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Grußwort von Staatsminister Niels Annen zum Außenwirtschaftstag der Agrar- und Ernährungswirtschaft

22.06.2021 - Rede

-- es gilt das gesprochene Wort --

Ich freue mich, Sie zum 9. Außenwirtschaftstag der Agrar- und Ernährungswirtschaft, eine gemeinsame Veranstaltung des Auswärtigen Amts, des Ministeriums für Ernährung und Landwirtschaft und der Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie begrüßen zu können.

Dieser Tag ist traditionell eine Gelegenheit zum Austausch zwischen Wirtschaft und Politik, die wir auch mit diesem erstmalig virtuellen Format ermöglichen wollen.

Unsere Ernährung ist so grundlegend und alltäglich, dass uns in Deutschland der Wert einer Versorgung mit Lebensmitteln in der Regel nicht bewusst war, bis es in der Corona-Krise plötzlich zu Hamsterkäufen von Grundnahrungsmitteln wie Reis und Nudeln kam und Verbraucherinnen und Verbraucher zeitweise vor leeren Regalen standen.

Gerne möchte ich Ihren Blick auf einige außen-politische Aspekte des Themas lenken:

2020 waren mind. 155 Mio. Menschen weltweit von akuter Ernährungsunsicherheit auf Krisenniveau betroffen. Hauptgründe dafür sind bewaffnete Konflikte, Wetterextreme und die Folgen der Pandemie.

Eine sichere Nahrungsversorgung ist für die Gewährleistung von Stabilität und Frieden überall auf der Welt von zentraler Bedeutung. Im VN-Sicherheitsrat haben wir uns daher für die Resolution 2417 eingesetzt, die die Zusammen-hänge zwischen bewaffneten Konflikten, Ernährungsunsicherheit und Hungersnöten aufgreift.

Zudem stellt uns der Klimawandel vor immer größere Herausforderungen. Dürren, Wasserknappheit und Überschwemmungen führen zu Missernten und treffen oft Regionen mit unsicherer Nahrungsmittelversorgung.

Trifft dies zugleich fragile Staaten, steigt das Risiko für einen Gewaltausbruch und Fluchtbewegungen. Solche Entwicklungen gefährden langfristig auch unsere eigene Stabilität und Sicherheit hier in Europa.

Was wir brauchen, sind tragfähige und nachhaltige Alternativen, um die globale Nahrungsmittelversorgung unter erschwerten klimatischen Bedingungen auch künftig gewährleisten zu können. Hier ist auch die Ernährungswirtschaft in der Verantwortung.

Sie kann einen wertvollen Beitrag leisten durch die Entwicklung klimaresilienter Lösungen wie innovative Anbautechniken oder widerstandsfähige Pflanzensorten. Auch der Landwirtschaftssektor ist mit Blick auf Emissionsminderung und Erreichung der Pariser Klimaziele in besonderer Verantwortung.

Im Zeitalter des Klimawandels wird Ernährung zum geoökonomischen und damit auch politischen Faktor. Bei massiv wachsender Weltbevölkerung sowie häufigen Wetter-extremen und Missernten werden Nahrungs-mittel ein potentielles Instrument für geopolitisches Machstreben und Konkurrenz-denken.

Es wird daher auch darum gehen, globale Nahrungsmittellieferketten resilient zu gestalten und zu diversifizieren. Wir müssen einseitige Abhängigkeiten auch im Bereich der Ernährungswirtschaft bestmöglich vermeiden.

Die Pandemie hat erneut gezeigt, wie komplex unsere Lieferketten sind.

Eine enge Zusammenarbeit zwischen Wirtschaft und Politik ist –nicht nur in der derzeitigen Lage - unerlässlich für den Erfolg deutscher Unternehmen auf den Weltmärkten.

Mehr denn je müssen wir uns gemeinsam für offene Märkte, regelbasierten Handel und gegen Protektionismus einsetzen. Da setzt auch die neue europäische Handelsstrategie der EU-Kommission an: Ein Ansatz aus Offenheit, Nachhaltigkeit und Entschlossenheit sowie dem Leitkonzept der offenen strategischen Autonomie.

Kernaufgaben der EU-Handelspolitik sind neben dem Öffnen von Märkten, dem Setzen von Standards und der Stärkung von Handelsregeln heute insbesondere auch die Sicherung von Standards im Klima- und Umweltschutz bis hin zu Arbeits- und Sozialstandards.

Nachhaltigkeit ist in unserer Handelspolitik extrem wichtig. Sie darf aber nicht als Vorwand benutzt werden, um sich als EU abzuschotten.

Wir sehen mit Sorge das Vorschieben von Argumenten zum Schutz der Nachhaltigkeit, um protektionistische Motive zu verstecken. Vor allem dürfen wir aber darin keinen Gegensatz zu einer ambitionierten EU-Handelsagenda sehen.

Die WTO muss eine zentrale Rolle dabei spielen, die Vorhersehbarkeit und Regeln des Welthandels zu stärken. Aber auch mit einer neuen Generaldirektorin und einer aufgeschlosseneren US-Regierung werden Fortschritte im WTO-Rahmen nicht über Nacht erreicht werden.

Die Probleme im Umgang mit Staats-unternehmen und Subventionen, die außer Kraft gesetzte Streitschlichtung werden nicht schnell gelöst werden. Selbst die Ende des Jahres bei der WTO-Ministerkonferenz erhofften Verhand-lungserfolge im Bereich Agrar oder Fischerei werden hart umkämpft sein.

Entscheidend ist aber auch, dass wir parallel eine ehrgeizige bilaterale und regionale Handels- und Investitionsagenda verfolgen – vor allem gemeinsam mit unseren Partnern in Latein-amerika und im Indopazifik zur Diversifizierung unserer Handelsbeziehungen, zur Gestaltung der Globalisierung und Stärkung unserer Werte und Standards.

In Lateinamerika wollen wir das Netzwerk der Freihandelsabkommen vervollständigen. Wir wollen nun zügig die Einleitung zur Ratifizierung des modernisierten Globalabkommens mit Mexiko und wir unterstützen einen Abschluss der Verhandlungen mit Chile noch in diesem Jahr.

Gerade das EU-Mercosur Abkommen ist für uns politisch, wirtschaftlich und geostrategisch von sehr hoher Bedeutung.

Keine Frage: die Rahmenbedingungen müssen dafür stimmen. Mit Blick auf die Umsetzung des bereits verbindlich vereinbarten Nachhaltigkeits-kapitels müssen wir zudem gemeinsam mit den Partnern im Mercosur Begleitmaßnahmen finden, ohne aber das Abkommen selbst aufzuschnüren.

An dieser Stelle brauchen wir einen ehrlicheren Austausch: Die EU-Kommission hat im Agrarbereich sehr gut verhandelt – mit verkraftbaren Jahresquoten bei Importen sensibler Produkte. Und in anderen Bereichen gibt es ja gute Gründe, warum Brasilien Soja bereits jetzt zollfrei in die EU exportiert wird.

Klar ist: Ohne ein Abkommen wächst unsere Einflussmöglichkeit in dieser wichtigen Region sicherlich nicht.

Klar ist: Das Abkommen und auch der Handel mit der EU sind nicht die entscheidenden Faktoren zur Bekämpfung der Entwaldung und Brandrodung. Aber wir können Ansätze schaffen, um hier zu unterstützen. Dazu brauchen wir natürlich Partner auf Mercosur-Seite, die diese Anliegen teilen.

Wir hoffen, dass mit der COP26 in Glasgow die richtigen Akzente gesetzt werden können. Parallel arbeitet die EU an Instrumenten, die sicherstellen sollen, dass keine landwirtschaftlichen Produkte von illegal gerodeten oder verbrannten Waldflächen in die EU kommen.

Eine andere Schlüsselregion für uns ist der Indo-Pazifik. Wir haben mit den Leitlinien der Bundesregierung dazu auch innerhalb der EU eine Debatte angestoßen, wie wir strategisch, politisch und wirtschaftlich die Zusammenarbeit intensivieren können.

Dazu gehören auch Freihandelsabkommen wie mit Neuseeland und Australien, deren Verhandlungen hoffentlich auch dieses Jahr abgeschlossen werden können.

Auch hier wissen wir um Sensibilitäten auf unserer Seite und wollen ambitionierte, aber balancierte Ergebnisse. Ein weiteres wichtiges Abkommen – und mit Blick auf Nachhaltigkeits-ziele auch nicht einfach – ist mit Indonesien abzuschließen. Es gibt seit diesem Jahr wieder eine etwas höhere Dynamik – dies müssen wir erhalten und auch einen Umgang mit dem Thema Palmöl finden.

Indonesien ist nicht nur wichtig wegen der eigenen Marktgröße, sondern auch weil wir uns damit einen entscheidenden Impuls für ein regionales EU-ASEAN Abkommen erhoffen.

Neben Lateinamerika und dem Indo-Pazifik müssen aber auch die anderen Weltregionen in unserem Blick sein. Zum Beispiel sind Deutschland und die EU langjährige Unterstützer der Afrikanischen Freihandelszone.

Wir begrüßen die Führungsrolle und das Commitment der Afrikanischen Union und ihrer Mitglieder sowie der regionalen Wirtschaftsgemeinschaften beim Aufbau der Afrikanischen Freihandelszone.

Wenn wir uns die Effekte bisheriger Freihandels-abkommen für die Landwirtschaft anschauen, zeigt sich: die EU konnte in den letzten Jahren weitaus mehr Agrargüter exportieren als sie importieren musste.

Studien sehen in den nächsten 10 Jahren eine stabile positive Entwicklung vor, wobei die Freihandelsabkommen ein immer nützlicheres Instrument werden, um sensible Produkte zu schützen, einen verbesserten Marktzugang zu schaffen und hohe Standards zu vereinbaren.

Sie sehen, dass es hier Instrumente zum Freihandel oder zur Integration von Märkten gibt. Aber die Unterstützung der Politik für die Wirtschaft muss in jedem Einzelfall und von ganz praktischer Natur sein, um Unternehmen – besonders auch mittelständische Unternehmen – bei ihrem Engagement vor Ort zur Seite zu stehen.

Und hier steht Ihnen – neben den Außenhandels-kammern und der GTAI – das große Netz deutscher Auslandsvertretungen zur Verfügung, um Sie zu informieren und Sie zu unterstützen: als politische Begleiter, Türöffner und Berater.

Daher ist mein Wunsch: suchen und halten Sie die Verbindung zu unseren Auslandsvertretungen und informieren Sie und über Ihr Engagement vor Ort. Wir sind Ihr verlässlicher Partner auf internationalen Märkten!

Die deutsche Ernährungswirtschaft ist drittgrößter Industriezweig in Deutschland und weltweit drittgrößter Exporteur und Importeur von landwirtschaftlichen Erzeugnissen und Nahrungsmitteln.

Ich bin mir sehr bewusst, wie schwierig die Situation in den vergangenen Monaten mit den Einschränkungen der Reisemöglichkeiten für Sie alle war und noch ist.

Auf EU-Ebene wurde jüngst beschlossen, künftig Einreisen für Geimpfte aus allen Ländern zu ermöglichen.

Deutschland lässt ab 25.06. wieder Einreisen von Personen zu, die vollständig mit einem von der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) zugelassenen Impfstoff geimpft sind. Eine Ausweitung auf weitere Impfstoffe ist beabsichtigt.

Wir hoffen daher, dass sich mit zunehmendem Erfolg der Impfkampagnen die Situation für Geschäftsreisende in absehbarer Zeit deutlich verbessern wird.

Nicht nur in Vorbereitung auf künftige Reisen haben Sie heute die Möglichkeit zum Austausch in speziellen Länder- und Themenforen zum Handel mit Großbritannien, der Ukraine, zu den transatlantischen Handelsbeziehungen sowie zur Afrikanischen Freihandelszone. Dort finden Sie Einschätzungen von Kolleginnen und Kollegen aus unseren Auslandsvertretungen und Expertise von „vor Ort“.

Lassen Sie uns diesen Tag nutzen zum Austausch zwischen Wirtschaft und Politik! Ich wünsche Ihnen einen guten und erfolgreichen Außenwirtschaftstag!

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