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Rede von Staatsminister Niels Annen bei der Eröffnung der Konferenz der deutsch-türkischen Kommunalpartnerschaften

13.02.2019 - Rede

-- es gilt das gesprochene Wort --

Sehr geehrte Damen und Herren,
sehr geehrter Herr Botschafter,
wundern Sie sich nicht – eigentlich hätte Sie Staatsminister Roth an dieser Stelle begrüßen sollen. Michael Roth steht gerade den Kolleginnen und Kollegen des Auswärtigen Ausschuss Rede und Antwort.

Auch wenn ich unmittelbar nach meinem Grußwort nach Warschau aufbrechen muss, habe ich die Vertretung sehr gerne übernommen. Denn: Persönlich bin ich ein großer Fan von Städtepartnerschaften. Meine Heimat-stadt Hamburg hat gleich 9 davon. Bis auf Australien und die Antarktis sind dabei alle Kontinente vertreten. Eine Partnerstadt in der Türkei ist allerdings (noch) nicht dabei. Was allerdings noch nicht ist, kann ja aber noch werden…

Sehr geehrte Damen und Herren,
Handkäs mit Musik, Himmel un Äd, Pommes Schranke – das alles sind Spezialitäten aus Ihren Städten. Auf Deutsch und in türkischer Übersetzung finden Sie diese - und viele weitere lokale und regionale Spezialitäten mehr – in dem Kalender, der vor Ihnen auf dem Tisch liegt.

Dieser ist das Ergebnis einer Initiative der Kolleginnen und Kollegen an der Deutschen Botschaft in Ankara, die alle 100 Partnerkommunen in beiden Ländern angeschrieben haben. Alle 53 Kommunen, die Texte und Fotos geschickt haben, sind im Kalender aufgeführt. Und es waren die türkischen Kommunen, die noch schneller und zahlreicher reagiert haben. Darüber freue ich mich sehr.

Die Türkei und Deutschland verbindet vieles: Wir sind enge Wirtschaftspartner, Alliierte in der NATO. Die Türkei ist ein wichtiger Partner für die EU, sie ist Mitglied im Europarat und Teilnehmerstatt der OSZE. Und natürlich haben wir auch gemeinsame Interessen in der Region.

Einzigartig sind unsere Beziehungen aber vor allem durch die vielen menschlichen Brücken, insbesondere seit den 60er Jahren: In Deutschland leben rund drei Millionen Menschen mit türkischen Wurzeln. In der Türkei leben bis zu fünf Millionen Menschen, die eine längere Zeit ihres Lebens in Deutschland verbracht haben und schließlich wieder in die Türkei zurückgekehrt sind. Sie sind das größte Potenzial der deutsch-türkischen Beziehungen.

Die erste Städtepartnerschaft wurde 1967 zwischen Böblingen und Bergama gegründet. Ich freue mich, dass wir über diese Partnerschaft - und wie es gelingt, sie weiter so aktiv zu halten – sowie über viele weitere Beispiele im zweiten Panel mehr hören werden.

In den Jahren 2016 und 2017 befanden sich unsere Beziehungen an einem Tiefpunkt. Das haben wir alle nicht nur täglich in den Medien gelesen, gehört und gesehen – sondern auch vor Ort erlebt. Viele von Ihnen haben es über Ihre Partnergemeinde ganz unmittelbar mitbekommen, der gegenseitige Austausch war stark eingeschränkt – aus Sorge, aus politischen Erwägungen oder durch personelle Wechsel, gar durch Inhaftierungen, bedingt. Diese Zeiten liegen hoffentlich hinter uns. Wir gehen langsam wieder aufeinander zu.

Ich verrate auch kein Geheimnis, wenn ich sage, dass unsere Beziehungen noch nicht wieder da sind, wo sie vor den Krisenjahren 2016 und 2017 waren. Wir haben gegenseitig Erwartungen, die für die andere Seite schwierig sind. Gleichwohl sprechen wir diese offen an.

Die Türkei ist und bleibt für uns, wie auch für die EU, ein wichtiger bi- und multilateraler Partner. Sie ist die Brücke Europas in den Nahen und Mittleren Osten. Und wir haben gemeinsame regionale Interessen, wie derzeit in Syrien, wo die Türkei ganz unmittelbar betroffen ist – und daher ein unverzichtbarer Partner für eine Lösung des Bürgerkriegs.

Wir haben auch ein gemeinsames Interesse beim Kampf gegen den Terrorismus. Die Türkei hat deutlich mehr Terroropfer zu beklagen als die meisten europäischen Länder: zum Gedenken an die Opfer des schrecklichen Anschlags auf den Istanbuler Nachtclub Reina wurde das Brandenburger Tor hier in Berlin im Januar 2017 in den Farben der türkischen Flagge erleuchtet.

Auch Flucht- und Migrationsbewegungen können wir nur gemeinsam bewältigen. Die Türkei hat - bei einer vergleichbaren Bevölkerungsgröße wie Deutschland – inzwischen vier Millionen Flüchtlinge aus Syrien aufgenommen. Damit leistet die Türkei einen immensen Beitrag zur Eindämmung der humanitären Krise, die der Krieg in Syrien ausgelöst hat. Viele von Ihnen haben auf kommunaler Ebene mit diesen Fragen, der Integration von Geflüchteten, zu tun – auch da können Deutschland und die Türkei, konkret die deutschen und die türkischen Kommunen voneinander lernen.

Sehr geehrte Damen und Herren,
in sechs Wochen finden Kommunalwahlen in der Türkei statt. Den Wahlkampf verfolgen wir mit großem Interesse. Lassen Sie mich gerade im Sinne unserer Freundschaft eines hier ansprechen: Wir sind besorgt über Einschränkungen in der Presse- und Meinungsfreiheit und glauben, dass inner-türkische Konflikte nur im Dialog und nicht einseitig durch Repression gelöst werden können.

Gleichzeitig zeigt uns Wahlkampf aber auch, wie die unterschiedlichen Parteien politisch um die kommunalen Spitzenposten streiten und damit, dass die Demokratie in der Türkei lebendig ist.

Das Ergebnis der Wahlen wird viele von Ihnen direkt betreffen, denn möglicherweise müssen Sie sich auf neue Ansprechpartner in der Partnergemeinde einstellen. Und oft sind es ja die einzelnen Personen, die sich engagiert einsetzen und eine Partnerschaft wirklich mit Leben erfüllen.

Darin möchten wir Sie unterstützen und ermutigen. Im dritten Panel heute Nachmittag stellen einige Partner, wie die deutsch-türkische Jugendbrücke oder Engagement Global, ihre Möglichkeiten vor, um Sie darin zu unterstützen. Je mehr Austausch wir haben, desto belastbarer sind unsere Beziehungen. Und davon profitieren wir alle. Das beste Mittel gegen Angst und Klischees sind Kennenlernen und Austausch.

Städtepartnerschaften sind eine wichtige Brücke – und sind nicht zuletzt ein Teil des Fundaments unserer Beziehungen. Wenn ich an die politische Großwetterlage der letzten Jahre denke, erstaunt mich eines:

Die meisten der knapp 100 Städtepartnerschaften erst in den letzten 5 bis 10 Jahren abgeschlossen wurden, allein zehn in 2011. Das zeigt uns drei Dinge: erstens, das Instrument der Städtepartnerschaft ist nach wie vor beliebt, zweitens, es gibt hier wie dort engagierte Menschen, die diese Partnerschaften gründen und gestalten, und drittens, dass unsere Beziehungen vielfältiger und stabiler sind als es oftmals in den Medien erscheint.

Denn mit Ihren Initiativen erreichen Sie die Menschen die Ihrer Kommune von den Jugendlichen und Schülern bis zu Praktikanten und Unternehmern – von Schönbeck an der Elbe bis Köln, von Böblingen bis Berlin. Dieses tiefe und breite Spektrum unserer Beziehungen erreichen wir nur mit Ihnen. Wir brauchen Sie als Botschafter zwischen unseren Ländern.

Sehr geehrte Damen und Herren,
Ich danke Ihnen und Ihren zahlreichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für Ihr - oftmals ehrenamtliches – Engagement für diesen Austausch. Und ich wünsche uns, dass wir von den heutigen Diskussionen viele neue Ideen und Motivation mitnehmen, wie wir die Beziehungen intensivieren können.

Der Tischkalender kann uns das ganze Jahr lang Motivationsschub sein – indem er Lust und Appetit auf viele Städte und Gemeinden in unseren beiden Ländern macht.

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