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Rede von Außenminister Johann Wadephul anlässlich der Vereinbarten Debatte im Bundestag zum „30. Jahrestag des Vertrags von Dayton“

05.12.2025 - Rede

Wenn man durch die Straßen Sarajevos läuft, ist es fast egal, von welchem Ort aus man in die Hügel und Hänge schaut, die die Stadt umgeben. Fast überall sind dort weiße Felder zu erkennen. Das sind keine blühenden Bäume oder Pflanzen, sondern Grabstätten. Sie stehen für die Toten des Krieges. Der Bosnienkrieg kostete Anfang der 90er Jahre mehr als hunderttausend Menschen das Leben. Zwei Millionen Menschen wurden Opfer von Vertreibung. Zehntausende Frauen vergewaltigt.

Eines der dunkelsten Kapitel dieses Krieges, der international anerkannte Völkermord von Srebrenica, hat sich tief in unser Gedächtnis eingebrannt. Die systematische Ermordung zehntausender muslimischer Jungen und Männer – vor den Augen der Weltöffentlichkeit! Einer Staatengemeinschaft, die in diesem Moment, das muss man so klar sagen, versagt hat.

Der Verantwortung, und das möchte ich hier an dieser Stelle auch noch einmal ganz klar sagen, dieser Verantwortung sind wir uns sehr bewusst.

Vor 30 Jahren setzte das Friedensabkommen von Dayton endlich diesem Leiden, dem Krieg in der Mitte Europas ein Ende. Ein historischer Meilenstein. Der die Waffen zum Schweigen brachte. Der aber darüber hinaus es nicht vermochte, die Ursachen des Krieges zu beseitigen. Der im Verlauf der letzten dreißig Jahre zwar Stabilität brachte, aber bei Weitem nicht alle Gräben zuschütten konnte. Und der es letztlich auch nicht schaffte, die Wunden zu heilen. Oder gar Ausgangspunkt für eine herzliche Versöhnung der Menschen dieses geschundenen Landes zu sein.

Das liegt sicher zum Teil auch an der Struktur des Abkommens selbst. Es war mehr gerichtet auf das Ende der kriegerischen Gewalt als auf einen Frieden für ein fragiles Staatswesen. Resultat war der Preis für die Betonierung des ethnischen Proporzes in Vertragsform. Ganz sicher liegt es aber auch an führenden Politikern in Bosnien und Herzegowina, die nur zu gerne das ethnonationalistische Lied singen. Auch um zu verschleiern, dass ihnen Spaltung dienlicher – und zwar oftmals zur Verfolgung eigener Interessen dienlicher – ist als Versöhnung oder Verständigung.

Und nicht selten sehen wir, dass diese Agitation – so muss man das nennen – von Akteuren auch außerhalb des Landes befördert wird. Vor allem von einem Akteur, der die Welt wieder in Einflusszonen teilen will und der heute Europa so aktiv bedroht wie seit dem Ende des Kalten Krieges nicht mehr. Von Russland.

Trotzdem müssen wir heute festhalten: Dayton ist auch 30 Jahre nach der Unterzeichnung ein Garant für Stabilität. Im November habe ich alle sechs Staaten des Westbalkans besucht. Im Übrigen begleitet von einigen Kollegen aus diesem Hause, ich bedanke mich dafür sehr. In Bosnien und Herzegowina habe ich den Hohen Beauftragten Christian Schmidt getroffen. Der ja früher auch diesem Hohen Haus angehört hat. Er überwacht die zivilen Aspekte des Friedensprozesses und seine Arbeit ist in Bosnien und Herzegowina von herausragender Bedeutung. Und ich danke Christian Schmidt sehr herzlich und versichere ihm die Unterstützung der Bundesregierung für seine Arbeit.

Wir sind uns einig: Der Schutz der Grundprinzipien von Dayton, die Wahrung der Souveränität und der territorialen Integrität des Gesamtstaates bleiben essenziell. Frieden und Stabilität im Herzen Europas sind und bleiben für uns eine Verpflichtung.

Deswegen genießen die Institutionen und die Verfassung in Bosnien und Herzegowina nach dem Abkommen von Dayton volles Vertrauen. Und deswegen stehen wir als Bundesregierung und ich hoffe auch das Hohe Haus zur EU-Beitrittsperspektive von Bosnien und Herzegowina und setzen unsere Unterstützungsanstrengungen fort.

Dayton war damals wie heute nur der Beginn eines Prozesses, der das Land aus eigener Kraft in die EU bringen soll. Es braucht entschiedenes Handeln der Akteure vor Ort über jede Grenze hinweg zu einem gemeinsamen Miteinander. Wir wollen auch weiterhin in diese Kräfte investieren.

Weil wir überzeugt sind: 30 Jahre nach dem Ende des Bosnien-Krieges, 30 Jahre nach Srebrenica, in einer Zeit, in der wir erneut von geopolitischen Krisen umgeben sind, ist das eine Investition. Eine Investition nicht nur für Bosnien und Herzegowina, sondern für den ganzen Westbalkan. Eine Investition aber auch für uns, für uns Europäer und uns Deutsche. Eine Investition in unsere Sicherheit, unsere Freiheit und unseren Wohlstand.

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