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Rede von Staatsminister Annen anlässlich der Podiumsdiskussion „Internationale Strafgerichtsbarkeit als Element der Globalen Friedensordnung“

15.05.2018 - Rede

Sehr geehrte Panelisten,
sehr geehrte Exzellenzen,
liebe Kolleginnen und Kollegen aus dem Deutschen Bundestag und diesem Hause,
meine sehr geehrten Damen und Herren,

Außenminister Heiko Maas hat mich gebeten die Eröffnung dieser Paneldiskussion zu übernehmen. Er musste leider kurzfristig Termine im Ausland wahrnehmen.

Die Eröffnung der heutigen Veranstaltung übernehme ich natürlich gerne. Zumal mir als Hamburger mit der Schaffung des Internationalen Seegerichtshofes der Grundgedanke und die Notwendigkeit einer internationalen Gerichtsbarkeit quasi in die Wiege gelegt wurde.

Auch wenn – das will ich nicht verschweigen – der Titel unserer heutigen Veranstaltung auf den ersten Blick sperrig und etwas abstrakt wirkt.

Aber hinter diesem Titel steht eine sehr konkrete Frage: wie antwortet die inter-nationale Gemeinschaft auf unvorstellbare Verbrechen wie den Völkermord in Ruanda oder in Srebrenica?

Wie antwortet sie auf systematische Vergewaltigungen als Kriegswaffe? Und wie auf den waffenmäßigen Einsatz von Giftgas in Syrien?

Nach knapp 25 Jahren hat der Jugoslawien-Strafgerichtshof Ende letzten Jahres seine Arbeit beendet. Andere internationale Gerichte verfolgen Völkerstraftaten in Kambodscha, im Libanon, dem Kosovo und in vielen anderen Ländern.

Mindestens ebenso lang wie der Jugoslawien-Strafgerichtshof seine wichtige Arbeit verrichtet hat, beschäftige ich mich mit internationaler Politik.

Mich hat die Arbeit der Strafgerichtshöfe und deren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter schon zu Schulzeiten beeindruckt.

Der Wille, die Verbrechen der Vergangenheit ohne Ansehen der Person aufzuarbeiten und der Versuch jeweils ein neues Kapitel der Versöhnung aufzuschlagen, ist zweifelsohne der einzig richtige Weg.

Es ist oftmals ein mühsamer Weg. Und nicht immer ist er von Erfolg gekrönt.

In Arusha aber, dem Standort des ehemaligen internationalen Strafgerichtshofs für Ruanda, kann man aber zurecht Stolz darauf sein, wie Recht gesprochen wurde und wie dies – fast ein Vierteljahrhundert nach dem Völkermord - eben nicht zu weiterer Spaltung, sondern zur Versöhnung beigetragen hat.

Mir ist wichtig, dass wir solche Erfolge nicht aus dem Blick verlieren. Erfolge, an denen viele von Ihnen ganz maßgeblichen Anteil haben und die es zu verteidigen gilt.

Ich sage dies auch mit Blick auf die zunehmende Kritik an der Arbeit inter-nationaler Strafjustiz. Natürlich ist es verständlich, wenn gerade die Opfer Gerichtsverfahren als zu lang und zu teuer empfinden.

Auch mit dem Vorwurf gegen den Internationalen Strafgerichtshof, er gehe zu einseitig gegen afrikanische Täter vor, müssen wir umgehen - schon um die Universalität des internationalen Strafrechts zu erhalten.

Und vielleicht müssen wir uns auch eingestehen, dass ein Anfang der 1990er Jahre erhofftes „goldenes Zeitalter“ der internationalen Strafgerichtsbarkeit so nicht eingetreten ist.

War unsere Hoffnung und Zuversicht in die Kraft des internationalen Strafrechts also trügerisch? Ich meine: Nein!

Den Impuls für die heutige Veranstaltung setzte die Schließung des Strafgerichtshofes für das ehemalige Jugoslawien - nach fast 25-jähriger Tätigkeit.

Als erstes internationales Strafgericht nach Nürnberg und Tokio hat es der ganzen Welt vor Augen geführt, dass die Genfer Konventionen, die Völkermordkonvention, die Haager Landkriegsordnung und andere Vereinbarungen zum Schutz vor schlimmsten Verbrechen gegen die Menschlichkeit nicht nur irgendwelche Rechtstexte sind.

Sondern sie sind die Grundlage dafür, dass auch scheinbar unantastbare Täter zur Rechenschaft gezogen werden: darunter Staatschefs, Minister oder Generäle.

Als der Jugoslawien-Strafgerichtshof im letzten Dezember seine Arbeit beendete, war keiner der 161 Angeklagten mehr flüchtig. Mit allen hat er sich befasst. 90 Angeklagte sind verurteilt worden.

Gerechtigkeit hat sich gegen schwerstes Unrecht durchgesetzt. Dafür brauchte es einen langen Atem. Für die Opfer und ihre Angehörigen sind aber auch solche späten Verurteilungen Signale von immenser Bedeutung.

Meine Damen und Herren,

trotz solcher Erfolge des internationalen Strafrechts denken wir in diesen Tagen natürlich unweigerlich an Syrien, wo täglich barbarische Verbrechen gegen unschuldige Zivilisten begangen werden.

Mit Abscheu und Entsetzen müssen wir zusehen, wie selbst Chemiewaffen gegen die eigene Bevölkerung zum Einsatz kommen und unschuldige Frauen, Männer und Kinder auf unerträgliche Weise ermordet werden.

Ich will sehr deutlich sagen: Es ist eine Schande, dass die internationale Gemeinschaft bislang keine gemeinsame Antwort auf diese Verbrechen gefunden hat.

Alle Verweisungen an den Internationalen Strafgerichtshof sind an der Uneinigkeit und Veto einzelner Länder im VN-Sicherheitsrat gescheitert. Doch dies darf nicht das letzte Wort bleiben. Wir brauchen mehr Kooperation, mehr Anstrengung und mehr Nachdruck.

In der Zwischenzeit dürfen nicht wir nicht untätig bleiben. Das sind wir den Opfern schuldig.

Deutschland wird weiterhin die Rechenschaftsmechanismen der VN-Generalversammlung und des Menschenrechtsrats mit aller Kraft politisch und finanziell unterstützen.

Denn sie leisten einen absolut unverzichtbaren Beitrag dazu, die in Syrien begangenen Gräueltaten aufzuarbeiten, indem sie Beweise sichern, Tatorte dokumentieren und Zeugenaussagen festhalten.

Für diese mutige, oft sogar lebensgefährliche Arbeit möchte ich den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern heute ganz ausdrücklich unseren Dank und unsere große Anerkennung aussprechen.

Sehr geehrte Damen und Herren,

gemeinsam mit Frankreich werden wir die Anfang des Jahres ins Leben gerufene Internationale Partnerschaft gegen Straflosigkeit bei Chemiewaffeneinsätzen weiter vorantreiben, der inzwischen bereits 32 Staaten sowie die Europäische Union angehören.

Das klare Signal dieser Koalition ist: Wir stehen nicht allein in unserem Kampf gegen Straflosigkeit, wir sind viele und wir werden noch mehr!

Auch national verfolgen wir in Deutschland Kriegsverbrechen, die in Syrien begangen wurden.

Die Staatsanwälte des Generalbundesanwalts sprechen dafür mit Syrern, die vor dem Krieg nach Deutschland geflüchtet sind und tragen ihre Aussagen zusammen.

Inzwischen führt der Generalbundesanwalt im Zusammenhang mit dem syrischen Bürgerkrieg bereits 40 Ermittlungsverfahren nach dem deutschen Völkerstrafgesetzbuch mit insgesamt 65 Beschuldigten, so wie er auch nach dem Krieg im ehemaligen Jugoslawien dort begangene Verbrechen verfolgte.

All dies zeigt: Wir können im Kampf gegen Straflosigkeit etwas bewegen, wenn internationale Organisationen, nationale Ermittlungsbehörden und natürlich die zahlreichen NGOs, die Verbrechen unter großem Einsatz dokumentieren, Hand in Hand arbeiten.

Meine Damen und Herren,

sollte Deutschland im Juni als nichtständiges Mitglied für die Jahre 2019 und 2020 in den VN-Sicherheitsrat gewählt werden, werden wir auch dort unseren Einsatz gegen Straflosigkeit und für den Erhalt einer regelbasierten internationalen Ordnung fortsetzen.

Gerade auch im Licht unserer eigenen Geschichte werden wir Kriegsverbrechen, Folter, die mutwillige Tötung von Zivilisten, Vergewaltigungen und sogenannte ethnische Säuberungen niemals hinnehmen.

Und wir werden immer wieder an die Verantwortung der gesamten internationalen Gemeinschaft appellieren, wenn es darum geht, Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu ahnden, die ja in Wahrheit Verbrechen gegen die gesamte Menschheit sind.

Meine Damen und Herren,

Es ist gut zu wissen, dass wir dabei auf Sie und Ihre Expertise zählen können. Ihr Einsatz für die internationale Strafjustiz in den vergangenen Jahren hat eines klar gezeigt: Um Wunden zu heilen, brauchen wir Gerechtigkeit. Und aus Gerechtigkeit entsteht Versöhnung.

Dass dies eine Generationenaufgabe ist, wissen Sie nur zu gut. Aber am Ende - dafür stehen Den Haag oder Arusha - siegt die Gerechtigkeit.

Mit dieser Gewissheit wünsche ich Ihnen nun einen wertvollen Gedanken-austausch hier in Berlin und viel Kraft und Mut bei Ihrer und unserer weiteren Arbeit für Gerechtigkeit und Versöhnung!

Vielen Dank für Ihre unverzichtbare Arbeit!

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