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„Es gibt kein apodiktisches Zwei-Prozent-Ziel“
Außenminister Gabriel spricht im Interview mit der dpa am Donnerstag (25.05.) über den anstehenden Nato-Gipfel, deutsche Rüstungsausgaben und den Bundeswehr-Standort Incirlik.
Außenminister Gabriel spricht im Interview mit der dpa am Donnerstag (25.05.) über den anstehenden Nato-Gipfel, deutsche Rüstungsausgaben und den Bundeswehr-Standort Incirlik.
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Wird es in den Brüssel zu den Militärausgaben Beschlüsse geben, die über die bisherigen hinausgehen?
Ich glaube nicht, dass das passieren wird. Die Nato wird bekräftigen, was sie 2014 in Wales beschlossen hat: dass die
Mitgliedstaaten ihre Militärausgaben in einer Zeitspanne von zehn Jahren in Richtung zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts entwickeln. Das machen wir bereits, denn wir erhöhen die Verteidigungsausgaben ja gerade, um die Bundeswehr für ihre Aufgaben angemessen aufzustellen. Das ist auch bitter nötig, denn die Bundeswehr ist seit zwölf Jahren nicht angemessen ausgestattet. Die vom damaligen CSU-Verteidigungsminister zu Guttenberg durchgepaukte sogenannte Bundeswehrreform sollte sogar acht Milliarden Euro pro Jahr einsparen. Heute beklagt sich seine CDU-Nachfolgerin Ursula von der Leyen, dass die Bundeswehr zu wenig Personal und nicht funktionsfähiges Material habe. Da hat sie Recht. Nur gehört eben zur Wahrheit, dass dies das Ergebnis von zwölf Jahren CDU/CSU an der Spitze des Verteidigungsministeriums ist. Denn so lange tragen Unionspolitiker schon die Verantwortung für diese massive Unterausstattung der Bundeswehr.
Das heißt aber doch, dass die Bundeswehr deutlich mehr Geld benötigt.
Die Bundeswehr besser ausstatten ist das eine. Das wollen wir Sozialdemokraten auch. Aber zwei Prozent vom Bruttoinlandsprodukt für Vereidigung ausgeben, ist etwas völlig anderes und geradezu abwegig. Ich unterstütze ausdrücklich, was der SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz dazu gesagt hat: Das wird es jedenfalls mit der SPDnicht geben. Denn zwei Prozent würde eine gewaltige Steigerung der Verteidigungsausgaben auf 70 Milliarden Euro pro Jahr bis 2024 bedeuten. Also fast doppelt so hoch wie heute. Frankreich, das immerhin Nuklearmacht ist, gibt heute nur gut 40 Milliarden pro Jahr aus. Daran sieht man schon, wie absurd die Debatte ist.
Wäre es nicht ehrlicher, wenn sich die Nato von dem Zwei-Prozent-Ziel verabschieden würde?
Noch einmal: es gibt kein apodiktisches Zwei-Prozent-Ziel.
Aber eines stimmt: Ich staune auch, wer in der Nato so alles die zwei Prozent vom Bruttoinlandsprodukt trotzdem für richtig hält. Dazu gehören manche Länder, die noch weniger für ihre Verteidigungsfähigkeit ausgeben als wir Deutschen. Insofern würde ich mir mehr Ehrlichkeit in der Debatte wünschen.
Das zweite wichtige Ziel Trumps ist es, die Nato zum offiziellen Mitglied der Anti-IS-Koalition zu machen. Die Bundesregierung war da zunächst skeptisch, lässt sich aber jetzt trotzdem darauf ein.
Alle 28 Mitgliedstaaten der Nato sind Teil der Anti-IS-Koalition. Deswegen wäre es fast ein wenig unlogisch, die Institution Nato weiter am Katzentisch sitzen zu lassen. Immerhin ist selbst die Europäische Union Teil der Anti-IS-Koalition. Ich habe also nichts dagegen, wenn die Nato als politischer Partner mit am Tisch sitzt. Aber was nicht geht, ist eine aktive Verwicklung der Nato in Kampfhandlungen. Diese Vorstellungen gab es auch, aber die werden sich nicht durchsetzen. Kampfhandlungen sind nicht der Auftrag der Nato. Sie ist ein Verteidigungsbündnis der Mitgliedstaaten. Gegen Trainingsmissionen, wie sie auch bislang schon durchgeführt werden, hat dagegen niemand etwas. Aber der Einstieg der Nato in den bewaffneten Kampf halten wir für das völlig falsche Signal. Denn der Mehrwert der Anti-IS-Koalition ist ja gerade, dass es ein gemeinsamer Kampf westlicher und muslimischer Länder ist. Der Einstieg der Nato würde die große Gefahr beinhalten, dass am Ende der Eindruck entstünde, hier kämpfe der Westen gegen einen Teil der muslimischen Welt. Die Anti-IS-Koalition ist aber genau das nicht.
Was bedeutet der Rüstungsdeal zwischen den USA und Saudi-Arabien für die Stabilität der Region?
Ich glaube, dass die Amerikaner darauf setzen, eine Anti-Iran-Koalition zu schmieden. Unser Rat ist dagegen, die Wiederwahl von Präsident Ruhani als Chance zu nutzen, um den Iran zu einer weiteren Öffnung zu ermuntern - und natürlich auch, ihn dazu zu bewegen, die gefährliche Politik des Iran und seine Beteiligung an Kriegen am Persischen Golf zu beenden. Was der Iran in Syrien, im Jemen, im Libanon macht, können und dürfen wir nicht hinnehmen. Und die iranische Regierung müsste eigentlich wissen, dass ihr Land nur dann stabil bleibt, wenn es sich wirtschaftlich erholt. Dafür braucht er Investitionen aus dem Ausland. Die wird es aber nur geben, wenn er seine Politik am Persischen Golf ändert. Wir würden also eher so auf den Iran zugehen als eine große Rüstungskooperation gegen ihn zu schmieden. Wir glauben einfach nicht, dass immer mehr Waffen und immer mehr Konfrontation der Weg zu mehr Stabilität ist.
Ist der Nato-Gipfel die letzte Chance, den Streit um das Besuchsverbot für Abgeordnete in Incirlik zu lösen?
Wir erwarten, dass die Türkei die Besuche von Abgeordneten des Deutschen Bundestags zulässt. Das ist bei allen Auslandsmissionen der Bundeswehr eine unabdingbare Voraussetzung. Wir sind an dieses Mandat des Bundestags gebunden. Wir hoffen sehr, dass rund um den Nato-Gipfel eine Atmosphäre entsteht, dass die Türkei versteht, dass man sich unter Nato-Partnern nicht gegenseitig unter Druck setzen darf.