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Rede von Außenminister Johann Wadephul in der Aussprache zur Außenpolitik der neuen Bundesregierung im Deutschen Bundestag

14.05.2025 - Rede

Die erste Woche im neuen Amt ist für mich fast wie im Fluge vergangen. Für ein langsames Ankommen, für ein Akklimatisieren im Amt war und ist einfach keine Zeit.

Dazu ist die internationale Lage - blicken Sie nur auf die Entwicklung des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine, auf die Situation in Israel, im Gazastreifen oder auch auf die sich zuspitzenden Verhandlungen um eine mögliche nukleare Bewaffnung des Iran - einfach viel zu gefährlich.

Die internationale Lage ist brandgefährlich.

Deswegen haben der Bundeskanzler und ich selber auch die ersten Tage dazu genutzt, mit engsten Freunden in Kontakt zu kommen.

Ich denke, Folgendes ist jetzt notwendig:

Erstens: Wir müssen Politik aus einem Guss machen. Das heißt nicht nur - und das ist eine Selbstverständlichkeit -, dass sich der Außenminister mit dem Bundeskanzler abstimmt, sondern auch, dass wir einfach Teamarbeit in der Bundesregierung machen. Deswegen ist für mich essenziell - und ich bin sehr optimistisch -, dass es eine sehr enge Zusammenarbeit meinerseits mit Boris Pistorius und Reem Alabali-Radovan geben wird.

Wir brauchen eine Außenpolitik, eine Verteidigungspolitik und eine Entwicklungshilfepolitik dieser Bundesregierung aus einem Guss. Dazu sind wir gemeinsam entschlossen, meine lieben Kolleginnen und Kollegen.

Das Zweite ist: Wir müssen im In- wie im Ausland intensiv kommunizieren, wie wir die Lage einschätzen, was unsere Interessen sind, was wir machen wollen, mit Klarheit, aber auch mit Einfühlungsvermögen.

Das ist die Art und Weise, wie ich versuchen möchte, mein Amt auszuüben.

Dafür braucht es einen modernen Auswärtigen Dienst mit herausragender Expertise. Ich freue mich auf die Zusammenarbeit mit einem sehr gut bestellten Haus, das mir die Kollegin Annalena Baerbock in freundschaftlicher Art und Weise bei der Übergabe - „Festakt“ möchte ich fast sagen - überlassen hat. Ich freue mich über die riesige Motivation, über den Elan und die fachliche Stärke des Auswärtigen Dienstes, nicht nur in der Zentrale hier in Berlin, sondern auch in den vielen Auslandsvertretungen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Auswärtigen Dienstes sind oft die Ersten - Stichwort Syrien -, die in ein Land hineingehen, wenn es dort noch sehr gefährlich ist, und die Letzten, die ein Land verlassen - Stichwort Afghanistan -, wenn es gefährlich wird.

Deswegen ist es mir ein Anliegen - und ich bitte um die Unterstützung dieses Hauses -, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Auswärtigen Dienstes der Bundesrepublik Deutschland sehr herzlich für ihren Einsatz für unser Land zu danken.

Wir legen sehr viel Wert - auch ich als langjähriger Abgeordneter dieses Hauses - auf eine enge Zusammenarbeit mit dem Deutschen Bundestag. Der Austausch mit Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen, in den Fachausschüssen, aber auch hier im Plenum, in den Fraktionen und im direkten Gespräch ist mir persönlich sehr wichtig. Nehmen Sie mich und alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter meines Hauses, insbesondere die Staatsminister, dafür jederzeit in Anspruch.

Es ist eine gute Tradition – und Sie wissen, dass ich das auch als Oppositionspolitiker von dieser Stelle betont habe -, dass wir in der Mitte dieses Hauses, im politischen Zentrum dieses Hauses, in den großen Linien der Außen- und Sicherheitspolitik einen Konsens der demokratischen Parteien haben. Um den will ich mich mit Ihnen gemeinsam weiter bemühen, liebe Kolleginnen und Kollegen.

Das bedeutet – und das ist keine Selbstverständlichkeit – die feste Verankerung unseres Landes in einem geeinten Europa, in einem Europa der Freiheit, des Friedens und des Wohlstands, in der Bekräftigung und Festigung der deutsch-französischen wie der deutsch-polnischen Freundschaft - der Bundeskanzler hat das durch seine ersten Reisen deutlich gemacht und ich habe Parallelreisen gemacht -, wie auch in der transatlantischen Partnerschaft als Grundpfeiler unserer Sicherheit und Freiheit und im klaren Bekenntnis - das habe ich auch versucht durch meine erste Reise deutlich zu machen - zur Sicherheit und zum Existenzrecht des Staates Israel als Teil der deutschen Staatsräson.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, dazu gehört auch der Einsatz für ein Leben ohne Angst und in Würde in den geschundenen Regionen des Nahen Ostens. Das Leiden der Menschen muss gelindert und die humanitäre Lage auf eine Weise verbessert werden, die mit den Prinzipien des humanitären Völkerrechts voll vereinbar ist. Das habe ich in meinen Gesprächen mit Vertretern des Staates Israel auch deutlich gemacht.

Die Menschen, die jetzt im Gazastreifen leiden, die sich in einer unerträglichen Situation befinden, bedürfen der sofortigen Hilfe und der Linderung. Das ist eine Forderung, eine Erwartung, die Deutschland trotz der besonderen historischen Verantwortung, die wir gegenüber Israel haben, oder vielleicht sogar wegen der besonderen Stellung, die wir gegenüber dem Staat Israel haben, deutlich macht und der wir Ausdruck verleihen sollten, meine sehr verehrten Damen und Herren.

Das heißt auf der anderen Seite, dass wir den Kampf gegen den Antisemitismus weltweit, aber auch in der Außenpolitik, mit Klarheit und Konsequenz führen.

Deswegen kann ich nur mit größter Besorgnis und Irritation zur Kenntnis nehmen, dass international anerkannte Definitionen von Antisemitismus, die der Deutsche Bundestag bisher mehrheitlich getragen hat, jetzt von Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen der Linksfraktion, infrage gestellt werden. Bewegen Sie sich bitte zurück in den gemeinsamen Konsens, der dieses Haus immer getragen hat: dass wir gemeinsam mit international vereinbarten Regeln Antisemitismus bekämpfen. Das ist eine deutsche Verpflichtung.

Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, in den stürmischen Zeiten, die wir jetzt gerade erleben, brauchen wir eine grundnüchterne Orientierung an unseren Interessen als Deutsche und Europäer und an den Erfahrungen unserer Geschichte.

Sicherheit, Freiheit und Wohlstand sollten uns leiten.

Keines dieser Kerninteressen ist heute, 80 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs, noch selbstverständlich oder sicher. Deswegen müssen wir gemeinsam mit unseren Partnern und Verbündeten diese Werte verteidigen.

Wir brauchen Kohärenz in der Außenpolitik, einen klaren Fokus und die Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen und Führungsstärke zu zeigen.

Daraus ergeben sich – in aller Kürze – folgende Prioritäten:

Erstens: Wir werden uns für unsere Sicherheit besser aufstellen müssen, in bewährten Bündnissen und Partnerschaften, allen voran in einer handlungsfähigen und optimal ausgestatteten NATO. Dabei wissen wir, dass sich unser Verhältnis zu den Vereinigten Staaten von Amerika im Wandel befindet. Es ist in unserem allergrößten Interesse, diese Partnerschaft neu auszutarieren, damit sie für uns wie für die USA attraktiv und wirkungsvoll bleibt.

Zu unserer langfristigen Sicherheit gehört auch die fundamentale Unterstützung der Ukraine und ein europäischer Beitrag zur Beendigung dieses Krieges. Ich breche jetzt von dieser Debatte, die ich bedauerlicherweise etwas früher verlassen muss - ich bitte um Nachsicht -, aus zu einem Treffen der NATO-Außenminister in Antalya in der Türkei auf. Wir werden morgen dort noch einmal im Rahmen der Quint zusammenkommen, um die Lage miteinander zu beraten.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Ukraine hat jede Bereitschaft gezeigt, jetzt bedingungslos Waffenstillstands- und Friedensverhandlungen zu führen. Dafür hat sie unsere volle Unterstützung. Aber wir erwarten jetzt, dass Herr Putin an den Verhandlungstisch kommt, dass er zu einem Waffenstillstand bereit ist. Jeder, der Frieden in Europa will, muss jetzt verhandeln, und der Ball liegt im Feld von Herrn Putin.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir müssen die Europäische Union weiterhin stärken, so schwierig das auch ist. Wir sind der größte Handelsblock der Welt, haben ein riesiges Potenzial für die Sicherheit und den Wohlstand unserer 450 Millionen Bürgerinnen und Bürger. Aber damit das gelingt, dürfen wir uns nicht in bürokratischen Prozessen verheddern und uns nicht außenpolitische Handlungsfähigkeit nehmen lassen.

Wir müssen und wollen Verantwortung übernehmen in und für Europa. Wir wollen moderieren, Mehrheiten organisieren, aber als Bundesrepublik Deutschland im Zweifel auch einmal vorangehen, wo es für die Sicherheit und Zukunftsfähigkeit unseres Kontinents notwendig ist. Deswegen brauchen wir eine Reform. Wir müssen mit qualifizierten Mehrheiten in der Außen- und Sicherheitspolitik eine kohärente Außenpolitik gestalten können.

Drittens, meine lieben Kolleginnen und Kollegen: Ja, das ist eine Fortsetzung der bisherigen Politik der Bundesregierung, die Bundeskanzler Olaf Scholz formuliert hat. Es bleibt richtig: Wir müssen belastbare Partnerschaften mit Schlüsselländern und Regionen auf allen Kontinenten aufbauen. Wir müssen respektvoll und nicht belehrend mit ihnen ins Gespräch kommen. Ich glaube, das ist möglich. Das schafft uns neue Möglichkeiten.

„Gegenwind formt den Charakter“, sagt man in meiner norddeutschen Heimat, und das gilt in diesen Zeiten auch für die deutsche Außenpolitik, die ich gerne mit Ihnen gemeinsam gestalten möchte.

Herzlichen Dank.

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