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Rede von Außenminister Wadephul bei der Foreign Policy Community of Indonesia, Jakarta

20.08.2025 - Rede

Ich befinde mich gerade auf meiner ersten Asien-Reise als deutscher Außenminister. Zusammen mit Kolleginnen und Kollegen aus dem Bundestag, für die es auch die erste Asien-Reise in der neuen Legislatur ist. Und es war mir sehr wichtig, auf dieser Reise nach Indonesien zu kommen. Denn Indonesien ist ein Partner, den Deutschland und Europa heute mehr denn je brauchen. In einer Welt voller großer Herausforderungen. Ihr Land – das Land mit der größten muslimischen Bevölkerung der Welt – ist eine lebendige Demokratie und hat gerade den 80. Jahrestag seiner Unabhängigkeit begangen. Noch einmal herzlichen Glückwünsch hierzu!

Indonesien ist eine moderne Nation, die eine lange Geschichte und ein reiches kulturelles Erbe mit Hightech und Offenheit verbindet. Ihre wunderschöne neue Botschaft in Berlin und der beeindruckende Indonesische Pavillon auf der Expo 2025 in Osaka, den wir gestern besucht haben, sind anschauliche Beispiele hierfür.

Indonesien – mit seiner äußerst dynamischen Wirtschaft – ist ein engagierter politischer Akteur, sowohl in seiner eigenen Region als auch zunehmend auf der weltpolitischen Bühne. Es ist ein Land, das sprichwörtlich tausend Freunde als zu wenig und einen Feind als zu viel erachtet.

Ich hatte heute bereits die Ehre, mit Außenminister Sugiono über die globale Lage und unsere bilateralen Beziehungen zu sprechen. Und insbesondere darüber, wie wir unsere Partnerschaft vertiefen wollen. Denn das ist es, weshalb ich heute hier bin: Um unsere Verbindung zu stärken und auszubauen. Wir – Indonesien wie Deutschland – verfolgen ein gemeinsames Ziel: Durch Partnerschaften mit anderen Freiheit, Sicherheit und Wohlstand zu erreichen.

Unser Treffen fällt in eine Zeit, in der Europa und Asien gemeinsam einer Vielzahl neuer Herausforderungen gegenüberstehen. Diese reichen von der schwindenden Achtung des Völkerrechts bis hin zu den imperialistischen Äußerungen und Handlungen einiger Staaten. Von militärischen Konflikten, die Handelsrouten kappen, bis hin zu staatlich geförderten Desinformationskampagnen. Von Risiken, die sich aus technologischen Innovationen ergeben, bis hin zu den immer gefährlicheren Auswirkungen des Klimawandels.

Ich bin überzeugt: Unsere gemeinsame Antwort darauf muss das standhafte Bekenntnis sein, in unsere Partnerschaften zu investieren. Weil wir nur stark sind, weil wir nur vorankommen können, wenn wir zusammenstehen.

Deutschland und Indonesien, sowie die Europäische Union und die meisten unserer Partner im gesamten indopazifischen Raum, stehen vor ähnlichen Herausforderungen. Aber wir teilen auch viele zentrale Werte und Ziele: Das Bekenntnis zur Wahrung des Völkerrechts. Das Bekenntnis zu freiem und regelbasiertem Handel. Das Bekenntnis zu Frieden, Stabilität und territorialer Unversehrtheit. Und die Überzeugung, dass Wachstum und Wohlstand durch Zusammenarbeit erreicht werden können.

Das alles bildet die Grundlage für unsere Partnerschaften in der gesamten Region.

Inspiriert von der ASEAN-Erklärung “Outlook on the Indo-Pacific” haben es sich Deutschland und die EU zur Aufgabe gemacht, verlässliche und für alle Seiten vorteilhafte Partnerschaften mit dem Indopazifik zu fördern. Aus diesem Grund unterstützt Deutschland die Global-Gateway-Strategie der EU, mit der im gesamten indopazifischen Raum in Digitalisierung und Infrastruktur, in Stromnetze, Häfen, Kraftwerke und Schulen investiert wird. Deutschland ist stolz darauf, im Rahmen der Förderung der Lokalbahn in Surabaya das führende Land bei der gemeinsamen Verbesserung der Bahnverbindungen Indonesiens zu sein. Und das ist auch der Grund, warum Deutschland auf internationaler Ebene mehr Verantwortung im Bereich Sicherheits- und Verteidigungspolitik übernimmt. Warum wir unsere Partner bei der Stärkung ihrer Widerstandsfähigkeit unterstützen. Ein Beispiel hierfür ist ein deutsches Projekt zur Bereitstellung von unbewaffneten Aufklärungsdrohnen für die Philippinen und Malaysia, um ihre Widerstandsfähigkeit im Bereich maritime Sicherheit zu verbessern. Und das ist auch der Grund, warum wir uns an der “Just Energy Transition Partnership” mit Indonesien beteiligen. Gemeinsam können wir greifbare Fortschritte im Hinblick auf unsere beidseitige Verpflichtung zur Dekarbonisierung erzielen.

Denn globale Herausforderungen bedürfen eines gemeinsamen Handelns und verlässlicher Partnerschaften.

Zwischen meiner Heimatstadt Kiel und Jakarta liegen über 11.000 Kilometer. Und doch hat das, was im Indopazifik geschieht, direkte Auswirkungen auf die Sicherheit in Europa und umgekehrt: Chinas selbstbewussteres militärisches Auftreten im Südchinesischen Meer stellt nicht nur eine Gefahr für die Sicherheit Asiens dar, sondern untergräbt auch die internationale regelbasierte Ordnung insgesamt. Da zentrale Handelsrouten genau durch dieses Gebiet verlaufen, liegt darin auch ein wirtschaftliches Risiko. Dasselbe gilt für die Straße von Taiwan. Jegliche Eskalation hätte schwerwiegende Folgen für die globale Sicherheit und den Wohlstand auf der Welt – und würde sich auch direkt auf deutsche und europäische Interessen auswirken. Und auch Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine stellt nicht nur einen Angriff auf die europäische Friedensordnung dar. Er hat auch direkten Einfluss auf die Sicherheit im Indopazifik. Denn die russische Kriegsmaschinerie wird auch durch nordkoreanische Truppen und Munition und die wirtschaftliche Unterstützung Chinas am Laufen gehalten.

All das zeigt anschaulich, dass die Sicherheit Europas und die Sicherheit des Indopazifiks eng miteinander verbunden sind.

Deutschland und Indonesien sind der Überzeugung, dass das Völkerrecht, die Freiheit der Schifffahrt und staatliche Souveränität wichtig sind. Deshalb haben wir unser strategisches Engagement im indopazifischen Raum ausgeweitet. Seit 2021 entsenden wir im Rahmen des “Indo-Pacific Deployments” regelmäßig Streitkräfte, um unsere verteidigungspolitischen Beziehungen zu festigen und unsere Interoperabilität zu stärken. Unser Engagement reicht von der internationalen Militärübung Talisman Sabre in Australien bis hin zu Missionen für die Freiheit der Schifffahrt in der Straße von Taiwan und dem Südchinesischen Meer. Und deshalb hat Indonesien 2022 – während seiner G20-Präsidentschaft – maßgeblich dazu beigetragen, unser Verständnis von Sicherheit zu erweitern. Indem es hervorgehoben hat, dass – jenseits von militärischen Dimensionen – auch die Anfälligkeit unserer Ökosysteme ein Sicherheitsrisiko darstellt. Wo Inseln im Meer versinken, wo der Klimawandel unseren Planeten zerstört, kann es keine Sicherheit geben und auch keinen Wohlstand. So wie es auch keine Sicherheit geben kann, wo Lebensmittel und Energie knapp werden.

Deutschland bekennt sich ausdrücklich zum Völkerrecht. Das heißt, dass wir auch unsere Verbündeten und engsten Freunden ansprechen, wenn es Anlass zu Besorgnis gibt. Das Bekenntnis meines Landes zu Israels Existenzrecht und zu seiner Sicherheit bleibt unerschütterlich. Gleichzeitig lehnt Deutschland jegliche Annexionspläne der israelischen Regierung ab. Ebenso wie die Ankündigung, völkerrechtswidrige Siedlungen im Westjordanland weiter auszubauen. Diese stehen einer auf dem Verhandlungsweg erzielten Zweistaatenlösung im Wege stehen. Zudem sind wir zu tiefst über die katastrophale humanitäre Lage in Gaza besorgt.

Ebenso wie die Sicherheit Europas und des Indopazifiks ist auch der Wohlstand in unseren beiden Regionen eng miteinander verbunden. Lassen Sie mich zwei Beispiele nennen: Als Russland ukrainische Schwarzmeerhäfen blockierte und der Welt so ukrainisches Getreide vorenthielt, führte dies auch zu Lebensmittelknappheit im Indopazifik. Und als die Pandemie Produktionslinien auf der ganzen Welt zum Stillstand brachte, wurde uns bewusst, dass die Unterbrechung von Lieferketten in Südostasien zu einem Mangel an Halbleitern in Europa führen kann.

Sowohl Europa als auch die Länder des Indopazifiks sind starke Verfechter eines fairen, internationalen Freihandels. Heute wird der Welthandel jedoch häufig politisch instrumentalisiert und als Waffe eingesetzt. Dies mussten wir in Deutschland auf schmerzliche Weise erfahren, als Russland 2022 versuchte, unsere Abhängigkeit von seinen Energielieferungen strategisch gegen uns einzusetzen. Aus diesem Grund ist es für uns – wie für viele andere Länder auch – heute von entscheidender Bedeutung, kritische wirtschaftliche Abhängigkeiten zu ermitteln, bestehende Risiken strategisch auf ein Minimum zu verringern und unsere Handelsbeziehungen zu diversifizieren.

Deshalb sind wir entschlossen, auch unsere Wirtschaftspartnerschaft zu vertiefen. Während wir hier sprechen, verhandelt die Europäische Union ehrgeizig Freihandelsabkommen. Die meisten davon mit Ländern im Indopazifik. Die politische Einigung über den Abschluss der Verhandlungen zwischen der EU und Indonesien war ein Meilenstein, der zu raschem Konsens zu den noch ausstehenden Fragen beiträgt. Den Ehrgeiz der Kommission, dieses wichtige Abkommen bereits nächsten Monat zu unterzeichnen, unterstützen wir uneingeschränkt. Mit einem fairen, ambitionierten und nachhaltigen Handelsabkommen werden wir für beide Seiten dringend benötigte Geschäftsmöglichkeiten schaffen und unsere Handelsbeziehungen diversifizieren – von erneuerbaren Energien bis hin zu digitalen Innovationen. Und wir werden in Zeiten globaler wirtschaftlicher Unsicherheit signalisieren, dass wir uneingeschränkt zu einem fairen, regelbasierten Handel stehen.

Die EU und ASEAN sind zwei der größten Handelsblöcke der Welt.

Ich freue mich auf das morgige Treffen mit Dr. Kao Kim Hourn, dem Generalsekretär von ASEAN.

In diesem Jahr feiern wir, feiern Sie, den 70. Jahrestag der Konferenz von Bandung. 1955 – mitten im Kalten Krieg – brachen Kolonialreiche auseinander und neue Nationen, die ihre Freiheit erlangt hatten, suchten ihren Platz in der bipolaren Welt.

Indonesien richtete diese Konferenz aus und gab ihnen damit eine Stimme und eine Wahlmöglichkeit.

Seitdem hat sich die Welt radikal verändert – nicht immer zum Besseren. Die politische Weltlage ist zunehmend multipolarer, zersplitterter und unvorhersehbarer. Lange bestehende Gewissheiten geraten ins Schwangen. Ich bin überzeugt: In diesem neuen globalen Bild sind verlässliche Partnerschaften nicht nur wünschenswert, sondern unabdingbar. Unabdingbar, um Frieden, Sicherheit und Wohlstand zu schaffen und zu bewahren. Für unsere Länder und Regionen. Für unsere Bevölkerung. Unabdingbar, um die globale Zusammenarbeit im Rahmen bewährter Regeln zu stärken. Unabdingbar, um unsere staatliche Souveränität und unsere Unabhängigkeit zu wahren. In dieser neuen Weltlage braucht Deutschland Partner wie Indonesien.

Ich freue mich auf das nächste Außenministertreffen von Europäischer Union und Indopazifik im November. Dieses Mal werden europäische und asiatische Länder in Brüssel zusammenkommen, um sich über die heutigen Herausforderungen auszutauschen. Dabei wollen wir einander zuhören, unsere jeweiligen Vorstellungen verstehen und eine gemeinsame Grundlage für unsere Partnerschaft finden. Das ist das Wesen der Diplomatie. Das ist der Weg zu Freiheit, Sicherheit und Wohlstand.

Deutschland und die Europäische Union sind bestrebt, unsere Zusammenarbeit weiter auszubauen und zu verstärken. Lassen Sie uns diese herausfordernden Zeiten gemeinsam bewältigen – als Freunde und verlässliche Partner, die einander verstehen und schätzen.

Leider scheint es in der heutigen Welt nicht möglich zu sein, ausschließlich Freunde zu haben. Doch meine Botschaft an unsere indonesischen Partner ist klar: Mit Deutschland haben Sie ganz sicher einen engen Freund in Europa.

Ich danke Ihnen.

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