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„Für offene Räume einsetzen“

Staatsministerin Michelle Müntefering

Staatsministerin Michelle Müntefering, © Ute Gabriel

09.04.2018 - Interview

Interview von Michelle Müntefering zu den Schwerpunkten ihrer künftigen Arbeit als Staatsministerin für Kultur im Auswärtigen Amt. Ausgestrahlt vom WDR 3.

Michelle Müntefering, Sie sind Staatsministerin für internationale Kultur im Auswärtigen Amt. Welche Parallelen sehen Sie zu der Arbeit von Monika Grütters, die das Amt der Staatsministerin für Kultur innehat?

Es gibt natürlich Überschneidungen. Kultur- und Bildungspolitik als Teil der Außenpolitik - das existiert ja schon seit 100 Jahren. Wegen des Kulturföderalismus ist die Position des Staatsministers für Kultur erst später geschaffen worden, nämlich 1998 unter Kanzler Gerhard Schröder. Der Gedanke dahinter war, dass die Kultur in der Hoheit der Bundesländer bleibt, es aber für nationale Fragen auch eine nationale Ansprechpartnerin gibt. Wir arbeiten natürlich eng zusammen. Hinzu kommt, dass internationale Kultur- und Bildungsbeziehungen mein Spezialfeld im Bundestag waren.

Trotz Zusammenarbeit muss man ja die Zuständigkeiten voneinander abgrenzen, oder?

Ja. Die internationale Kulturpolitik ist eine eigene Dimension der Außenpolitik. Neben der klassischen Diplomatie und den Wirtschaftsbeziehungen sind die Kultur- und Bildungsbeziehungen, die wir ins Ausland haben, die dritte Säule unserer Außenpolitik. Der Soziologe Ralf Dahrendorf hat davon gesprochen, dass wir von einer Außenpolitik der Geostrategie stärker zu einer Außenpolitik der Zivilgesellschaft kommen müssen. Da kann man ganz ohne Naivität hinzufügen, dass dieser offene Austausch der Gesellschaften sowie Kooperationen statt Dealmaking auch in unserem eigenen Interesse liegen.

Die Goethe-Institute sind ja traditionell dem Auswärtigen Amt unterstellt. Gibt es schon Pläne für neue Schwerpunkte?

Einer meiner Schwerpunkte ist die Unterstützung von verfolgten Künstlerinnen und Künstlern. Wir leben ja in einer Welt, die sich im Wettbewerb der Narrative befindet. Alle haben ihre eigenen Erzählungen - China, Russland, Amerika – gleichzeitig aber schrumpfen die Räume, in denen sich kritische Geister ausdrücken und bewegen können. Deswegen ist es ganz wichtig, dass man diejenigen unterstützt, die in diesen Freiheitsräumen arbeiten.

Außerdem muss der Jugendaustausch ausgebaut werden. Wir sprechen auch über einen wachsenden Antisemitismus und diskutieren darüber, ob es nicht Pflicht werden sollte, dass Jugendliche Gedenkstätten besuchen müssen. Ich bin der Auffassung, dass es eine Selbstverständlichkeit sein muss, aber aus meinem Wahlkreis im Ruhrgebiet weiß ich auch, dass viele Schulen sich das überhaupt nicht leisten können. Deswegen habe ich mich bei den Koalitionsverhandlungen dafür eingesetzt, dass wir ein Programm auflegen, das „Jugend erinnert“ heißen und so etwas ermöglichen soll.

Ein brisantes Thema ist die Provenienzforschung, in der es bisher um geraubtes jüdisches Eigentum geht. Monika Grütters hat in ihrer ersten Amtszeit das „Deutsche Zentrum Kulturgutverluste“ in Magdeburg gegründet, das für Betroffene im Ausland Ansprechpartner sein will. Inwiefern sehen Sie da Möglichkeiten einer Zusammenarbeit?

Insbesondere das Thema Koloniales Erbe ist im Koalitionsvertrag festgeschrieben. Das ist die Aufgabe des Auswärtigen Amtes und damit auch meine Aufgabe – dass wir die kulturelle Zusammenarbeit mit Afrika verstärken und auch einen stärkeren Kulturaustausch befördern. Entscheidend ist, dass wir das gemeinsam mit den betroffenen Ländern machen, und gerade da besondere Partnerschaften aufbauen, wo unsere Vorväter tiefe Verletzungen und großen Schaden angerichtet haben.

Im neuen Koalitionsvertrag wird die Vermittlung einer liberalen und weltoffenen Kultur unterstrichen. Was heißt das konkret?

Wir leben in einer Welt, in der Populismus auf dem Vormarsch ist. Wir wollen dem etwas entgegen setzen – den Gedanken der offenen Räume. Die großen gesellschaftlichen Fortschritte – das sage ich ganz bewusst als Sozialdemokratin – müssen wir in dieser Welt schützen und bewahren.

Das Gespräch führte Franziska von Busse für WDR 3 Kultur am Mittag.

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