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Rede von Staatsminister Niels Annen vor dem Deutschen Bundestag in der Debatte zur Verlängerung der UN-Friedensmission in Südsudan (UNMISS)

15.03.2018 - Rede

Geschätzte Frau Präsidentin!
Meine sehr verehrten Damen und Herren!
Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Ich glaube, es geht Ihnen so wie mir. Wenn man sich mit der Lage im Südsudan auseinandersetzt, braucht man gute Nerven. Das seit sieben Jahre unabhängige Land geht in das fünfte Bürgerkriegsjahr. Ich glaube, man muss einige Aspekte dieses Konfliktes hier einmal darstellen.

Erstens. Die humanitäre Lage hat sich weiter verschlechtert. Das sagt sich so leicht; aber wer sich mit der Lage auseinandersetzt hat, der kann sich das kaum vorstellen. Wir zählen 2,5 Millionen Flüchtlinge in den Nachbarstaaten und 2 Millionen Binnenvertriebene im Südsudan selber. Das, meine Damen und Herren, ist die drittgrößte Flüchtlingskatastrophe weltweit. Es ist die schlimmste Katastrophe in Afrika seit dem Genozid in Ruanda.

2018 werden 7 Millionen Menschen auf humanitäre Hilfe angewiesen sein. Dass die Konfliktparteien und gerade auch die Regierung den Helferinnen und Helfern immer wieder Steine in den Weg legen, ist eine Katastrophe. Allein im letzten Jahr sind 28 von ihnen ums Leben gekommen. Dieses Verhalten der Regierung, aber auch der Konfliktparteien insgesamt ist inakzeptabel. Meine Damen und Herren, eine weitere Zahl ist erschreckend, und sie illustriert das Ausmaß der Katastrophe: 2 Millionen Kinder im Südsudan gehen wegen dieses Konflikts heute nicht zur Schule.

Der zweite Punkt: Die Menschenrechtslage insgesamt ist - das dokumentiert auch ein Bericht der Vereinten Nationen - geprägt von Verletzungen der elementarsten humanitären Grundsätze. Es herrscht ein Klima der Straflosigkeit. Auch die Presse, die Öffentlichkeit, die Zivilgesellschaft, vor allem die Menschenrechtsverteidigerinnen und Menschenrechtsverteidiger sind enorm unter Druck. Ethnische Gewalt wird gefördert und ganz gezielt als politisches Instrument eingesetzt.

Der dritte Aspekt ist vielleicht ein Aspekt, der ein bisschen Optimismus zulässt. Die Regionalorganisation IGAD hat es - auch mit der Unterstützung der Bundesregierung - geschafft, endlich alle Konfliktparteien an einen Tisch zu bekommen. In zwei Verhandlungsrunden im Dezember und im Februar tagte ein hochrangiges Revitalisierungsforum, das im Grunde genommen den Versuch unternommen hat, die unterschiedlichen Konfliktparteien ins Gespräch einzubinden. Und, ja, es gibt jetzt einen Waffenstillstand, aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie wissen auch: Er ist brüchig, und er wird auch verletzt, manchmal sogar täglich.

Die Bundesregierung verfolgt in enger Abstimmung mit ihren Partnerinnen und Partnern einen integrierten Ansatz zur Stabilisierung des Landes. Die Mission, über die wir heute diskutieren, UNMISS, ist ein Instrument, das in diesen Bemühungen eine zentrale Bedeutung bekommt.

Wir bekämpfen die humanitäre Katastrophe; darauf habe ich hingewiesen. Die Vereinten Nationen erwarten, dass die im Südsudan humanitär tätigen Organisationen allein in diesem Jahr 1,72 Milliarden Dollar benötigen, um konkrete humanitäre Hilfe zu leisten. Ich will für diejenigen, die sich nicht täglich damit auseinandersetzen, noch einmal sagen: Dabei geht es nicht um den Wiederaufbau, nicht um die Finanzierung langfristiger Strukturen; es geht um Hilfe zum Leben und zum Überleben. Die Bundesregierung hat dafür seit 2016 fast 170 Millionen Euro bereitgestellt, allein in diesem Jahr 19 Millionen Euro. Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Bundesregierung steht zu diesem Engagement. Sie wird dieses Engagement fortsetzen - und das, wenn ich das so sagen darf, ist angesichts der Lage auch dringend nötig.

Warum rede ich bei der Debatte über UNMISS über die humanitäre Hilfe? Das hat einen einfachen Grund: Ohne UNMISS ist die Absicherung der Helferinnen und Helfer nicht möglich. Ohne UNMISS wären 200 000 Menschen - das ist die geschätzte Zahl, die uns vorliegt - in den Schutzzonen, die die Vereinten Nationen bereitstellen, schutzlos der Gewalt ausgeliefert. Aber auch in der Fläche ist UNMISS vertreten - dort, wo es möglich ist, wo es die Sicherheitslage zulässt. Auch das, liebe Kolleginnen und Kollegen, unterstützen wir.

Uns geht es um die konkrete Verbesserung der Menschenrechtslage - ich habe auf den UN-Bericht hingewiesen -; es geht aber auch um die politischen Konsequenzen. Wir kennen das aus vielen anderen Konflikten auch: Straflosigkeit ermuntert die Gewaltakteure, sich weiter auf diese brutale Kriegsführung zu konzentrieren. Deswegen ist ein wichtiges Signal, dass wir - das ist eine Initiative, die wir seit vielen Jahren nicht nur im Südsudan, sondern beispielsweise auch in Syrien unterstützen - dokumentieren, welche Verbrechen begangen werden. Damit soll deutlich werden, dass auch nach einer möglichen friedlichen Entwicklung und einem Friedensschluss die Akteure nicht davon ausgehen können, dass sie straflos davonkommen. Deswegen ist das eine wichtige Aufgabe.

Die UN haben uns um Unterstützung gebeten. Wir setzen uns mit unseren Möglichkeiten immer wieder dafür ein, dass diese Fragen im Menschenrechtsrat in Genf auf die Tagesordnung gesetzt werden. Ich bitte auch den Deutschen Bundestag, liebe Kolleginnen und Kollegen, um Unterstützung bei dieser wichtigen Arbeit. Ich bedanke mich dafür, dass die notwendigen Mittel bereitgestellt werden.

Nicht zuletzt geht es um den Friedensprozess. „Welcher Friedensprozess?“, mag der eine oder andere von Ihnen fragen - eine sehr berechtigte Frage. Trotzdem darf ich darauf hinweisen, dass wir jetzt erstmals seit 2016 wieder Gespräche haben, dass es so etwas wie einen Prozess gibt, eine Debatte, die man mit einem gewissen Optimismus das erste Mal wieder als Friedensprozess bezeichnen kann.

Wir erleben aber auch, dass dieser Prozess von Vertretern aller Konfliktparteien, auch der südsudanesischen Regierung, gestört wird. Deswegen ist es richtig, dass auch von der EU Sanktionen gegen einzelne Störer verhängt worden sind. Ich glaube, das ist ein wichtiges politisches Zeichen, ein Zeichen der Entschlossenheit, dass dieses Verhalten Konsequenzen hat. Wir sind entschlossen, meine sehr verehrten Damen und Herren, diese Politik fortzusetzen, um den fragilen Friedensprozess zu unterstützen.

Auch hierbei ist UNMISS unverzichtbar. Denn was macht UNMISS letztlich? UNMISS unterstützt die Absicherung der Gespräche, unterstützt die Organe, die die in den Gesprächen getroffenen Vereinbarungen umsetzen wollen und müssen. Dabei geht es vor allem um die Überwachung des vereinbarten Waffenstillstands.

Wenn wir einen Blick auf unser Engagement werfen, dann können wir, wie ich glaube, feststellen, dass das durchaus Signalwirkung hat: einmal - das will ich als Erstes sagen - für unsere Soldatinnen und Soldaten im Südsudan, die unter schwierigsten Umständen in Stabsfunktionen und als Militärbeobachter in der Fläche arbeiten. Ich glaube, wir schulden ihnen allen Dank für ihr Engagement.

Es hat auch Signalfunktion für die humanitären Helfer. Ihre Arbeit muss abgesichert werden, und sie brauchen ein Signal der Unterstützung.

Es geht aber auch um ein Signal an die Regierung des Südsudan. Wir unterstützen die Regierung des Südsudan, wenn sie sich um die Belange ihrer eigenen Bürgerinnen und Bürger kümmert.

Aber die Lage ist eindeutig: Die Verantwortlichen sitzen auch in der Regierung. Deswegen erwarten wir von der Regierung des Südsudan, dass sie die Behinderung der Arbeit der Vereinten Nationen, der Arbeit von UNMISS, beendet.

Nicht zuletzt, meine sehr verehrten Damen und Herren, geht es darum, dass wir ein Signal an die Bürgerinnen und Bürger des Landes senden müssen, dass wir die Hoffnung nicht aufgeben, dass wir für den Prozess des Wiederaufbaus bereitstehen; denn sie wollen ihr eigenes junges Land gemeinsam mit uns aufbauen. Daran sollten wir uns beteiligen.

Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

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