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Coronavirus zeigt, „wie vernetzt die Welt mittlerweile“ ist

13.03.2020 - Interview

In Krisensituationen Landsleuten im Ausland schnell zu helfen - das ist die Aufgabe des Krisenreaktionszentrums. Im Interview mit dem Bundespresseamt erklärt Frank Hartmann, Leiter des Krisenreaktionszentrums, wie seine Arbeitseinheit auf das Coronavirus reagiert.

Frank Hartmann
Frank Hartmann© Auswärtiges Amt
Wie und wann kam es dazu, dass Sie sich im Krisenreaktionszentrum mit dem Coronavirus beschäftigt haben?

Im Krisenstab des Auswärtigen Amts (AA) beschäftigen wir uns seit Anfang Januar mit dem neuartigen Coronavirus. In der zweiten Januarhälfte stiegen die Fallzahlen in China dann sprunghaft an. Spätestens, als die chinesischen Behörden die Stadt Wuhan komplett abgeriegelt hatten, war klar: wir haben es hier mit einer komplexen Krise zu tun. Anfang Februar haben wir dann die ersten 124 Deutschen und ihre Familienmitglieder aus Wuhan mit einem Flug der Luftwaffe nach Hause gebracht.

Was ist die Aufgabe des Krisenreaktionszentrums in diesem Fall?

Unsere wichtigste Aufgabe ist es, in einer Krise den deutschen Landsleuten schnell zu helfen. Das können politische Krisen, Naturkatastrophen, Terroranschläge, Großschadensereignisse oder eben wie jetzt Gesundheitskrisen sein.

Wir sind zudem für die Reise- und Sicherheitshinweise verantwortlich, mit denen wir aktuell von Reisen in von der Epidemie besonders betroffene Risikogebiete abraten. Und wir tun es über unseren Bürgerservice, an den sich alle Bundesbürger telefonisch wenden können.

Wer arbeitet im AA-Krisenreaktionszentrum?

Das Krisenreaktionszentrum des AA stellt rund um die Uhr sicher, dass wir schnell auf Krisen reagieren können. Dazu verfügen wir über einen festen Kreis von Kolleginnen und Kollegen des AA sowie von mehreren Verbindungsbeamten anderer Ministerien und Sicherheitsbehörden. In einer Krise können wir durch einen Personalpool schnell aufwachsen und so auch die Botschaften vor Ort unterstützen.

Was passiert mit den Informationen, die Sie zusammentragen?

Zu allen Krisenländern haben wir die nötigen Basisinformationen in einer Krisenvorsorgedatenbank. Zudem erhalten wir alle Berichte der deutschen Auslandsvertretungen und auch Berichte anderer Behörden. Aus diesem Informationspool stellen wir für die politischen Entscheidungsträger im Auswärtigen Amt ein Lagebild samt Einschätzung zusammen. Sofern sinnvoll gehen diese Einschätzungen an die relevanten Ministerien oder auch das Bundeskanzleramt.

Wie arbeitet das AA-Krisenreaktionszentrum dem Krisenreaktionsstab von Bundesinnenministerium und Bundesgesundheitsministerium zu?

Das AA leitet den Krisenstab der Bundesregierung zu Auslandslagen, das heißt zu allen Ländern, die von der Krise betroffen sind. Wir sind zudem im Krisenstab Corona/COVID-19 des Bundesinnenministeriums und des Bundesgesundheitsministeriums vertreten. Dort bringen wir die Bewertung der internationalen Entwicklung ein und informieren über Probleme deutscher Staatsbürger im Ausland und deren Rückkehr nach Deutschland. Die Reise- und Sicherheitshinweise zu Krisenregionen spielen dort auch eine große Rolle, in letzter Zeit auch zunehmend die Reisebeschränkungen anderer Staaten gegenüber Reisenden aus Deutschland.

Wie unterstützen Sie die Behörden, Krankenhäuser etc. im Inland?

Unsere Zuständigkeit liegt insbesondere im Ausland, deswegen unterstützen wir vor allem dort, wo Deutsche im Ausland Hilfe benötigen oder deutsche Behörden Informationen aus dem Ausland benötigen. Im Falle der Rückkehrer aus Wuhan war zum Beispiel eine Quarantäneeinrichtung in Deutschland erforderlich, die nach gemeinsamen Bemühungen der Bundesregierung durch das Bundesverteidigungsministerium in Germersheim bereitgestellt wurde. Dazu haben wir uns eng mit den zuständigen Behörden in Deutschland abgestimmt.

Wie genau arbeitet das AA-Krisenreaktionszentrum aktuell mit internationalen Akteuren zusammen?

Da sich unsere Arbeit auf das Ausland bezieht, hat für uns die Zusammenarbeit mit internationalen Akteuren eine besondere Bedeutung. Mit den Botschaften verfügt das Auswärtige Amt über ein leistungsfähiges weltweites Netzwerk zur Informationsgewinnung und zur Hilfe vor Ort. So stehen wir mit den Regierungsstellen und zahlreichen Nichtregierungsorganisationen vor Ort im engen Kontakt.

Wo ist die Zusammenarbeit besonders eng?

Auf Hauptstadtebene stimmen wir uns regelmäßig mit der Krisenzelle des Europäischen Auswärtigen Dienstes sowie den Krisenreaktionszentren der EU-Partner ab. Besonders eng ist die Zusammenarbeit mit dem Centre de Crise et de Soutien im Außenministerium in Paris, wo auch ein deutscher Austauschbeamter arbeitet.

Könnten Sie das zum Beispiel an einem der Rückholflüge aus China beschreiben?

Es hat eine ganze Reihe von europäischen Rückholflügen aus Wuhan gegeben. Allein Frankreich ist dreimal geflogen und hat zweimal andere EU-Staatsangehörige mitgenommen. Wir haben dann unsere Landsleute in Paris abgeholt und nach Deutschland in die Quarantäneeinrichtung gebracht. Auch Großbritannien hat EU-Bürger aus China zurückgebracht, die dann von der Luftwaffe aus England abgeholt und über Berlin verteilt wurden. Ähnliches hat auch Italien für einige Passagiere der Diamond Princess aus Japan unternommen, die über Berlin ausgeflogen wurden.

Warum ist die internationale Zusammenarbeit so wichtig?

Das ist eine Frage der europäischen Solidarität. Wir helfen uns gegenseitig, weil nicht alle Staaten immer betroffen sind oder über die nötigen Kapazitäten verfügen. Gleichzeitig gilt aber auch, dass Quarantänebestimmungen innerhalb der EU im jeweiligen Land befolgt werden müssen. Ein Transport während der Quarantänezeit ist unter Infektionsschutzgesichtspunkten nicht sinnvoll.

Inwieweit ist die Bewältigung des Coronavirus aus Ihrer Sicht besonders?

Das Coronavirus breitet sich mit einer sehr hohen Geschwindigkeit aus. Während es anfangs um die Vermeidung einer Einschleppung des Virus aus dem Ausland ging, haben wir nun inländische Infektionsherde in Europa, die nur schwer unter Kontrolle zu bringen sind. Das beeinträchtigt zunehmend die internationalen Reiseverbindungen, nachdem mehrere Länder für Reisende aus Deutschland eine Quarantäne verfügt haben.

Was ist der Unterschied zu ähnlichen Krisenfällen zum Beispiel Ebola in Westafrika 2014/2015?

Ein zentraler Unterschied ist, dass das Coronavirus mitten in Europa angekommen ist. Dies zeigt deutlich, wie vernetzt die Welt mittlerweile geworden ist. Ebola war 2014 weitgehend auf Westafrika und 2019 auf die Demokratische Republik Kongo beschränkt. Allerdings war die Sterblichkeit bei Ebola mit 66 Prozent weitaus höher als die durch das Coronavirus verursachte. Die jetzige Krise ist aber mit mehr als 90 betroffenen Ländern weitaus umfassender.

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