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Interview von Außenminister Johann Wadephul mit der griechischen Zeitung Ta Nea
Erschienen am 11.10.2025
Frage:
Herr Minister, die deutsch-griechischen Beziehungen scheinen die Wunden der Schuldenkrise überwunden zu haben. Sie reisen am Montag zu Ihrem Antrittsbesuch nach Athen. Was haben Sie im Gepäck dabei?
Johann Wadephul:
Mit Griechenland, seinen Menschen und seiner jahrtausendealten Kultur verbindet uns Deutsche eine tiefe Verbundenheit und Freundschaft. Das hat uns in den Zeiten der Eurokrise vor einer Entfremdung bewahrt. Und diese Krise ist überwunden, Griechenland, Deutschland und Europa sind heute stärker und enger miteinander verbunden, als zuvor.
Die Welt wird zunehmend unberechenbarer. Griechenland ist für uns ein entscheidender Partner an der EU-Außengrenze und in der NATO. Wir arbeiten eng zusammen – und das längst nicht nur politisch und wirtschaftlich. Das Goethe-Institut in Athen ist unser ältestes Auslandsinstitut, das Deutsche Archäologische Institut feierte letztes Jahr sein 150-jähriges Bestehen. Im vergangenen Jahr war Deutschland Gastland der Thessaloniki International Fair.
All das zeigt: Unsere Beziehungen haben tiefe Wurzeln geschlagen. Ich reise mit dem Ziel nach Athen, diese Zusammenarbeit weiter auszubauen, denn wir wollen eine enge Partnerschaft mit Griechenland.
Frage:
Ihre Vorgängerin, Annalena Baerbock, hatte bei ihrem Besuch in Athen vor drei Jahren die Territorialansprüche der Türkei in der Ägäis klar zurückgewiesen. Sie haben damals Baerbock dafür kritisiert. Was war an dieser Position falsch?
Johann Wadephul:
Die Souveränität Griechenlands über seine Inseln steht für uns völlig außer Frage. Wir stehen bei diesem Thema, das will ich unmissverständlich sagen, in voller Solidarität an der Seite Griechenlands. Im östlichen Mittelmeer brauchen wir zudem Stabilität. Mit öffentlichen Schlagabtauschen ist niemandem geholfen. Ich bin überzeugt, dass offene Fragen zwischen zwei NATO-Partnern im direkten Dialog gelöst werden können und sollten. Griechenland kann hierbei auf unsere Unterstützung zählen. Nie war es wichtiger als heute, dass wir als NATO-Verbündete zusammenhalten und an einem Strang ziehen. Dass Griechenland und die Türkei in den letzten Jahren einen Kurs der Entspannung eingeschlagen haben, ist richtungsweisend. Ich ermutige beide Seiten, diesen Weg fortzusetzen.
Frage:
Aktuell ist die mögliche Teilnahme der Türkei am europäischen Verteidigungsinstrument „SAFE“ strittig. Wie kann ein Land, das Griechenland mit einem „Casus Belli“ bedroht, Teil eines EU-Verteidigungsprogramms sein?
Johann Wadephul:
Unsere Sicherheit in Europa steht und fällt mit dem Zusammenhalt der NATO. Griechenland und die Türkei spielen beide eine zentrale Rolle im Mittelmeerraum. Entscheidend ist, dass wir trotz mancher Differenzen geschlossen stehen – gegenüber allen, die unsere Sicherheit testen wollen, vor allem gegenüber Russland.
Die EU braucht eine starke industrielle Basis, um verteidigungsfähig zu bleiben. SAFE kann dazu beitragen, bestehende Lücken zu schließen. Ich verstehe schon, warum Griechenland auf eine mögliche Beteiligung der Türkei aus einer anderen Perspektive blickt. Diese noch besser zu verstehen, ist ein wichtiges Anliegen meines Besuchs in Athen. Deshalb werde ich am Montag mit meinem Amtskollegen Georgios Gerapetritis darüber sprechen, wie wir die europäische Verteidigungsfähigkeit stärken können, ohne das Vertrauen unserer engen Partner zu gefährden.
Frage:
Die Bundesregierung hat schon im vergangenen Juli den Weg für die Lieferung von 40 Eurofighter-Kampfjets in die Türkei frei gemacht. Die Bundesregierung habe der griechischen Regierung über „entsprechende Verabredungen“ versichert, dass diese Waffensysteme zur Stabilität in der Region und vor allem im Nato-Bündnis beitragen sollen. Können Sie versichern, dass diese Flugzeuge nicht gegen Griechenland eingesetzt werden?
Johann Wadephul:
Es ist richtig, dass die Bundesregierung kürzlich positiv über eine Voranfrage von Airbus entschieden hat, mit der Türkei über die Lieferung von Eurofightern zu verhandeln. Diese Flugzeuge sind Teil eines NATO-Systems – sie dienen der kollektiven Verteidigung und sollen die Sicherheit aller europäischen Partner erhöhen. Ein Einsatz gegen ein anderes NATO-Mitglied oder einen EU-Mitgliedsstaat ist undenkbar.
Wir stehen im engen Austausch mit unseren Partnern in Griechenland und der Türkei – und auch mit den anderen Eurofighter-Programmnationen Großbritannien, Italien und Spanien -, um die Sicherheit im östlichen Mittelmeer zu gewährleisten. Das gemeinsame Verständnis ist klar: Diese Kampfflugzeuge werden ganz ausschließlich zur Stärkung der NATO als Verteidigungsallianz sowie zur Absicherung der Sicherheit in der Region eingesetzt werden.
Frage:
Die Bundesregierung will die sogenannte Sekundärmigration beschränken und verstärkt Flüchtlinge nach Griechenland zurückführen. Wie sehr belastet das die deutsch-griechischen Beziehungen?
Johann Wadephul:
Wir teilen mit Griechenland das gleiche Ziel: Wir wollen Migration ordnen, illegale Weiterreisen eindämmen und Schutzsuchenden faire Verfahren ermöglichen. Unsere Länder sind beide sehr stark von Migration betroffen und arbeiten deshalb eng zusammen – auf allen Ebenen. Das neue gemeinsame europäische Asylsystem ist ein wichtiger Fortschritt. Es schafft Solidarität mit den Ländern an der Außengrenze und klare Regeln für alle Mitgliedstaaten. Jetzt geht es darum, es konsequent umzusetzen.
Die Sekundärmigration betrachten wir gesondert. In den letzten fünf Jahren sind viele tausend Menschen trotz positivem Asylbescheid in Griechenland nach Deutschland weitergereist. Für uns ist entscheidend, diese Dynamik zu beenden, damit die Sekundärmigration insgesamt signifikant zurückgeht. Ich will nochmal ganz klar sagen: Die EU-Außengrenze ist auch unsere Grenze. Deutschland steht an der Seite Griechenlands – bei der Sicherung der Außengrenze und bei der Umsetzung europäischer Asylpolitik.