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Rede von Außenministerin Annalena Baerbock im Deutschen Bundestag zur Fortsetzung des Einsatzes bewaffneter deutscher Streitkräfte in der NATO-geführten maritimen Sicherheitsoperation Sea Guardian
Sicherheit im südlichen Mittelmeerraum hat für Deutschland und für Europa eine herausragende Bedeutung. Die Region leidet an Gewalt und Konflikten, was ganze Staaten destabilisieren kann. Das haben wir in den vergangenen Jahren gerade in Libyen gesehen, wo aktuell die politischen Lager wieder gefährlich auseinanderdriften. Das ist fatal für die Menschen vor Ort in der Region. Solche Instabilität schafft Rückzugsräume für Terroristen und Kriminelle unmittelbar an der Südgrenze der Europäischen Union und der NATO, in einer Meeresregion, über die ein Drittel des globalen Warenhandels und ein Viertel aller weltweiten Öltransporte fließen. Deshalb handeln wir gemeinsam mit unseren Partnerinnen und Verbündeten, um in dieser Region für Stabilität und Frieden zu sorgen.
Ein Baustein unseres Engagements ist dabei die Operation Sea Guardian der NATO. Die Schiffe und Flugzeuge der Operation erstellen Lagebilder und überwachen den Seeraum. Darüber hinaus hat die Operation die besondere Befugnis, verdächtigte Schiffe anzuhalten und zu kontrollieren. Sea Guardian hat damit eine starke, vor allen Dingen präventive Wirkung gegen Waffenschmuggler, gegen kriminelle Netzwerke und gegen Terroristen.
Diese Wirkung haben ich wie auch meine Fraktion in der Vergangenheit immer unterstützt. Sicherlich wird - ähnlich wie beim Irak-Mandat - gleich wieder der Einwand kommen: Aber Sie haben damals mit Nein gestimmt. Das stimmt. Das hat meine Fraktion und das habe auch ich persönlich getan, nicht aber, weil wir die Ziele dieses Einsatzes nicht geteilt haben, - und ja, ich finde es wichtig, auch so etwas genau zu erklären, und zwar sehr transparent -, sondern: Unsere wichtige Verantwortung als Parlamentarierinnen und Parlamentarier ist, dass wir Bundeswehreinsätze grundsätzlich mit Blick auf die Ziele, mit Blick auf den Sinn und Zweck dieser Mandate, aber eben auch mit Blick auf die Rechtsgrundlagen und vor allen Dingen in der Verantwortung, dass Mandate immer klar, präzise und vor allen Dingen eng gefasst sein müssen, mandatieren. In diesem Sinne evaluieren wir.
Bei dieser neuen Bundesregierung ist neu: In diesem Sinne evaluieren wir alle Mandate, ganz unabhängig davon, wie die Regierungsfraktionen früher abgestimmt haben. Das haben wir beim Irak-Mandat getan, und das machen wir jetzt auch beim Sea-Guardian-Mandat. Das ist Ausdruck von außen- und sicherheitspolitischer Verantwortung, meine sehr verehrten Damen und Herren.
In diesem Sinne hat diese Bundesregierung das Mandat überarbeitet. Erstens. Das neue Mandat ist jetzt in seinem Einsatzgebiet klar begrenzt. Es umfasst nur noch das Mittelmeer ohne die Küstenmeere. Das ist wichtig. Denn es bedeutet, dass einem Einsatz in Küstenmeeren von Staaten, die nicht NATO-Mitglied sind, zukünftig nicht nur der Nordatlantikrat und der jeweilige Staat zustimmen müssen, sondern auch der Deutsche Bundestag. Das ist eine wirkliche Veränderung dieses Mandates. Zweitens. Wir haben das Mandat nun präzisiert, und zwar mit Blick auf den Kapazitätsaufbau von Anrainerstaaten, den sie vorher mit in diesem Mandat hatten. Das haben wir jetzt aus diesem Mandat gestrichen, weil es vollkommen offen ließ, was das eigentlich bedeutet und was auf dieser Grundlage getan wird. Deswegen ist dieses Mandat an dieser Stelle jetzt präzise gefasst. Drittens. Wir haben es an die Einsatzrealität angepasst. Das heißt, die Mandatsobergrenze haben wir auf 550 Soldatinnen und Soldaten abgesenkt, denen ich auch an dieser Stelle herzlich danken möchte.
Wie gesagt, damit endet unsere Aufgabe nicht, sondern wir werden diese Mandate immer wieder evaluieren. Auch das ist außen- und sicherheitspolitische Verantwortung. Wenn sich die Lage sich vor Ort verändert, wenn die Rahmenbedingungen nicht mehr stimmen, dann müssen wir auch selbstkritisch sagen: Wir müssen Änderungen an unserem Mandat vornehmen.
Darüber hinaus - und da bin ich dem Kollegen Koob von der Union dankbar, weil er das bei der vorangegangenen Debatte über den Südsudan deutlich gemacht hat - kann es eine militärische Antwort allein niemals geben, sondern Sicherheit ist immer komplex, und deswegen müssen unsere Antworten auch komplex und politisch umfassend sein. Das betrifft ganz besonders die Region Nordafrika und den Nahen Osten.
Aus diesem Grund arbeiten wir an diplomatischen Lösungen für die Konflikte in der Region. Im politischen Prozess in Libyen bleiben wir als Deutsche Bundesregierung - das möchte ich an dieser Stelle sehr deutlich sagen - engagiert; denn es gab ja in den vergangenen zwei Jahren positive Entwicklungen. Jetzt ist es unsere Verantwortung, dass diese positiven Entwicklungen nicht zurückgedreht werden.
Wir müssen verhindern - auch das gehört zu einer verantwortungsvollen Außen-, aber auch zu einer verantwortungsvollen Sicherheitspolitik -, dass Konflikte überhaupt entstehen bzw. dass sie weiter eskalieren. In diesem Sinne - ja, auch das ist neu - haben wir gerade in der Klimaaußenpolitik eine besondere Verantwortung; denn die Klimaaußenpolitik ist auch Sicherheitspolitik. Der Kampf um Wasser wird eine der zentralen Gefahren in der Region in den nächsten Jahrzehnten sein.
In diesem Sinne stärken wir die Arbeit der Zivilgesellschaft und die Arbeit derjenigen Regierungen, die sich dieser globalen Menschheitsherausforderung stellen. Ein Beispiel dafür sind unsere Ta’ziz-Partnerschaften, mit denen wir in Tunesien und im Libanon Rechtsstaatlichkeit und Demokratie fördern. Wir treten entschieden für Menschenrechte und die Rechte von Frauen ein. Auch das möchte ich hier einmal sehr explizit in die rechte Richtung des Plenums sagen. Wir hatten heute ja interessante Debatten zum Internationalen Frauentag in diesem Raum. Frauenrechte sind Menschenrechte und ein Gradmesser für den Zustand von Demokratien und vielleicht auch von politischen Parteien. In diesem Sinne habe ich nicht nur heute im Bundestag, sondern auch beim meinem Besuch in Ägypten deutlich gemacht, wie wichtig die Einhaltung von Menschenrechten, Rechtsstaatlichkeit und eben auch Frauenrechten für Kooperation zwischen Staaten ist.
In diesem Sinne werden wir uns weiterhin verlässlich im Mittelmeer engagieren: als Bündnispartner im Rahmen von Sea Guardian, im Rahmen der multilateralen Zusammenarbeit zur Stärkung von Frieden und Stabilität für die Menschen in der Region. Ich bitte um die Unterstützung zu diesem Mandat.
Herzlichen Dank.