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Außenministerin Annalena Baerbock bei der Konferenz „Sustaining Peace amidst the Climate Crisis“
Die Klimakrise bedroht unsere Welt, unser aller Leben.
Viele von Ihnen wissen dies schon seit Jahren.
Für viele von uns in Deutschland wurde das letztes Jahr nur allzu deutlich, als tödliche Überschwemmungen in unserem Land fast zweihundert Menschen das Leben kosteten.
Aber für Millionen von Männern, Frauen und Kindern auf der ganzen Welt ist die Klimakrise schon seit langer Zeit gefährliche Realität.
Bei meinem Besuch in der Sahelzone vergangenen Monat erzählten mir mutige Frauen in Mali und Niger, wie Dürren und extreme Wetterereignisse ihren Lebensunterhalt bedrohen.
In Niger, nördlich von Niamey, standen wir in einer schier endlosen Ebene, wo vor etwa 60 Jahren Baumwolle gedieh. Dorfbewohner haben uns berichtet, dass die Bäume dort früher so dicht beieinander standen, dass man kaum mehr als 20 Meter weit sehen konnte. Als wir dort waren, reichte unser Blick ungehindert bis an den Horizont. Alles, was wir sehen konnten, war verkrustete, unfruchtbare rote Erde – von Dürren, Erosion und extremen Regenfällen verhärtet.
Wenn man in der sengenden Hitze bei 45 °C auf diesem Boden steht, wird man gewahr, was der Klimawandel für die Menschen in diesen Dörfern bedeutet:
Für sie und für viele Menschen auf der ganzen Welt wird die Klimakrise nicht in Prozentsätzen und Emissionszielen gemessen.
Für sie bedeutet die Klimakrise, dass eine Mutter nicht weiß, was sie ihren Kindern morgen zu essen geben kann.
Sie bedeutet, dass ein Bauer Sorge hat, dass sein Sohn sich extremistischen Gruppen anschließen könnte, da seine Einkommensquelle versiegt ist.
Und diese Krise wird nun durch Russlands Krieg in der Ukraine noch verschlimmert, denn die Lieferausfälle treiben Nahrungsmittelpreise in Regionen in die Höhe, in denen die Menschen bereits jetzt schwer leiden.
Es ist ein Sturm vielfältiger Krisen, der über die Bevölkerung in der Sahelzone und andere verletzliche Regionen dieser Welt hinwegfegt.
Die Klimakrise steht im Zentrum dieses Sturms und wirkt wie ein Multiplikator, der es noch schwieriger macht, andere Krisen durchzustehen.
Daher müssen wir den Kampf gegen die Klimakrise auch ins Zentrum unseres politischen Handelns stellen.
Bei der letzten Klimakonferenz in Glasgow hat sich die Welt darauf geeinigt, die weltweiten Emissionen bis 2030 um 45 % zu senken, um das 1,5‑Grad‑Ziel zu erreichen.
Entscheidend ist nun, die nächste Klimakonferenz in Ägypten zu nutzen, um dieses ehrgeizige Unterfangen vollständig in die Tat umzusetzen.
Vor diesem Hintergrund haben wir eine Sonderbeauftragte für internationale Klimapolitik eingesetzt: Jennifer Morgan, die ebenfalls bei dieser Konferenz dabei ist.
Jennifer wird mit ihren Kolleginnen und Kollegen in Berlin und unseren Botschaften die zentrale Schaltstelle für den Aufbau von Klimapartnerschaften und Dialog mit Ländern auf der ganzen Welt bilden – um Wissen auszutauschen, Technologie zu teilen und in diesem tosenden Sturm Resilienz aufzubauen. Denn angesichts der einschneidenden und raschen Maßnahmen, die jetzt nötig sind, um die Klimakrise einzudämmen, müssen wir weltweit gemeinsam agieren.
Aber zur Wahrheit gehört ehrlicherweise auch – wie wir in Regionen wie der Sahelzone sehen können –, dass es nicht ausreichen wird, die Krise einzudämmen. Einige Schäden werden dauerhaft sein.
Daher müssen wir Menschen auch bei der Anpassung an Klimaschäden helfen. Und dabei, Klimarisiken zu reduzieren.
Deshalb wird sich die heutige Konferenz mit Frühwarnung und Risikoanalyse befassen sowie mit der Frage, warum diese so wichtig sind:
Wissenschaftliche Analysen, „Big Data“, künstliche Intelligenz – all das mag abstrakt und technisch klingen – und ein bisschen nach „Nerd“.
Aber es handelt sich um Werkzeuge, die tatsächlich Leben retten können:
Wenn wir wissen, wo und wann extreme Wetterereignisse wahrscheinlich auftreten werden, können wir unsere Reaktion darauf besser ausrichten – nicht nur, um rückblickend wieder aufzubauen, sondern um proaktiv zu schützen:
Wenn wir vorhersagen können, dass an Orten wie dem Golf von Guinea der Meeresspiegel steigt, können wir die Evakuierung der Menschen von den Küsten planen, bevor es zu spät ist.
Wenn Datenauswertungen zeigen, wo genau Nahrungsmittel aufgrund einer schweren Dürre in Somalia voraussichtlich knapp werden, können wir unsere Nothilfe viel wirksamer vorbereiten.
Frühwarnmechanismen und Risikoanalysen können – im wahrsten Sinne des Wortes – als Gradmesser für eine akute Krise dienen und uns helfen, Leben zu retten.
Deshalb schärfen wir diese Werkzeuge.
In Niger beispielsweise verwenden VN‑Experten hochauflösende Satellitendaten und künstliche Intelligenz, um Standorte für Schulen zu ermitteln, die weniger anfällig für Stürme oder Starkregen sind.
In Zentralasien unterstützt Deutschland die Überwachung von Gletschern – um Überschwemmungen und Veränderungen der Wasserressourcen vorherzusagen.
Und – deshalb sind Sie alle hier – haben wir PREVIEW hier im Auswärtigen Amt aufgebaut, eine zielgenaue Datenanalyseplattform. Mithilfe künstlicher Intelligenz werten unsere Kolleginnen und Kollegen Milliarden von Datenpunkten aus, um gewalttätige Konflikte, politische Trends und Klimaveränderungen vorherzusagen und zu analysieren. Eine Methode, die mir erklärt wurde, ist das „Text Mining“. Das bedeutet, dass wir beispielsweise Tausende von der VN‑Generalversammlung verabschiedeter Resolutionen filtern, um zu verstehen, wie sich das Abstimmungsverhalten von Ländern entwickelt.
PREVIEW ist ein interdisziplinäres Analyseinstrument, das in seiner Größe und seinem Anspruch innerhalb der Bundesregierung einzigartig ist und das eine Brücke schlägt - zwischen Wissenschaftlerinnen und Politikern, zwischen Wissenschaft und Politik. Und ich glaube, dass das Auswärtige Amt genau der richtige Ort dafür ist – denn Datenanalyse ist der Schlüssel zum Verständnis und zur Bewältigung unserer globalen Herausforderungen.
Eins ist klar: In Sachen Risikobewertung werden wir am wirksamsten sein, wenn wir zusammenarbeiten.
Wir sind nicht die einzigen, die so denken. ECOWAS, die Wirtschaftsgemeinschaft westafrikanischer Staaten, verfügt über das wegweisende regionale ECOWARN-Netzwerk.
Ich freue mich, dass Finda Koroma, Vizepräsidentin von ECOWAS, heute bei uns ist. Herzlich willkommen in Berlin!
Wir müssen unsere Kräfte bündeln – in regionalen Formaten, in den Vereinten Nationen. Aber auch in der G7 – denn ich bin der Ansicht, dass reiche Industrieländer, die dieser Klimakrise maßgeblich Vorschub geleistet haben, eine besondere Verantwortung für den Kampf gegen die Klimakrise haben.
Es stimmt – die Krise betrifft uns alle überall auf der Welt. Aber sie betrifft uns nicht alle gleichermaßen. Die Klimakrise trifft die Schwächsten am stärksten.
Klimaschutz ist eine Frage der globalen Gerechtigkeit.
Deshalb werden wir unsere G7‑Präsidentschaft nutzen, um eine globale und alle Seiten einbeziehende Initiative zum Thema „Klima, Umwelt, Frieden und Sicherheit“ ins Leben zu rufen.
Wir müssen unseren Worten Taten folgen lassen.
Deshalb haben wir auch große Anstrengungen unternommen, um uns letztes Jahr gemeinsam mit den Vereinten Nationen und engen Partnern auf den Complex Risks Analytics Fund zu verständigen: um Finanzkraft und Know-how zu bündeln. Eine der ersten Maßnahmen, die wir finanziell unterstützen, ist ein umfassender Datensatz zu Konfliktereignissen – wie Terroranschlägen, Unruhen und Protesten –, der wöchentlich aktualisiert wird und weltweit zugänglich ist.
Unsere Priorität ist klar: zusammenarbeiten, um Wissen auszutauschen und rechtzeitiges Handeln und rasche Schutzmaßnahmen vor Ort zu unterstützen.
Diese Konferenz ist ein wichtiger Schritt auf diesem Weg: ein Raum, um Wissen auszutauschen und um Entscheidungsträgerinnen, Wissenschaftler und Praktikerinnen miteinander zu vernetzen.
Wir wollen von denjenigen unter Ihnen hören, die am unmittelbarsten von der Klimakrise betroffen sind – sei es durch steigende Meeresspiegel, extremes Wetter oder häufige Dürren.
Es ist eine große Ehre, dass heute Herr Minister Kofe aus Tuvalu bei uns ist, ebenso wie Herr Botschafter Amolo aus Kenia und Herr Minister Hean aus Singapur. Ein herzliches Willkommen Ihnen allen!
Ich möchte auch unseren US-Partnern danken, die diese Konferenz gemeinsam mit dem PREVIEW-Team unseres Hauses ausrichten. Wir freuen uns auf die Erkenntnisse von John Kerry, des Sonderbeauftragten des US-Präsidenten für Klimafragen, der in wenigen Minuten zu uns sprechen wird.
Ja, bei dieser Konferenz geht es um Daten, um Analytik und wissenschaftliche Werkzeuge, um künstliche Intelligenz.
Aber es geht auch und vor allem um die Menschen hinter den Daten – um die Männer, Frauen und Kinder, für die die Klimakrise nichts Abstraktes ist, sondern eine Sorge, die sie in ihrem täglichen Leben begleitet
- wie die Frauen in Mali und Niger, die sich um ihren Lebensunterhalt und die nächste Mahlzeit ihrer Kinder sorgen;
- wie die Bäuerinnen und Bauern, die die harte Erde nicht bearbeiten können.
Daten und wissenschaftliche Analysen ermöglichen es uns, unserer Zukunft besser vorbereitet und mit offenen Augen entgegen zu sehen, und sie helfen uns, gemeinsam Leben zu schützen.