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Eröffnungsrede von Außenminister Wadephul zum Peacekeeping Ministerial der Vereinten Nationen im Auswärtigen Amt
Übersetzung aus dem Englischen
Vor 80 Jahren kamen Vertreterinnen und Vertreter von 50 Nationen in San Francisco zusammen. Sie einte eine gemeinsame Vision:
die Vision, eine Organisation zu gründen, die sich der Bewahrung des Friedens und der Schaffung einer besseren Welt widmen würde.
Sie errichteten diese Organisation auf den Trümmern des Zweiten Weltkriegs – eines Krieges, der in vielen Nationen und Regionen, die heute hier vertreten sind, tiefe Wunden hinterlassen hat; eines Krieges, den mein Land in Europa entfesselt hat.
In der Präambel der Charta der Vereinten Nationen legten die Delegierten das Ziel nieder, künftige Generationen „vor der Geißel des Krieges zu bewahren“.
Genau diese Entschlossenheit muss uns auch heute, achtzig Jahre später bei unserem Treffen hier in Berlin leiten.
Es ist mir eine Ehre, Sie alle heute, gleich zu Beginn meiner Amtszeit und nur knapp eine Woche nach meinem Amtsantritt als deutscher Außenminister, begrüßen zu dürfen.
Bilaterale Partnerschaften und unser Bekenntnis zu weltweitem Frieden stehen im Mittelpunkt meines Ansatzes von Diplomatie.
Ich bin überzeugt, es ist zu einem großen Teil Ihr Verdienst – das Verdienst unserer Partner und Freunde –, dass Deutschland zu dem Land werden konnte, das es heute ist.
Und doch sehen wir uns achtzig Jahre nach San Francisco auch mit der ernüchternden Tatsache konfrontiert, dass der Frieden weltweit zerbrechlich bleibt – vielleicht zerbrechlicher als jemals zuvor seit dem Ende des Kalten Krieges.
Vom Nahen Osten bis nach Myanmar und Haiti, überall auf der Welt, wüten Konflikte, die die Lebensgrundlagen von viel zu vielen Menschen bedrohen.
In der Demokratischen Republik Kongo und in Sudan sind Millionen von Menschen gewaltsam vertrieben worden und dringend auf humanitäre Hilfe angewiesen.
Hier in Europa stehen wir Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine gegenüber, der einen eklatanten Verstoß gegen die VN-Charta darstellt.
Es ist die oberste Priorität unserer neuen Bundesregierung, Frieden und Sicherheit auf unserem Kontinent zu bewahren.
Deshalb investieren wir in beispielloser Weise in unsere Sicherheit.
Deshalb werden wir alles in unserer Macht Stehende tun, um die Sicherheit unserer Bürgerinnen und Bürger zu gewährleisten.
Und deshalb werden wir keine Zweifel daran aufkommen lassen, dass Deutschland für seine Partner auf der ganzen Welt ein verlässlicher Verbündeter ist.
Gleichzeitig werden wir der Stärkung der internationalen Zusammenarbeit und des multilateralen Systems Priorität einräumen – denn wir wissen, dass keine Nation allein Frieden und Sicherheit für ihre Bürgerinnen und Bürger schaffen kann.
In einer vernetzten Welt liegt es in unserem gemeinsamen Interesse, Konflikte zu verhindern und in Frieden zu investieren.
Aus diesem Grund wird Deutschland die Vereinten Nationen weiterhin konsequent unterstützen.
Doch wir alle wissen, dass der Multilateralismus und die Vereinten Nationen unter Druck stehen, sowohl finanziell als auch politisch.
Herr Generalsekretär, Sie können darauf zählen, dass Deutschland die Reform und Modernisierung der Organisation unterstützt, damit sie für mehr Menschen in all unseren Ländern konkrete Ergebnisse erzielt.
Ein Bereich, in dem die Vereinten Nationen immer wieder Ergebnisse liefern, ist das VN Peacekeeping. .
Mutige Männer und Frauen aus allen Teilen der Welt arbeiten seit beinahe achtzig Jahren gemeinsam daran, Gewalt zu beenden und Konflikte einzudämmen.
Ob Soldatinnen und Soldaten der Infanterie, humanitäre Helferinnen und Helfer , Polizeikräfte oder Rechtsexpertinnen und -experten:
In komplexen Missionen auf der ganzen Welt leisten sie alle mit großem Engagement ihren Dienst.
Auch wenn Einsätze zur Friedenssicherung keine Allroundlösung für jeden Konflikt sind: Diese Männer und Frauen haben Millionen von Menschenleben gerettet.
Die Blauhelme sind ein Symbol für den Frieden – und sie riskieren ihr Leben dafür, ihn zu bewahren.
Viel zu viele von ihnen haben das größte aller Opfer erbracht:
Im Januar wurden VN-Friedenssicherungskräfte aus Südafrika und Uruguay in der Demokratischen Republik Kongo getötet.
In der Zentralafrikanischen Republik kam im Februar ein Blauhelm aus Tunesien ums Leben, und im März starb dort ein Blauhelm aus Kenia.
Ebenfalls im März wurde ein ukrainisches Besatzungsmitglied eines VN-Hubschraubers in Südsudan getötet.
Diese Angriffe erinnern uns daran, wie gefährlich das Umfeld moderner Friedenssicherungsmissionen sein kann und wie hart erkämpft Frieden wirklich ist.
Ich möchte heute der 4423 Blauhelme gedenken, die im Einsatz ihr Leben verloren haben, und ihren Angehörigen unser Beileid aussprechen.
Wir schulden ihnen unseren größten Respekt und unsere tiefste Dankbarkeit!
Im Peacekeeping kommen die besten unserer Eigenschaften zusammen: Fachwissen aus der ganzen Welt, verschiedenste kulturelle Hintergründe und Sprachen und ein umfassendes Verständnis der Situation vor Ort.
Wir alle wissen aber, dass Peacekeeping an ein sich veränderndes internationales Umfeld angepasst werden muss.
In den letzten zehn Jahren ist die Anzahl der Konflikte gestiegen und Kriege sind komplexer geworden.
Große Peacekeeping Missionen wurden vorzeitig beendet und hatten in manchen Fällen nicht die dringend erforderliche Unterstützung vor Ort.
Uns allen ist bewusst, dass die finanziellen Herausforderungen für Friedenssicherungsmissionen in den kommenden Monaten zunehmen könnten.
Unsere Gespräche in den nächsten beiden Tagen sollten daher an der folgenden zentralen Frage ausgerichtet sein:
Wie können wir die Friedenssicherung wirksamer, effizienter und zukunftsfähiger gestalten?
In diesem Zusammenhang möchte ich drei Punkte zur Diskussion stellen:
Erstens: Flexibilität und Anpassungsfähigkeit.
Friedenssicherungseinsätze müssen so gestaltet sein, dass sie umgehend an die sich schnell verändernde Dynamik von Konflikten angepasst werden können.
Dafür sind Mandate des Sicherheitsrats nötig, die nicht nur realistisch, sondern auch flexibel sind.
Um dies zu erreichen, sollten wir über einen modularen Ansatz in der Friedenssicherung sprechen, also die Entwicklung flexiblerer, maßgeschneiderter Missionen, die sich an bestimmte Kontexte anpassen lassen.
Darüber hinaus brauchen wir klare Übergangs- und Ausstiegsstrategien. Gleich zu Beginn einer Mission sollten konkrete Pläne für den Übergang erstellt werden.
Zweitens: lokale Eigenverantwortung – “Ownership”.
Friedenssicherungsmissionen können nur dann erfolgreich sein, wenn sie von Anfang an das Vertrauen und die Unterstützung der lokalen Regierungen und Gemeinschaften genießen.
Daher ist eine enge Zusammenarbeit mit allen einschlägigen Akteuren vor Ort von entscheidender Bedeutung.
Desinformationskampagnen und Angriffen auf VN-Personal müssen wir entschlossen und auf transparente Weise entgegentreten.
Aus diesem Grund müssen wir in strategische Kommunikation investieren.
Drittens müssen wir uns mit den Folgen abnehmender Ressourcen auseinandersetzen.
Das VN Peacekeeping bleibt eine stabile Investition und ein eindringliches Beispiel für globale Lastenteilung.
Führen wir uns einmal vor Augen, dass das gesamte Jahresbudget für die VN‑Friedenssicherung geringer ist als die Kosten der jüngsten Olympischen Spiele.
Deutschland ist wie viele der heute hier vertretenen Länder bereit, zusätzliche Mittel zuzusagen.
Denn Peacekeeping braucht eine größere und eine nachhaltige Finanzierung.
Mehr Mittel sind aber nur ein Teil der Lösung.
Wir sollten gemeinsam daran arbeiten, Missionen effizienter und zielgerichteter zu gestalten, indem sie klarere Mandate erhalten, indem Bürokratie abgebaut wird, und indem Dopplungen vermieden werden.
Angesichts der Tatsache, dass wichtige Beitragszahler ihre Leistungen überdenken, ist der Druck groß.
Seien wir ehrlich: Es gab schon einmal einfachere Zeiten für die Friedenssicherung war schon mal einfacher.
Deshalb werden wir beweisen müssen, dass wir pragmatische und ambitionierte Reformlösungen finden können.
Meine Damen und Herren,
vor achtzig Jahren, auf den Trümmern des Zweiten Weltkriegs, wurden die Vereinten Nationen mit dem Ziel gegründet, den Frieden zu bewahren.
Heute genau wie vor achtzig Jahren liegt es in unserer Verantwortung, in Frieden zu investieren und zu gewährleisten, dass die Friedenssicherung für die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts gerüstet ist.
Um, wie es in der VN-Charta geschrieben steht, künftige Generationen „vor der Geißel des Krieges zu bewahren“.
Ich freue mich darauf, mit Ihnen allen in diesem Geiste zusammenzuarbeiten.
Vielen Dank.