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Rede von Staatsminister Niels Annen vor dem Bundestag zur Debatte über die Fortsetzung der deutschen Beteiligung an der EU-geführten EU NAVFOR Somalia Operation ATALANTA zur Bekämpfung der Piraterie vor der Küste
Die Sicherheit auf den Weltmeeren ist – lassen Sie mich das auch als Hamburger sagen – ein hohes Gut und für Deutschland nicht nur als Exportnation von strategischer Bedeutung.
Seit 2008 leistet die EU-Marineoperation ATALANTA daher ihren Beitrag zur Sicherheit auf den Weltmeeren und zur Stabilität am Horn von Afrika. Ebenso lange beteiligen sich daran deutsche Soldatinnen und Soldaten mit Schiffen, Luftfahrzeugen und Führungspersonal. Es ist also auch wesentlich ihr Verdienst, dass die Schiffe des Welternährungsprogramms der Vereinten Nationen und der Mission der Afrikanischen Union in Somalia (AMISOM) 2020 in allen Fällen sicher ihr Ziel erreicht. Und die Piraterie vor der Küste Somalias wurde in den letzten Jahren dank konsequenter Maßnahmen der internationalen Gemeinschaft wirksam zurückgedrängt.
Im vergangenen Jahr habe ich an dieser Stelle betont, dass die jährliche Verlängerung unseres militärischen Engagements kein Automatismus sein darf. Schon damals war klar, dass sich ATALANTA weiterentwickeln muss, um mit der aktuellen Bedrohungslage Schritt zu halten.
Denn: Die Piraten sind eben nicht einfach verschwunden. Ihre Netzwerke haben sich umorientiert auf andere „Geschäftsfelder“: Die einstigen Piraten sind nun als Waffenhändler, Drogenschmuggler, Schleuser und Schlepper tätig. Mit ihren Aktivitäten verletzen sie das Waffenembargo, das der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen in Bezug auf Somalia verhängt hat. Sie schmuggeln zudem in großem Stil Drogen über den Indischen Ozean nach Ostafrika, von wo sie weiter nach Europa transportiert werden. Dadurch tragen die kriminellen Netzwerke mittelbar auch zur Finanzierung terroristischer Organisationen wie al-Shabaab in Somalia bei. Der Einsatz der internationalen Gemeinschaft bleibt daher entscheidend, um diese Bedrohung für die Stabilität der gesamten Region weiterhin zu bekämpfen.
Vor diesem Hintergrund hat der Rat der Europäischen Union im Dezember zur künftigen Ausrichtung von ATALANTA zweierlei beschlossen: Erstens bleibt der Schutz der Transporte der AMISOM und des Welternährungsprogramms vor Piratenangriffen unverändert die Kernaufgabe von ATALANTA. Denn wenn wir hier nachlassen, müssen wir mit einem raschen Wiederaufleben der Piraterie am Horn von Afrika rechnen. Zweitens wird die Operation künftig einen Beitrag zur Durchsetzung des Waffenembargos der Vereinten Nationen gegen Somalia und zur Bekämpfung des Drogenschmuggels im Seegebiet am Horn von Afrika leisten sowie ein umfassendes Lagebild über die Erscheinungsformen der maritimen Kriminalität erstellen.
Die Bundesregierung hat die Einführung dieser Sekundäraufgaben nachdrücklich unterstützt. Wir wollen uns mit Kräften der Bundeswehr an allen durch die EU mandatierten Aufgaben der Mission beteiligen. Im Rahmen der angestrebten Mandatierung durch den Bundestag wollen wir den deutschen Beitrag anpassen. Neben Personal im Operationshauptquartier ist künftig die temporäre Beteiligung mit im Einsatzgebiet befindlichen Marineeinheiten vorgesehen. Diese Anpassung macht es möglich, die Obergrenze von 400 auf 300 Soldatinnen und Soldaten abzusenken.
Deutschland wird damit auch weiterhin einen maßgeblichen Beitrag zur maritimen Sicherheit am Horn von Afrika leisten, ein Beitrag, der dem ausdrücklichen Wunsch der Staaten der Region entspricht und der sich einordnet in das koordinierte Engagement von mehr als 30 Nationen, die in diesem Seegebiet mit Marineeinheiten präsent sind. Während dieser Beitrag unverzichtbar bleibt, müssen wir gleichzeitig anerkennen, dass die tieferen Ursachen für Gesetzlosigkeit auf See an Land liegen und nur dort nachhaltig angegangen werden können.
Die Rahmenbedingungen sind denkbar herausfordernd. Die innenpolitische Lage in Somalia bleibt angespannt, der politische Reformprozess stockt nicht zuletzt auch aufgrund weiterhin verschobener Wahlen, die staatlichen Strukturen sind fragil, die Lage am Horn von Afrika volatil. Infolge der COVID-19-Pandemie, der Auswirkungen des Klimawandels und der wieder auftretenden Heuschreckenplage bleibt die humanitäre Situation kritisch und droht sich zu verschlechtern. Knapp 6 Millionen Menschen – ein Drittel der Bevölkerung in Somalia – sind auf Hilfe angewiesen.
Die Entwicklung Somalias zu einem friedlichen und stabilen Staat bleibt eine Langzeitaufgabe, der wir uns in einem umfassenden, international abgestimmten Unterstützungsansatz stellen.
Dazu gehören Maßnahmen zur Unterstützung des Föderalisierungsprozesses und die Förderung von Demokratie und Rechtsstaat genauso wie Beiträgen zur inklusiven Gestaltung der Wahlen. Ferner tragen wir durch gezielte Mediation und Unterstützung von Versöhnungsprozessen in lokalen Konflikten zur Stabilisierung bei. Auch unser Engagement für von Krisen und Katastrophen in Somalia betroffene Menschen in Form von Humanitärer Hilfe setzen wir fort. Und wir leisten gemeinsam mit unseren europäischen Partnern wichtige Beiträge, um die somalischen Sicherheitskräfte darauf vorzubereiten, schrittweise die Verantwortung für die Sicherheit des Landes und der Bevölkerung zu übernehmen – nicht zuletzt im Bereich maritimer Sicherheit, wo in den Bereichen maritimer Verwaltungsbehörden und beim Aufbau von Hafenpolizeien wichtige Fortschritte erzielt wurden.
Für all diese Maßnahmen bleibt ATALANTA im Sinne einer Rückversicherung auf See unerlässlich. Im Namen der Bundesregierung bitte ich Sie daher um Ihre Zustimmung zur Fortsetzung der deutschen Beteiligung an dieser Operation.
Vielen Dank.