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Rede von Staatsminister Niels Annen anlässlich des High-Level Events der deutschen Bischofskonferenz: The implementation of the Global Compact for Migration and the Global Compact on Refugees

26.06.2019 - Rede

Fast genau siebzig Jahre nach der Verabschiedung der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte durch die Generalversammlung der Vereinten Nationen hat die Staatengemeinschaft den Globalen Pakt für sichere, geordnete und reguläre Migration und den Globalen Flüchtlingspakt angenommen.

Die Annahme der beiden Pakte durch die Generalversammlung der Vereinten Nationen war eine starke Antwort der Weltgemeinschaft auf die größten Flucht- und Migrationsbewegungen seit Ende des Zweiten Weltkrieges. Ein Erfolg wahrhaft vereinter Nationen, ein gemeinsamer Kraftakt, ein Zeichen für den Multilateralismus.

Migration ist eine globale Realität, für die es keine nationalen Lösungen geben kann. Wer das meint oder glauben machen will, ist entweder naiv oder verfolgt eine besondere politische Agenda.

Migration ist so alt wie die Menschheit, sie wird in den nächsten Jahren tendenziell zunehmen, verstärkt auch durch die Auswirkungen des Klimawandels. Migration wird damit in Zukunft weiter an politischer Relevanz und auch Brisanz gewinnen. Eine gemeinsame Steuerung liegt also in unserem ureigenen Interesse und ist eine der dringendsten Herausforderungen multilateraler Politik.

Es ist daher ein bemerkenswerter Erfolg internationaler Zusammenarbeit, dass sich beinahe die gesamte Weltgemeinschaft auf ein internationales Rahmenwerk für Migrationsfragen verständigt hat – gerade in Zeiten, in denen bewährte Prinzipien der internationalen Ordnung offen in Frage gestellt werden.

Die Bundesrepublik Deutschland hat den Globalen Pakt für Migration von Beginn an unterstützt, er unterstreicht in besonderer Weise das Bekenntnis zu den Vereinten Nationen und einer gemeinsamen Lösung von Fragen, die uns weltweit bewegen.

Seit Herbst 2018 erleben wir, dass der Globale Pakt von Manchen politisch missbraucht wird, um zu polarisieren und Gesellschaften zu spalten.

Wir bedauern das sehr, denn Europa muss die Werte leben, die es sich auf die Fahne geschrieben hat. Nur so können wir glaubhaft sein – nach innen wie auch nach außen. Ich bin daher sehr zufrieden und dankbar, dass sich der Deutsche Bundestag im vergangenen November mit großer Mehrheit deutlich und klar zum Globalen Pakt für Migration bekannt hat.

In Zeiten, in denen Nationalismus politisch wieder salonfähig zu werden droht, setzt der Globale Pakt für Migration ein mutiges und ein ermutigendes Zeichen für ein funktionierendes multilaterales Handeln.

Mit dem Pakt ist es uns – auch Dank des offenen, transparenten und sehr inklusiven Diskussions-prozesses – gelungen, einen Interessenausgleich zwischen Herkunfts-, Transit- und Zielländern zu finden, und dabei vor allem die tatsächlichen Bedürfnisse der Menschen im Auge zu behalten.

Der Globale Pakt für Migration stellt den dringend benötigten Rahmen dar, der uns in Migrationsfragen zusammenkommen lässt. Er ist eine erste Antwort, nicht jedoch der Endpunkt unserer Anstrengungen.

Auch dem zweiten Pakt – dem Globale Flüchtlingspakt – kommt enorme Bedeutung zu. Diese wird besonders deutlich, wenn man auf die Zahlen des kürzlich veröffentlichten Weltflüchtlingsberichts der Vereinten Nationen schaut. Der Bericht zeichnet ein besorgniserregendes Bild. Da sind zum einen die schieren Fakten: Weltweit gibt es zurzeit knapp 26 Millionen Flüchtlinge, darunter rund 20 Millionen unter dem Mandat des UNHCR. Hinzu kommen über 41 Mio. Binnenvertriebene und 3.5 Mio. Asylsuchende. Das ergibt eine besorgniserregend große Gesamtzahl von 70,8 Mio. Vertriebenen.

Dem gegenüber steht eine besorgniserregend kleine Anzahl an Ländern, die überhaupt Flüchtlinge aufnehmen. Und in starkem Kontrast dazu eine noch viel geringere Anzahl von Ländern, die die überwiegende Verantwortung für die beträchtlichen Flüchtlingszahlen schultern. Das sind vor allem jene Länder, die sich in direkter Nachbarschaft zu Konfliktherden befinden. Und es sind Länder, die regelmäßig selbst mit erheblichen eigenen Entwicklungs- und Stabilitätsherausforderungen zu kämpfen haben.

Und noch etwas verrät ein etwas genauerer Blick auf die Zahlen: Es sind gerade einmal knapp 10 Prozent der Staatengemeinschaft, die durch substantielle Unterstützung großer Aufnahmeländer, wie z.B. Jordanien, Äthiopien oder Pakistan, einen Beitrag zur Versorgung der dort aufgenommen Flüchtlinge leisten.

Der universell geltende internationale Flüchtlingsschutz wird in der Substanz derzeit also von lediglich 35 Staaten getragen. Das ist aus solidarischer Sicht ernüchternd, nicht nachhaltig und v.a. auch riskant.

Dazu kommt, und wir haben das in jüngster Vergangenheit erlebt, das auch Länder, die als verlässliche Säule des multilateralen Systems gelten, z.B. in Folge eines Regierungswechsels sehr schnell ausfallen können.

Vor dem Hintergrund dieser enormen Herausforderungen ist es ein klares Bekenntnis zu mehr Solidarität und ein großer Erfolg der Weltgemeinschaft, dass die Generalversammlung der Vereinten Nationen den Globalen Pakt für Flüchtlinge mit nur zwei Gegenstimmen angenommen hat.

Das für Dezember dieses Jahres geplante erste Globale Flüchtlingsforum ist der erste Test für die konkrete Wirkkraft des Globalen Pakts für Flüchtlinge. Die Bundesregierung sieht das Forum als große Chance. Als Mitveranstalter möchten wir gemeinsam mit UNHCR, der Schweiz, der Türkei, Äthiopien, Costa Rica und Pakistan möglichst viele Mitgliedstaaten, aber auch andere, nicht-staatliche Akteure zu mehr Engagement bewegen.

Wir sind überzeugt, dass bessere Lösungen und echte Perspektiven für alle Flüchtlinge möglich sind, wenn sich die Mehrheit der Staatengemeinschaft beteiligt. Und genau zu diesem Ziel möchten wir als Mitveranstalter des Globalen Forums beitragen.

Deutschland engagiert sich hier in einer herausgehobenen Doppelrolle als großes Aufnahmeland und gleichzeitig wichtiger Unterstützer des globalen Flüchtlingsschutzes und zweitgrößter bilateraler humanitärer Geber. Wir werden diese Erfahrungen in das Forum einbringen. Die Rolle der Zivilgesellschaft und insbesondere auch kirchlicher Organisationen in der Flüchtlingsarbeit wird dabei ein zentrales Element sein.

Neben unseren Anstrengungen, den Globalen Flüchtlingspakt umzusetzen und Flüchtlingen in ihren Aufnahmeländern Perspektiven zu bieten, dürfen wir zwei Aspekte nicht aus den Augen verlieren:

Niemand sollte überhaupt erst gezwungen sein, aus seiner Heimat zu fliehen.

Diejenigen, die als Flüchtlinge im Ausland Schutz suchen mussten, müssen in ihre Heimat in Sicherheit und Würde zurückzukehren können.

Hieran müssen wir unermüdlich weiterarbeiten und in unserer Außenpolitik auch die zivilen Instrumente nutzen, die uns zur Verfügung stehen: von Krisenprävention über Stabilisierung zu Konfliktnachsorge.

Das ist uns auch für unsere Mitgliedschaft im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen eines unserer Schwerpunktthemen. Es war uns wichtig, dass Filippo Grandi – hoher Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen – unter unserer Monatspräsidentschaft im April die Mitglieder des Sicherheitsrats über die weltweite Situation von Flüchtlingen und Vertriebenen unterrichten konnte.

Und auch in den kommenden Monaten wird sich die Bundesregierung aktiv dafür einsetzen, Konflikte als Hauptursache von Flucht und Vertreibung zu benennen und unsere Fähigkeiten im Bereich der humanitären Hilfe und der Stabilisierung selbstbewusst dort anzubieten, wo wir einen Unterschied machen können.

Und Deutschland steht auch weiterhin bereit, jenen, die fliehen müssen, Schutz und Unterstützung zu gewähren. Wir wissen die kirchlichen Einrichtungen in Deutschland dabei an unserer Seite!

Die eigentliche Umsetzung der beiden Pakte findet nicht auf den Fluren der Generalversammlung statt, sondern in den Arbeitsstätten, der Nachbarschaft, den Sportvereinen und natürlich auch in den Gemeinden der verschiedenen Religionsgemeinschaften vor Ort. Das durfte ich auch am letzten Samstag bei meinem Besuch auf dem evangelischen Kirchentag erfahren.

Die Zivilgesellschaft in Deutschland, insbesondere aber die kirchlichen Einrichtungen mit ihren Millionen von engagierten Mitgliedern, spielen bei dieser Aufgabe eine zentrale Rolle. Ich bin der Deutschen Bischofskonferenz und den vielen Vertretern der hier anwesenden Zivilgesellschaft daher sehr dankbar für Ihre deutlich vernehmbare Stimme und Ihr unermüdliches Engagement für eine lebendige Willkommenskultur.

Die letzten Wochen und Monate haben uns leider gezeigt, dass wir unsere Demokratie und unsere Willkommenskultur noch lauter und engagierter gegen einen wachsendenden Nationalismus verteidigen müssen. Und zwar offline wie online!

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