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Rede von Außenministerin Annalena Baerbock beim Briefing zur 29. Weltklimakonferenz (COP29)
Wie Sie wissen haben wir gerade hohen Besuch in der Stadt.
Deswegen rausche ich hier so rein und rausche auch wieder raus.
Die Zeiten sind im wahrsten Sinne des Wortes stürmisch. Deswegen wurde der letzte Besuch des amerikanischen Präsidenten ja auch verschoben.
Zum Glück haben wir dieser Tage keine Stürme, weder in den USA noch bei uns.
Was nicht heißt, dass es nicht weltweit diese Katastrophen jeden Tag gibt.
Auch wenn wir kaum darüber berichten, weil es leider zur traurigen Selbstverständlichkeit geworden ist. Wir sehen seit Jahren und insbesondere in diesen Zeiten:
die Klimakrise hält sich an keinen Fahrplan, an kein Drehbuch und auch an keine Wahlkampfplanung.
In diesem Sinne danke ich, dass wir mit deutlichem Abstand vor unserem Wahlkampf und kurz vor dem US-Wahlkampf wieder unser Format des COP-Briefings hier gemeinsam im Weltsaal haben können.
Gemeinsam mit der Stiftung Klima und Wirtschaft, mit dem Deutschen Klimakonsortium, mit so vielen Expertinnen und Experten hier, mit so vielen Kollegen aus anderen Ressorthäusern.
Und natürlich mit meiner Staatssekretärin Jennifer Morgan und vielen internationalen Gästen. Ihnen und Euch allen ein herzliches Willkommen.
Wir wissen, dass Fluten und Erdrutsche gerade in Nepal Tausende von Menschen vertrieben und über 200 Menschen ihr Leben gekostet haben.
Aber es findet sich in kaum einer Zeitung. Weil es leider trauriger Alltag geworden ist.
Über 13.000 Waldbrände im Amazonas. Die höchste Zahl seit 20 Jahren.
Trotzdem irgendwie auch an uns vorbeigegangen.
Fluten in Brasilien, in Rio Grande do Sul, die im Juni über 400.000 Menschen vertrieben haben.
Bei uns waren angesichts des furchtbaren Leids im Nahen Osten vor allen Dingen Krieg und Krisen in unserer unmittelbaren Nachbarschaft in den Medien.
Den Hurrikan „Milton“ haben wir alle mitbekommen, unter anderem auch, weil der US-Präsident deswegen seinen Staatsbesuch abgesagt hat.
100.000 Menschen mussten fliehen. Schäden von wohl mehr als 50 Milliarden US-Dollar.
Das zeigt nicht nur, wie komplex, wie alltäglich die Klimakrise mittlerweile leider ist. Wie viel Leid sie bringt.
Es zeigt auch und darauf möchte ich heute fokussieren, dass diese Klimakrise auch vor den reichsten, den militärisch stärksten Kräften dieser Welt keinen Halt macht. Dass auch in den reichsten Volkswirtschaften die Schäden so groß sein können, dass sie innenpolitisch kaum übersehbare Folgen haben können.
Aber so furchtbar all das ist, glaube ich, es ist zugleich auch eine enorme Chance.
Das sage ich nicht nur, weil ich in diesen Zeiten so oft denke: Irgendwie muss das Glas doch halb voll sein und immer wieder damit ringe, selber eine Chance zu sehen, auch wenn man verzweifeln könnte.
Sondern weil ich es, gerade weil die Klimakrise jetzt so heftig zuschlägt und all diese Herausforderungen hervorbringt, wichtig finde, dass wir nicht vergessen, was wir erreicht haben. Dass wir eigentlich viel mehr erreicht haben, als wir uns vor zehn Jahren vorstellen konnten.
Viele von Ihnen, so wie ich, waren 2015, auf der Klimakonferenz in Paris. Und einige kennen meinen Witz schon, aber ich finde, er passt so gut:
Wir haben uns letztes Jahr in Dubai ein bisschen gestritten. Meine Fachleute, die aus dem BMU ja rüber ins Auswärtige Amt gekommen sind, und ich.
Ob die Worte „Erneuerbare Energien“ nun ein oder zweimal im Abschlussdokument von Paris vorkommen und ob es der Haupttext war oder in der Begleitentscheidung.
Norbert Gorissen hatte natürlich wie immer recht. Und es war in der Präambel des Abkommens selbst.
Aber dass wir das selbst jetzt nicht mehr wissen zeigt:
Es ist doch eigentlich unglaublich. Ein UN-Klimatext, in dem nur einmal „Erneuerbare Energien“ vorkommt.
Und ich sage das so, weil sich damals keiner vorstellen konnte, was wir heute haben:
dass 85 % der neuen Kraftwerke – und zwar nicht in Deutschland, damals der Vorreiter – sondern weltweit, nicht mehr von fossilen Energien betrieben werden, sondern von Erneuerbaren Energien.
Und das nicht, weil plötzlich alle Klimaschützer geworden sind, alle bei Umweltverbänden aktiv sind oder die Farbe meiner Partei tragen.
Sondern weil ganz viele Investoren gesagt haben, ansonsten investieren wir nicht.
Und ich glaube, das ist in diesen Krisenzeiten die allergrößte Chance und das, was gemeinsam geklappt hat.
Dass die Klimapolitik nicht mehr reine Umweltpolitik ist.
Im Wahlkampfsprech würde man sagen: nicht mehr Eisbären plakatiert werden, sondern Kraftwerke.
Weil sie Jobs schaffen.
Dass die Klimakrise – und das ist die Grundlage unserer Ampelregierung gewesen – quer durch alle Ressorts gedacht wird.
Weswegen wir im Auswärtigen Amt Klimaaußenpolitik machen. Weswegen im BMWK Klimaindustriepolitik gemacht wird. Weswegen im Umweltministerium Klimapolitik mit Blick auf die Auswirkungen von Biodiversität und Wasserschutz gemacht wird. Weswegen im Landwirtschaftsministerium Klimaschutzpolitik für Ernährungssicherheit gemacht wird. Weswegen im Verteidigungsministerium Klimaschutzpolitik aufgrund von Sicherheitspolitik gemacht wird.
Und das haben zum Glück ja nicht nur wir erkannt, sondern viele andere Staaten auf dieser Welt.
Dass die Klimakrise nicht nur die größte Sicherheitsgefahr, sondern auch die größte Sicherheitschance ist.
Wir hatten bei der Berlin Climate and Security Conference eine Powerpoint-Präsentation, die deutlich gemacht hat, dass bei einer vier-Grad-Welt 1,8 Milliarden Menschen zusätzlich von Ernährungsunsicherheit betroffen wären.
Und wenn Menschen nichts mehr zum Essen haben, dort wo sie leben, dann machen sie sich auf die Flucht.
Und in einer zwei-Grad-Welt wären es ggü. den heutigen Zahlen zusätzliche 189 Millionen Menschen. Also der Unterschied zwischen zusätzlichen 189 Millionen Menschen von Ernährungsunsicherheit betroffenen zu 1,8 Milliarden Menschen. Und das bei zwei Grad Unterschied.
Das macht aus meiner Sicht deutlich, warum diese Anstrengungen so wichtig sind. Weil wir die Welt, die mit Blick auf diese Hurricanes, diese Überschwemmungen aus den Fugen geraten ist, wenn wir es gut machen in der Klimapolitik, auch wieder stabilisieren können.
Und darum möchte ich heute ein bisschen kreisen, weil uns das auch nach Baku leitet:
In Baku geht es natürlich auch um das, was wir uns als EU vorgenommen haben: um Minderungsziele. Darauf werde ich am Ende noch mal eingehen, weil wir ja hier auf einer Fachkonferenz sind.
Aber das ist mittlerweile eine Selbstverständlichkeit.
In Baku wird es aus meiner Sicht vor allen Dingen darum gehen, ob wir das Einmalige schaffen, was wir in Dubai geschafft haben.
Dass es nicht mehr darum geht, ob man aus einem G7-Land oder einem G77-Land kommt. Sondern entscheidend darum geht, wenn wir über Texte verhandeln, ob man auf derjenigen Seite steht, die sagt: wir wollen diese Krise gemeinsam in den Griff bekommen und dabei unsere regelbasierte internationale Ordnung stärken.
Oder wir denken nur national, in unseren eigenen Interessen, sehr kurzfristig. Auch weil wir die internationale regelbasierte Ordnung zerstören wollen.
Und wir haben in den letzten Jahren mehrfach gesehen, dass es da, und zwar themenübergreifend, eine Allianz gibt.
Die haben wir in Dubai gesehen, wo rund 130 Staaten am Ende gesagt haben: Wir machen das jetzt und wir wollen das jetzt und wir reisen nicht ab, bevor das nicht klappt. Das hat man auf jeder Klima-Konferenz davor auch gesagt: wir reisen nicht ab, bevor das klappt.
Aber an dem Punkt waren wir dort. Wo gesagt wurde, wir wollen das Ende der fossilen Welt besiegeln.
Und nicht mehr danach geschaut wurde: Ist das eine Land, das G-77 im Hintergrund beeinflusst, oder das eine starke industriepolitische Land dafür? Sondern wie schaffen 130 Staaten am Ende ein Ergebnis, das alle mittragen.
Und ganz analog dazu vor ein paar Wochen in New York, als es um die Vereinten Nationen ging. Als es darum ging in New York im Auftrag des Generalsekretärs einen Pakt für die Zukunft zu schaffen.
Da hat sich eine ähnliche Gruppe wieder zusammengefunden. Die war ein bisschen größer als diese 130 Staaten. Es waren rund 170 Staaten, die auch gesagt haben:
Uns trennt so viel. Die einen sind bei G20 dabei, die anderen sind ein Entwicklungsland.
Aber der Kern war: Wir wollen gemeinsam die internationale, regelbasierte Ordnung verteidigen.
Wir sehen, dass die Klimakrise unsere größte Gefahr ist.
Und wir wollen Menschen aus der Armut holen.
17 Länder wollten das verhindern, und sie können sich abzählen, wer das war.
Aber auch sie haben es nicht geschafft. Und das wollen wir jetzt nach Baku weitertragen. An einen Ort, der nicht nur einfach ist. Da gibt es auch ein paar andere Themen, die man gerade mit Blick auf Krieg und Frieden nicht nur diskutieren könnte, sondern die wir parallel dazu diskutieren müssen.
Das wird unsere Aufgabe für Baku sein, weil es eben nicht nur um Klimapolitik, sondern weil es um große geopolitische Fragen geht.
Ich habe bereits angesprochen, dass die Frage von Ernährungssicherheit eine der zentralen Fragen ist mit Blick auf den Klimaschutz.
Das gleiche gilt für die Klimakrise als Konfliktverschärfer. In Somalia haben wir das gerade in diesen Zeiten wieder erlebt, nach der längsten Dürre in der Geschichte des Landes. Und dann kamen noch die starken Überflutungen, wurden die Lebensmittel knapp. Also wieder diese Frage von Ernährungssicherheit.
Und dann ist es eben kein Zufall, dass just in diesem Moment Milizen, islamistisch getriebene Milizen, in ihren Regionen, wo sie die Hoheit haben, plötzlich Steuern erheben. Um kurz danach zu sagen: Wer seine Steuern nicht eintreiben oder bezahlen kann, der muss auch in der Miliz mitkämpfen.
Deutlicher kann nicht sichtbar werden, dass, wenn wir diese Lebensmittelbedrohung, die Klimakrise nicht in den Griff bekommen, dann werden wir die Gefahr von Extremismus, von regionalen Konflikten, wo Menschen gezielt missbraucht werden, weil sie ansonsten nicht mehr überleben können, auch nicht in den Griff bekommen.
Das Gleiche sehen wir bei einem weniger dramatischen, aber genauso stark geopolitischen Abhängigkeitspfad. Bei kleinen Inselstaaten, insbesondere im Pazifik. Da gibt es kleine Staaten, die sich lange Zeit mit der Klimakrise alleingelassen gefühlt haben. Weil gesagt wurde – natürlich nicht von mir, aber so war oftmals die Meinung auch auf Klimakonferenzen: „Na gut. Ob da nun ein Inselstaat untergeht oder nicht, das ist jetzt nicht unsere größte geopolitische Herausforderung.“
Die Frage, was mit diesen Inselstaaten passiert, kann aber zu einer sehr, sehr großen geopolitischen Frage werden. Wenn man sich nämlich anschaut, wo diese Inseln eigentlich liegen. In der Nachbarschaft von Neuseeland und Australien. Wir waren vor einigen Monaten gerade da. Da wurde mir erklärt, und zwar von den Nachrichtendiensten einiger dieser Länder vor Ort:
„Jetzt gucken Sie mal diese Inselkette hier an. Dann gucken Sie mal, wo die USA sind, dann gucken Sie mal, wo wir sind und dann gucken Sie mal, wo Pearl Harbour ist.“
Und dann denkt man plötzlich: Aha, deswegen Tuvalu, ja.
Was man irgendwann mal vorher in der Zeitung gelesen hat, dass China jetzt in einigen Pazifischen Inselstaaten große Infrastrukturprojekte startet.
Und wenn man sich dann die Inselkette einmal anschaut und sich überlegt:
Ja, stimmt. Einige dieser Inselstaaten haben vor ein paar Jahren gesagt, wir bräuchten dringend Unterstützung. Und zwar nicht beim Klimaschutz, raus aus den Fossilen, sondern bei Anpassung, bei Loss and Damage. Weil wir ansonsten hier unser Land nicht mehr erhalten können.
Da muss man rückblickend sagen, das haben vielleicht auch wir nicht früh genug erkannt, dass das mittlerweile eine geopolitische Frage ist.
Zum Glück kann ich für Deutschland sagen, und jetzt nicht als Eigenlob für diese Bundesregierung, für diese Außenministerin, dass Deutschland immer gesehen hat, aus klimapolitischen Gründen, aber auch aus sicherheitspolitischen Gründen, dass wir nicht einfach sagen können: Ihr seid so weit weg, das sind jetzt nicht unsere Sorgen.
Sondern dass wir so viel Vertrauen auch in der Region genießen, dass wir gemeinsam mit den Inselstaaten darüber sprechen können:
Passt vielleicht ein bisschen auf, ob jedes Infrastrukturprojekt hier wirklich ein Projekt ist zur Unterstützung der Menschen vor Ort. Ob jedes „Warehouse for Humanitarian Aid“ wirklich Humanitarian Aid beinhaltet. Oder ob die Polizei, die gleich mitgebracht wird, um das Warehouse zu schützen, im Zweifel vielleicht gar nicht gegen den Hurrikan eingesetzt werden soll, sondern für ganz andere Maßnahmen.
Und dieses Zusammendenken wieder. Da kann man sagen: alles ganz furchtbar und ganz schlimm.
Ich glaube aber, es eröffnet uns auch eine große Chance. Jedenfalls uns hat sie die Chance eröffnet, als wir vorgeschlagen haben, dass wir auch eine Vertretung auf Fidschi haben sollten. Dass nicht alle nur gesagt haben: Was wollt Ihr jetzt in Fidschi? Manche Zeitungen haben das geschrieben.
Aber viele politische Akteure haben gesagt: sehr gute geopolitische Idee. Und wir deutlich machen konnten: Es ist auch in unserem Interesse, dass wir dort vertreten sind.
Und das Gute war, dass die Inselstaaten und gerade auch das Pacific Island Forum vor Ort gesagt hat: Ja, Euch Deutschen vertrauen wir. Weil ihr wart nicht erst da oder habt Euch das mit der Botschaft erst überlegt, seitdem China hier auch seine Vertretungen verstärkt hat. Sondern Deutschland ist ein verlässlicher Partner seit Jahren, um nicht zu sagen Jahrzehnten, bei unserer größten Sicherheitsgefahr. Und die heißt nicht, ein größerer Nachbar, sondern die heißt, Klimakrise. Und auf dieses Vertrauen, das wir seit Jahrzehnten genießen, auch darauf können wir geopolitisch weiter aufbauen.
Ein zweiter Punkt, den man negativ, aber ich finde auch positiv sehen kann, ist im geopolitischen Kontext:
dass sich jetzt durch das Bekenntnis auf der letzten COP, das Ende des fossilen Zeitalters ist da, die Frage von fossilen Mächten ein bisschen anders stellt.
Natürlich gibt es da immer noch viel Reichtum, aber es gibt eben andere Länder, die Ressourcen haben. Nicht Öl, Kohle und Gas, sondern zum Beispiel Lithium oder andere Rohstoffe, die man gerade im Bereich der sauberen Energien braucht.
Diese Länder der neuen Clean Economy, wo viele auch in Afrika liegen, die können hier eine Chance erhalten, wenn wir es gut machen und nicht nur aus eigenen nationalen Interessen denken. Sondern gemeinsam sicherheitspolitisch denken. Eben nicht in diesen alten Blöcken – jetzt guck mal die G7- oder G20-Staaten, die sich ihre Pfründe am besten sichern können. Sondern wie können wir G77-Staaten dabei helfen, diese Ressourcen gemeinsam zu nutzen?
Und zugleich, weil wir als starke Industriestaaten, wir in Europa, aber auch als ein Industriestaat wie die USA, gerade spüren:
Es geht nicht nur darum, anderen zu helfen, sondern wenn wir Klimaschutz weltweit machen, dann ist das auch der beste Eigenschutz.
Weil, wie wir in den USA gesehen haben, die Schäden bei uns so groß werden, dass sie auch die stärkste Wirtschaftsmacht kaum mehr bezahlen kann.
Weil das Verständnis von Klimapartnerschaften nicht mehr ist: Wir Europäer, wir sogenannten Westler, helfen jetzt mal dem globalen Süden. Sondern es eine wirkliche Energiepartnerschaft sein kann, im gegenseitigen Interesse und im gegenseitigen Nutzen.
Wir haben in Europa erleben müssen, dass es uns im letzten Jahr fünf Milliarden gekostet hat, nur die Überschwemmung von Flüssen zu meistern. Die Waldbrände im letzten Jahr alleine zwei Milliarden Euro.
Die USA haben im letzten Jahr 28 Klimakatastrophen erlebt, die jeweils über 1 Milliarde Dollar Schäden im Schnitt verursacht haben. Das sind im Schnitt zwei Desaster pro Monat.
Daher ist dieses Aufbrechen von alten Blöcken kein Zufall, auch innenpolitisch, bei uns im Bundestag. Ich kenne nur noch eine Partei, die sagt: Den Klimawandel gibt es gar nicht. Das hat sich vor zehn Jahren auch anders angehört.
Aber auch in den USA ist es nicht mehr richtig zu sagen: Die einen wollen was gegen den Klimawandel tun und die anderen leider nicht.
Ich war auf meinen Reisen auch viel in Texas. Und genau dort kann man das erleben:
dass der Gouverneur vor Ort eben nicht sagt: das mit den Erneuerbaren, da brauchen Sie mir gar nicht von anfangen.
Sondern zahlreiche Unternehmen, gerade auch zahlreiche deutsche Unternehmen, sind mit Blick auf Green Technology in Texas vor Ort. Und auf diese Arbeitskräfte vor Ort, auf Unternehmen, die Arbeitskräfte schaffen, kann niemand verzichten.
Und auch hier schließen sich dann plötzlich Kreise. Wenn wir auf die Wahlen vielleicht in Zukunft gucken. Dass deutsche Unternehmen, die in Texas in Klimaschutz investieren, vielleicht ein entscheidender Sicherheitsbeitrag sein könnten mit Blick auf die künftige US NATO-Präsenz in Deutschland.
Weil ich bei meinen Diskussionen über Ammoniak, über die Frage, was ist das Potenzial der Erneuerbaren, dann auch mal habe fallen lassen, dass ich mich wirklich freue, dass so viele deutsche Unternehmen vor Ort sind. Nur falls das in der Ukraine anders laufen sollte als derzeit, wo wir als Europäer, als NATO versuchen alles zu tun, dass Russland diesen Krieg nicht gewinnt. Dass ich, falls das anders verlaufen sollte, weil die NATO nicht mehr stark genug ist, weil die USA nicht mehr in der NATO so engagiert sein können, mir kaum vorstellen kann, dass große Unternehmen wie Siemens oder andere dann so engagiert sein können, in Texas Arbeitsplätze auszubauen, weil wir dann sehr stark damit beschäftigt sind, Europa und Deutschland zu schützen.
Das heißt dieses Thema auch immer wieder zu sehen als ein Thema, was ganz stark in bilaterale Beziehungen, und das nicht nur klimapolitische bilaterale Beziehungen reingeht, sondern auch in sicherheitspolitische Beziehungen.
Auch zwischen uns Europäern und den USA ist das aus meiner Sicht eine Chance. Eine Chance, weil andere auf der Welt, die ein bisschen die Nase voll davon haben, wenn wir Europäer jetzt mal auf Klimakonferenzen erzählen wie es denn so geht, uns mittlerweile gezeigt haben, dass sie im Zweifel schneller sind. Das ist gut für die, aber schlecht für uns, weil wir lange gedacht haben: Super, wir waren immer Vorreiter in der Klimapolitik, dann werden wir auch bei allen Technologien Vorreiter sein.
Wir sehen aber zum Beispiel, dass wenn wir nach Kenia schauen oder nach Chile, wir mit unseren tollen- und im europäischen Vergleich sind das tolle - Zahlen beim Ausbau der Erneuerbaren nicht so prahlen können. Weil diese beiden Länder schon vorgemacht haben, wie man enorm hohe Zuwachsraten bei den Erneuerbaren erzielen und dies als Basis für grüne Industrialisierung nutzen kann.
Und dafür stehen die Klimapartnerschaften, die ich bereits angesprochen habe, für uns als Bundesregierung, für uns als Auswärtiges Amt, gemeinsam mit den anderen Ressorts.
Klima- und Energiepartnerschaften, in denen wir gegenseitig lernen können. Wir haben über 30 bilaterale Klimapartnerschaften mittlerweile beschlossen. Die erschöpfen sich nicht darin, bei manchen Ländern, die eben noch keine Erneuerbaren aufgebaut haben, mit Investitionen dort anzufangen. Sondern sie gehen so weit, dass aus bilateralen Partnerschaften zunehmend Netzwerke werden, zum Beispiel bei unserer Just Transition Partnerschaft mit Südafrika.
Die am Anfang alles andere als einfach war. Gerade auch, weil die geopolitischen Fragen das noch mal durchkreuzt haben vor zweieinhalb Jahren, wo es dann noch darum ging, wer eigentlich die NATO ist.
Aber durch viel Vertrauen und Verlässlichkeit ist uns das gelungen - vor allen Dingen durch eine Partnerschaft in dem Verständnis, dass sich nicht nur die Hauptstädte mal treffen. Sondern dass ich als deutsche Außenministerin viel über unsere Erfahrungen, über die Lausitz in Kapstadt spreche.
Weil zu sagen: „Also Deutschland kriegt das schon hin. Da müsst ihr nur mal uns folgen in Südafrika.“ Das ist kein überzeugendes Argument. Sondern auf die Frage „Wie sollen wir denn unseren Beschäftigten hier erklären, wie die Arbeitsplätze gesichert werden?“ eine Antwort zu geben. Ich sage dann, das wird nicht einfach. Bei uns war es auch nicht einfach.
Und dann von der Lausitz zu sprechen und ehrlich darüber zu sprechen, dass wir da am Anfang auch härteste Kämpfe ausgetragen haben, dass wir selber verstehen und lernen mussten, dass Klimaschutz und Umweltpolitik und starke Gewerkschaften keine Gegensätze sind, sondern dass man die beste Klimapolitik nur gemeinsam mit Gewerkschaften machen kann. Dass man in Regionen, wo die Frage von Strukturwandel nicht nur positiv behaftet ist, zusätzlich ganz viel über Identität reden muss, dass man darüber reden muss, welche weiteren Infrastrukturprojekte es gibt.
Und natürlich müssen wir dort dann auch darüber reden, dass die Lausitz vieles auch mit finanzieller Unterstützung geschafft hat. Auch das dürfen wir nicht kleinreden.
Und genau diesen Dialog versuchen wir gemeinsam mit Südafrika in die Wege zu leiten. Und jetzt ist es nicht nur so, dass wir mit Blick auf Südafrika auf einem guten Arbeitsweg sind. Sondern dass wir drumherum ein Netzwerk bilden konnten, die Accelerated Partnership for Renewables in Africa, ein Netzwerk, in dem führende Energiewendeländer aus Afrika mit Wirtschaftsvertreterinnen und Investoren zusammenarbeiten. Genau in dem Verständnis, dass es um Wirtschaft, um Wachstum, um Wohlstand in der Region geht.
Und erst diese Woche sind beim APRA Investment Forum in Kenia internationale Regierungsvertreterinnen und Investoren und Firmen wie Siemens Energy zusammengekommen, um genau diese Projekte voranzubringen. Und das wollen wir auch in Baku noch einmal deutlicher unterstreichen: Wir machen sehr viel Textarbeit mit Blick auf Minderungsziele, die wir dort erreichen wollen. Aber wir sind auch dankbar, dass viele der Unternehmen, die heute hier sind, wieder auch in Baku dabei sind, damit wir genau diesen Austausch von „Wie kann es denn funktionieren?“ „Wer sind die Investoren?“ „Wie sind die Partnerschaften?“ genauso wie auf großen Messen in den letzten Jahren gemeinsam voranbringen können.
Und es gilt auch bei diesen Verhandlungen, dass wir nur durch Vertrauen andere Partner überzeugen können. Die schwierigste Frage letztes Jahr in Dubai an mich, an uns war: „Können Sie versprechen, dass das auch bei uns funktioniert? Dass was in der Lausitz funktioniert hat auch in Südafrika funktioniert?“
In diesen Zeiten verspreche ich sowieso gar nichts mehr. Ich hätte mir niemals vorstellen können, dass der Aggressionskrieg zurück nach Europa kommt. Aber mit Südafrika ist es dann noch ein bisschen leichter, weil man sagen kann: Schauen Sie, wir haben das so gemacht mit unseren Gewerkschaften. Wir haben ein ähnliches Gesellschaftsmodell, auch wenn die Herausforderungen auch anders sind.
Anders ist es mit sehr kleinen Ländern, wo selbst hier im Raum nicht jeder wüsste, wo sie auf der Landkarte liegen. Das ist es eben was anderes, wenn diese Partner sich wünschen, dass ein deutscher Investor kommt und wir mal hier einmal rumfragen würden, wer möchte denn gerne auf Palau oder Tuvalu oder auf anderen Inselstaaten investieren? Deswegen ist die Frage von Implementierung so zentral.
„How to bring the grid on the ground?“ Wie bauen wir die Netze wirklich konkret aus? Wer leistet diese Infrastrukturmaßnahmen?
Das ist etwas, das wird uns auch in Baku wieder intensiv beschäftigen. Denn wenn wir darauf keine Antworten geben können und das war, glaube ich, Jennifer, eine unserer wichtigsten Erkenntnisse letztes Jahr und in den Vorjahren, aber gerade letztes Jahr, dann sind manche Länder einfach nicht bereit, bei Minderung mitzuziehen. Auch wenn man sagt „es ist doch in eurem Interesse, wenn wir uns darauf verpflichten, weiter zu mindern“, dann aber gesagt wird „Aber wenn ihr uns nicht sagt, wie das gehen soll, dann können wir nicht nach Hause reisen“.
Und ich finde, auch das ist wieder wichtig: Jeder hat seine nationale Innenpolitik. Wenn ich aus einer Klimakonferenz zurückkomme, dann wird oft die Frage gestellt: „Ach so, Sie haben da weitere Millionen und Milliarden versprochen. Woher wollen Sie das eigentlich bezahlen, angesichts der Schuldenbremse und wenn Sie sparen müssen?“
Und als Politikerin muss man dann darauf eine Antwort haben. Und so ist es natürlich auch für andere Länder. Wenn wir von anderen Ländern erwarten ein neues Minderungsziel festzulegen und die dann nach Hause reisen und nicht sagen können, wie man das denn eigentlich umsetzt, wer denn die Investoren sind. Dann ist auch der beste Politiker, insbesondere in einer Demokratie, in der man auch abgewählt werden kann, im Zweifel nicht bereit, einfach mal so zu unterschreiben.
Das ist für uns einer der treibenden Motoren, gerade als europäische Staaten. Nämlich das ganze Kapitel Minderung, wo wir natürlich wieder mit ambitionierten Zahlen als Europäische Union jetzt nach Baku fahren.
Erstens durch unsere eigene Glaubwürdigkeit. Dass wir da sehr selbstbewusst sagen können: Ja, wir haben selber geliefert.
Im ersten Halbjahr 2024 haben wir in Deutschland 62 % unseres Stroms aus Erneuerbaren gewonnen. 2030 sollen es 80 % sein. Damit sind wir nicht spitze. Aber wir sind vorne mit dabei. Und man kann uns nicht vorwerfen, wir würden von anderen etwas einfordern und es selber nicht leisten.
Das gilt insbesondere auch, und das ist mir wichtig, für die Kohleverstromung, weil durch den kurzen Einstieg während des Beginns des Russlandkrieges, dieses Narrativ weltweit verbreitet worden ist, wir seien in den Ausbau der Kohleverstromung wieder eingestiegen. Das Gegenteil ist der Fall. Die Kohleverstromung ist um weitere 20 % zurückgegangen, und wir haben 15 Kohlekraftwerke ebenfalls im ersten Halbjahr 2024 abgeschaltet. Wir wollen das natürlich gemeinsam weiter fortsetzen, auch mit Blick auf unseren Energieverbrauch. Auch wenn wir alle wissen Energieeffizienz ist das, wo wir noch weiter kräftig was leisten müssen.
Und zweitens wollen deutlich machen, dass das mit unseren führenden Unternehmen funktioniert. Und zwar nicht nur im Strom-, im Energiebereich, sondern gerade in der Industrie, wie zum Beispiel mit unseren Stahlkraftwerken, der Salzgitter AG, einem der ältesten deutschen Stahlhersteller, der 2018 als erstes Unternehmen weltweit ein wasserstoffbasiertes Verfahren zur Stahlproduktion vorgestellt hat. Das sind die Angebote, die wir anderen Ländern machen können.
Das Gleiche gilt für MAN Energy Solutions mit Blick auf den Schiffsverkehr. Auch da wissen wir: Schiffs- und Flugverkehr, auf der COP in Paris war das noch eines dieser No-Go Themen, weil man nicht wusste, wie man das überhaupt klimaneutral in die Zukunft bringen kann.
Und der dritte Punkt ist dann natürlich wie immer das Geld. Und auch da müssen wir ehrlich sein: Wir sind ein sehr reiches Land. Allein für die Lausitz haben wir Milliarden in die Hand genommen. Wir unterstützen auch diese großen Unternehmen, Stahlhersteller, damit sie diese Transformation schaffen können. Deswegen gehört für uns zur Ehrlichkeit dazu, dass, wenn wir auf den Klimakonferenzen mit anderen darüber sprechen, wie sie ihre Klimabeiträge leisten, können wir immer auch sagen, was wir dazu selber beitragen können. Und da stehen Industrieländer in der besonderen Pflicht. Daher sind die Finanzinstrumente in den letzten Jahren immer wichtiger geworden. Und sie sind auch, das erleben wir in den letzten Jahren, eines der zentralen geopolitischen Themen.
Wir brauchen uns bei G20 gerade in Brasilien, aber auch bei anderen gar nicht mehr blicken zu lassen, wenn wir nicht in der Lage sind, über Klimafinanzierung zu reden.
Denn es steckt darin natürlich eine sehr tiefe Ungerechtigkeit. Und die wurde rückblickend nicht von allen Industriestaaten jederzeit anerkannt. Nicht nur, dass unser eigener Wohlstand bekanntermaßen auf unseren CO2-Emissionen gewachsen ist, sondern die Finanzinstrumente sind, mit Blick auf Weltbank und IWF, eben auch sehr transatlantisch geprägt, um es mal sehr diplomatisch zu sagen. Bei denen sich die Logik eingeschlichen hat: bei dem einen haben immer die Amerikaner den Vorsitz, und bei dem anderen die Europäer. Dass das sehr, sehr viele sehr ungerecht finden, das ist nachvollziehbar. Dass wir nicht früher darauf reagiert haben, ist jetzt vergossene Milch. Aber deswegen gehört für uns nicht nur zu einer ehrlichen Klimapolitik, sondern zu einer ehrlichen Geopolitik eben dazu, dass wir bei der Frage von Finanzierung und Investitionen gerade auch die Reform der Finanzinstitutionen immer mitdiskutieren.
Aber wenn wir auch hier über die Chancen sprechen wollen, dann können wir zeigen, dass wir natürlich unseren Beitrag leisten. Sie wissen das. Wir haben im vergangenen Jahr fast 10 Milliarden Euro für die internationale Klimafinanzierung bereitgestellt und mobilisiert. Davon alleine 5,7 Milliarden Euro aus öffentlichen Haushalten oder öffentlichen Mitteln. Es war Deutschland zusammen mit Kanada, das insbesondere dazu beigetragen hat, dass wir das alte Versprechen von Kopenhagen von 100 Milliarden Klimafinanzierung durch die Industriestaaten endlich erfüllt haben.
Aber wir wissen auch: Das Ganze reicht nicht. Und deswegen heißt für uns, ehrlich über Klimafinanzierung zu sprechen, auch zu sagen, und das haben wir in den letzten Jahren begonnen und wir werden es intensiv fortsetzen: Die jetzigen großen und finanzstarken Emittenten müssen mit einsteigen.
Es kann nicht sein, dass wir allein auf die historische Verantwortung abstellen. Deswegen habe ich persönlich auch die Golfstaaten, China, an andere große Emittenten angesprochen: wir wissen, was unsere historische Verantwortung ist. Deswegen stellen wir unsere Gelder immer wieder. Und hier sind wir als deutsche Vorreiter auch als Erste bereit. Aber ihr müsst euren Beitrag auch leisten.
Und das Gute ist, und das meine ich mit dem Aufbrechen der alten Blöcke: jetzt haben wir das Vertrauen da, dass wir kein Land alleine im Regen stehen lassen, wenn es mit seinen sicherheitspolitischen Themen kommt. Deswegen konnten wir vor zwei Jahren in Ägypten und dann insbesondere letztes Jahr auf der COP erreichen, dass endlich der Loss and Damage Fund nicht nur aufgestellt wurde, sondern dass viele Staaten gesagt haben: und hier können wir jetzt die neue Finanzarchitektur zeigen. Mehr Länder zahlen ein, und zwar nicht nur öffentliche Gelder. Und die Auszahlung erfolgt gerechter, nämlich an die Länder, die wirklich betroffen sind und an die Länder, wo ein Wirbelsturm mal eben das ganze BIP kaputt macht, sodass man keine Krankenhäuser und Schulen mehr finanzieren kann.
Und auch das ist, glaube ich, wieder die Chance auf eine neue Gerechtigkeit. Weil die Welt eben anders aussieht als 1992.
Und wenn wir in diesen Gedanken diese Klimakonferenz weiter gemeinsam vorantreiben, dann wird die Welt leider, das ist die bittere Realität, nicht morgen ein perfekter Ort sein.
Dann wird es leider auch weiterhin diese großen globalen Krisen und Konflikte geben.
Aber wir können deutlich machen, dass nicht nur das Eintreten für jedes Zehntelgrad Reduzierung zählt, weil es Menschenleben rettet, weil es ökonomisch günstiger ist, weniger wiederaufbauen zu müssen, weil es wirtschaftlich Sinn macht, sondern auch, weil es unser bester Sicherheitsschutz ist.
Und wir haben in diesem Sinne aus meiner Sicht bereits einen wichtigen positiven „Kipppunkt“ erreicht. So wie wir leider im negativen Sinne durch zu langsames Handeln in den nächsten 20, 30 Jahren Kipppunkte im Ökosystem riskieren zu erreichen, so haben wir in den letzten Jahren einen positiven Kipppunkt erreicht: keine der führenden Industrienationen kann sich leisten, zurück in eine fossile Welt zu gehen. Dafür wurde in die neue Welt schon viel zu viel investiert. Die Stranded Investments, die das mit sich bringen würden, machen es uns jetzt möglich, darauf aufzubauen.
Und egal, wie viel uns trennt zwischen manchen Staaten: uns wieder zu vergegenwärtigen, dass wir nicht nur gemeinsam das beste Bündnis gegen die Klimakrise sind, weil CO2 keine Grenzen kennt, sondern dass wir gemeinsam auch die regelbasierte Ordnung zusammenhalten können.