internationalen Wissenschaftslandschaft und der Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik gemausert. So steht das DAI heute nicht nur für Exzellenz in der Forschung, sondern auch für ganz konkrete Vertrauensarbeit gegenüber Regierungen und Bevölkerung in den Ländern, in denen Sie zum Erhalt des kulturellen Erbes beitragen.

So schafft das DAI Rahmenbedingungen für politische Verständigung, so fördern Sie Krisenprävention und Konfliktbewältigung. Auch hier zwei Beispiele, beide ziemlich “cutting edge”:

Zum einen das “TransArea Network Africa (TANA)”, ergänzt durch das DFG Schwerpunktprogramm “Entangled Africa”. TANA beleuchtet das „vernetze Afrika“ unter den Aspekten Mobilität, Technik, Handel und stärkt so nebenbei deutsch-afrikanische Kooperation.

Zum anderen der Auftritt des DAI bei der letzten „langen Nacht der Ideen“ des AA. Dort haben Sie mit der Veranstaltung „Die Welt in Bewegung – Identität 4.0“ in der Schinkelschen Bauakademie hier schräg gegenüber der Öffentlichkeit zeigen können, welch identitätsstiftende Wirkung die Archäologie hat, gerade wenn digitale Revolution und Migration die Schlagzeilen beherrschen.

Sehr geehrte Damen und Herren,
Alle diese Beispiele zeigen: Archäologie hat schon lange nicht mehr nur was mit dem Heben alter Steine zu tun. Das DAI ist heute aktiver Zukunfts- und Politikgestalter, mit dem Ziel des Erhalts des „kulturellen Gedächtnisses“ der Menschheit. Das ist ein ganz schön dickes Brett. Daher möchte ich zum Schluss denjenigen danken, die hieran unermüdlich und voller Hingabe bohren: Ihnen, Frau Präsidentin, und allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, Forscherinnen und Forschern des DAI. Was sie da (und jetzt, liebe Abgeordnete, bitte ich die Ohren zu spitzen) mit gerade einmal 350 Kollegen und knapp 40 Millionen Euro Jahresbudget auf die Beine stellen, ist schlichtweg beeindruckend. Das hat auch just letzte Woche der Wissenschaftsrat des Bundes und der Länder noch einmal nachdrücklich gewürdigt. Ihnen gilt unser Dank und ich finde unser aller Applaus!

Dies ist ja ein Geburtstagsfest, daher möchte ich mit einem Versprechen und einem guten Wunsch enden. Das Versprechen lautet, dass das Auswärtige Amt dem Deutschen Archäologischen Institut bei der Vermessung der Welt weiter ein treuer Partner sein wird, hier in Berlin und draußen im Feld. Für den guten Wunsch greife ich auf mein großes Latinum zurück, und das obwohl ich vermutlich zu den 10% im Saal gehöre, die diese Sprache nicht fließend beherrschen: ad multos annos!

Vielen Dank.

Schlagworte

nach oben