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Gemeinsame Erklärung der Menschenrechtsbeauftragten Bärbel Kofler und des Französischen Botschafters für Menschenrechte François Croquette anlässlich des Strafprozesses gegen Osman Kavala

08.10.2019 - Pressemitteilung

Anlässlich der heute (08.10.) und morgen anstehenden Verhandlungen in den Strafprozessen gegen den renommierten türkischen Unternehmer und Stiftungsgründer Osman Kavala sowie den ehemaligen Vorstandsvorsitzenden der Türkei-Sektion von Amnesty International Taner Kılıç und die „Istanbul 10“ erklären die Beauftragte der Bundesregierung für Menschenrechtspolitik und humanitäre Hilfe im Auswärtigen Amt, Bärbel Kofler, und der Französische Botschafter für Menschenrechte, François Croquette, gemeinsam:

Die Situation von Zivilgesellschaft und Menschenrechtsaktivistinnen und -aktivisten in der Türkei beobachten wir weiterhin mit großer Sorge. Die bevorstehenden Gerichtstermine von Osman Kavala und seinen Mitangeklagten sowie Taner Kılıç und den „Istanbul 10“ verfolgen wir deshalb genau.

Deutschland und Frankreich erwarten die Einhaltung der rechtsstaatlichen Standards, zu denen sich die Türkei verpflichtet hat.

Die Entscheidung des Verfassungsgerichts zu Gunsten der ‚Akademiker für den Frieden‘ Ende Juli und die seither erfolgten Freisprüche begrüßen wir als ein erstes positives Signal, aber es ist an der Zeit für mehr gute Nachrichten aus der Türkei.

Hintergrund:

Der Leiter der türkischen Kulturstiftung Anadolu Kültür, Osman Kavala, ist seit dem 18.10.2017 inhaftiert. Nach fast 500 Tagen ohne Anklageschrift wurde Kavala gemeinsam mit 15 weiteren Personen u.a. wegen „versuchtem Umsturz der Regierung“ angeklagt. Die Staatsanwaltschaft fordert erschwerte lebenslange Haft. Die Anklage bezieht sich im Wesentlichen auf die als „Gezi-Proteste“ bekannten Demonstrationen des Jahres 2013, deren Planung und Vorbereitung sie den Angeklagten vorwirft. Neben dem Versuch, die Regierung zu stürzen, umfassen die Anklagepunkte u.a. das Führen gefährlicher Substanzen ohne Genehmigung, Beschädigung von Gotteshäusern und Friedhöfen, schwerwiegende Plünderung, schwerwiegende Körperverletzung und Sachbeschädigung. Neben Osman Kavala befand sich auch sein Mitangeklagter Yiğit Aksakoğlu in Untersuchungshaft. Diese wurde am ersten Verhandlungstag (25.06.2019) gerichtlich aufgehoben. Die Verhandlung am 8.10.2019 werden der französische Menschenrechtsbotschafter François Croquette sowie Andreas Görgen, Leiter der Abteilung für Kultur und Kommunikation im Auswärtigen Amt vor Ort beobachten.

Neben Osman Kavala richtet sich die Anklage gegen Yiğit Aksakoğlu, Ali Hakan Altınay, Ayşe Mücella Yapıcı, Ayşe Pınar Alabora, Can Dündar, Çiğdem Mater Utku, Gökçe Yılmaz, Handan Meltem Arıkan, Hanzade Hikmet Germiyanoğlu, İnanç Ekmekçi, Memet Ali Alabora, Mine Özerden, Şerafettin Can Atalay, Tayfun Kahraman und Yiğit Ali Ekmekçi.

Der ehemalige Vorstandsvorsitzende der Türkei-Sektion von Amnesty International, Taner Kılıç, wurde am 06.06.2017 in Izmir festgenommen, die Staatsanwaltschaft wirft ihm „Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung“ vor. Sein Verfahren wurde mit jenem gegen die sog. „Istanbul 10“ verbunden, zu denen auch die ehemalige Direktorin der türkischen Sektion von Amnesty International, Idil Eser und der deutsche Menschenrechtsaktivist Peter Steudtner gehören. Sie wurden am 05.07.2017 auf der Insel Büyükada vor Istanbul festgenommen. Dort hatten die Festgenommenen einen routinemäßigen Workshop für Menschenrechtsverteidiger veranstaltet. Die Staatsanwaltschaft wirft ihnen Mitgliedschaft beziehungsweise Unterstützung terroristischer Organisationen vor. Der nächste Verhandlungstag in ihrem Verfahren ist der 09.10.2019.

Anfang September 2019 endeten die Verfahren gegen einige ‚Akademiker für den Frieden‘ mit Einstellung oder Freisprüchen. Mehr als 2000 Professorinnen, Dozenten und Forscher hatten Anfang 2016 die Petition unterzeichnet, die das Vorgehen der Sicherheitskräfte gegen die Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) im Südosten der Türkei kritisierte. Das türkische Verfassungsgericht hatte am 26. Juli 2019 entschieden, dass die Verurteilung der Unterzeichner wegen „Terrorpropaganda“ gegen ihr Recht auf freie Meinungsäußerung verstößt.

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