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Rede von Außenministerin Annalena Baerbock im Deutschen Bundestag zur Verlängerung des Anti-IS Mandats
Die Zustimmung des Bundestages zu Auslandseinsätzen der Bundeswehr ist nie eine Selbstverständlichkeit. Es ist als hohes Gut aus der deutschen Geschichte erwachsen, dass wir in Deutschland eine Parlamentsarmee haben, und das ist uns allen immer bewusst. Das gilt auch für das Mandat zur Teilnahme der Bundeswehr am internationalen Militäreinsatz gegen den sogenannten „Islamischen Staat“ und zur Stabilisierung des Iraks.
Ausgangspunkt dieses Einsatzes war das furchtbare Wüten der IS-Terrororganisation in Irak und Syrien ab Sommer 2014. IS-Terroristen eroberten damals ganze Landstriche, große Städte wie Sindschar oder Mossul. Dort terrorisierten sie die Zivilbevölkerung, ganz besonders die Gruppe der Jesiden. Männer und selbst minderjährige Jungen wurden erschossen, Frauen verschleppt, viele versklavt und vergewaltigt - einige von ihnen sind immer noch nicht zurück - und Kinder als Sklaven oder Kindersoldaten missbraucht.
Das unterstreicht, wie wichtig der Kampf gegen den „Islamischen Staat“ für die internationale Sicherheit ist. Wie es der VN-Sicherheitsrat in seinen Resolutionen deutlich gemacht hat, ist er es auch für die Menschen im Irak selbst und für die Stabilität in der Region.
Gleichzeitig ist es kein Geheimnis, dass meine Fraktion und auch ich persönlich dem Anti-IS-Mandat des Bundestages 2015 und in den Jahren danach nicht zugestimmt haben. Grund dafür war nicht unsere Ablehnung der Ziele des Einsatzes, sondern unsere Bedenken zu seiner damaligen rechtlichen Basis.
Die neue Bundesregierung hat das Mandat nun überarbeitet. Ich danke vor allen Dingen der Verteidigungsministerin Christine Lambrecht für die vertrauensvolle Zusammenarbeit dabei, und ich werbe, sehr verehrte Damen und Herren, für Ihre Zustimmung zu diesem nun deutlich überarbeiteten Mandat.
Erstens wird der Einsatz jetzt auf den Irak fokussiert. Syrien als Einsatzgebiet haben wir gestrichen. Das ist eine deutliche Änderung. Mit dem erneuten und deutlichen Wunsch der irakischen Regierung nach einer Fortsetzung des Einsatzes der Bundeswehr steht der neue Mandatstext auf einer klaren völkerrechtlichen Grundlage. Daneben ist der Bundeswehreinsatz von den einschlägigen Resolutionen des UN-Sicherheitsrates und Artikel 51 der Charta gedeckt.
Zweitens sieht dieses Mandat - und ja, das ist neu - eine umfassende und inklusive Evaluation des Einsatzes in dem kommenden Mandatszeitraum vor. Damit setzen wir erstmalig die Vereinbarung unseres Koalitionsvertrages um, alle Bundeswehrauslandseinsätze zu evaluieren. Wir verlängern das Mandat bis zum 31. Oktober 2022 und kehren damit zum ursprünglichen Turnus einer Mandatsverlängerung im Herbst zurück.
Drittens - das ist wichtig - braucht der Irak weiterhin unseren zivilen und militärischen Beistand.
Wir sehen dort einerseits nicht zuletzt auch dank internationaler Unterstützung positive Entwicklungen. Die Wahlen im vergangenen Oktober waren die sichersten und freiesten in der Geschichte des Landes. Die Fortschritte der irakischen Sicherheitskräfte haben es erlaubt, die internationale Militärpräsenz weiterzuentwickeln. Die Mission der internationalen Anti-IS-Koalition und der amerikanische Militäreinsatz werden von einem Kampfeinsatz zu einer Beratungs- und Unterstützungsmission umgebaut.
Andererseits - das sage ich auch sehr deutlich - ist klar: Trotz dieser Erfolge steht der Irak weiterhin vor großen Herausforderungen. Das haben die tragischen Anschläge der vergangenen Nacht in Bagdad noch einmal unterstrichen. Einige Akteure versuchen, die Regierungsbildung mit Raketenangriffen auf diplomatische Vertretungen und Anschläge auf Parteibüros zum Entgleisen zu bringen. Auch wenn der IS seit 2017 kein Gelände mehr im Irak beherrscht, bleibt er eine Gefahr. Wo der irakische Staat oder die Autonome Region Kurdistan die Sicherheitsverantwortung nicht wahrnehmen, handeln Terroristen aus dem Untergrund und sind zu komplexeren Anschlägen in der Lage. Dieser terroristischen Bedrohung müssen wir weiter entgegentreten.
Dreh- und Angelpunkt ist dabei unser vernetzter Ansatz. Unser Bundeswehreinsatz bleibt eingebettet in ein starkes ziviles Engagement. Seit 2013 hat Deutschland im Irak fast 3 Milliarden Euro für humanitäre Hilfe, Stabilisierung und Entwicklungszusammenarbeit investiert.
Meine Damen, meine Herren,
um dieses zivile Engagement abzusichern, braucht es weiterhin auch militärische Mittel. Deshalb wäre die Verlängerung des vorliegenden Mandates ein wichtiges Signal an unsere Partnerinnen und Partner im Irak, an unsere alliierten Freunde, dass Deutschland auch unter der neuen Bundesregierung ein verlässlicher Bündnispartner bleibt, und vor allen Dingen an die Kinder, an die Männer und an die Frauen, die nach 2014 im Irak so fürchterlich unter der Terrorherrschaft des IS gelitten haben. Ich bitte um Ihre Unterstützung.
Herzlichen Dank.