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Rede von Außenminister Sigmar Gabriel beim Festakt zum 100-jährigen Bestehen der Deutschen Gesellschaft für Internationales Recht

16.03.2017 - Rede

Sehr geehrter Herr Professor Nolte,
verehrte Mitglieder der Deutschen Gesellschaft für Internationales Recht,
liebe Gäste,
meine Damen und Herren,

„Für manche, auch wissenschaftlich Gebildete und sogar Juristen, ist heute das Völkerrecht ein Trümmerhaufen und leerer Wahn“.

Das sind nicht meine Worte. Und das ist auch keine Beschreibung der heutigen Welt!

Es ist vielmehr der Beginn eines leidenschaftlichen Plädoyers eines der Gründerväter Ihrer Gesellschaft, Moritz Liepmann. Ein Plädoyer für das Völkerrecht. Geschrieben vor hundert Jahren! In einer Zeit, in der das Stahlgewitter des 1. Weltkrieges noch tobte. In einer Zeit, in der die europäische Friedensordnung gerade so gewaltsam zusammengebrochen war. Und noch bevor der amerikanische Präsident Wilson seine berühmten 14 Punkte vorgestellt hatte.

Eine ziemlich mutige Avantgarde, die Sie da als Vorgänger haben! Ich gratuliere zu Ihrem Jubiläum des Gründungsdatums der Gesellschaft. Und freue mich, dass Sie heute hier bei uns im Auswärtigen Amt zu Gast sind!

***

Meine Damen und Herren,

lassen Sie mich zurückkommen auf das von mir eingangs zitierte Wort vom Völkerrecht als einem „Trümmerhaufen“. 100 Jahre nach der Gründung Ihrer Gesellschaft, können wir diesen Vorwurf so einfach abtun? Oder müssen wir uns nicht auch heute ernsthaft die Frage stellen, welche Rolle, welchen Stellenwert das Völkerrecht in unserer komplexen und konfliktbeladenen Welt hat? Das an sich ist schon schwierig. Aber wenn man es dann noch mit autoritären Bewegungen zu tun hat, selbst in den Zentren der liberalen Demokratien der westlichen Welt, die es zum Credo ihrer Politik erheben, genau aus dieser Rechtsordnung einer multipolaren Welt auszuscheren und sagen: „Die Interessen meiner Nation setze ich absolut, sie sind das einzige, was zählt!“ – dann muss man sich in der Tat Sorgen machen. Weil dies natürlich das Gegenteil von der Idee des gemeinsamen Völkerrechts ist, da es ja gerade die absoluten Machtansprüche der einzelnen Staaten einhegen soll, durch die Stärke des Rechts Verbindlichkeit und Vertrauen schaffen soll. Im Respekt vor gemeinsam geschaffenen Regeln. In der Erkenntnis, dass alle beim Respektieren dieser Regeln besser leben, als wenn einer versucht, etwas kurzfristig gegen den andern durchzusetzen, aber langfristig vielleicht aber zum Verlierer wird. Es gibt also Gründe dafür, zwar nicht über einen Trümmerhaufen zu reden, aber darüber, was wir tun können, damit das Völkerrecht nicht zum Trümmerhaufen wird.

Sie, verehrte Damen und Herren, haben als Mitglieder der Gesellschaft für Internationales Recht möglicherweise eine klare Haltung zu dieser Frage – ohne Zweifel eine sehr differenzierte, wie es sich für Juristen gehört! Vielleicht sind Sie als Professorinnen und Professoren für Völkerrecht und Internationales Privatrecht in dieser Frage sogar ein bisschen im positiven Sinne befangen. Man soll ja nicht neutral sein, zu solchen Fragen. Im Gegenteil, man soll das eigene berufliche Engagement einbringen und die Rückschritte im Zusammenleben der Völker nicht einfach nur diagnostizieren, sondern zu überlegen, was unsere gemeinsame Aufgabe ist, einen Rückschritt im Verhältnis der Völker möglichst gar nicht erst stattfinden zu lassen oder dort wo er stattfindet, ihn aufzuhalten.

Ich hingegen bin kein Jurist, wie Sie wissen. Ich begebe mich also auf sehr dünnes Eis, wenn ich ausgerechnet vor Ihnen als den Experten etwas zur Bedeutung des Völkerrechts sage. Ich will es trotzdem versuchen und versuchen eine politische Antwort zu geben.

Ich stelle meine Schlussfolgerung gleich an den Anfang: Ich bin überzeugt, das Völkerrecht ist kein „Trümmerhaufen“. Es ist vielmehr ein komplexes Bauwerk, an dem ständig gearbeitet wird. Mal wird ein Geschoss hinzugefügt. Mal wird eine tragende Wand, versehentlich oder wie wir merken auch absichtlich, beschädigt. Das Völkerrecht hat viele Baumeister. Und immer braucht es Statiker, die die Baumaßnahmen bewerten. Ich weiß, es heißt „Judex non calculat“ und Sie daher nicht Rechenkünstler sind. Aber im übertragenen Sinne geht es genau um diese Statik im internationalen Recht.

Sie, meine Damen und Herren, sind für mich die Statiker des Völkerrechts! Ohne Sie würde das Haus des Völkerrechts schnell verwahrlosen. Wir würden ziemlich schnell nicht nur Risse in einzelnen Teilen, sondern auch Risse im Fundament bekommen. Deshalb danke ich Ihnen herzlich für Ihr Engagement.

Für uns, für die Bundesregierung, ist es von essentieller Bedeutung. Wir sind froh, dass es dieses Bauwerk gibt, das Völkerrecht, als Eckpfeiler einer internationalen Ordnung. Denn aufgrund unserer Offenheit, aufgrund unserer globalen Vernetzung sind wir als Deutschland vielfach exponiert und natürlich auch verletzlich. Dass sind Demokratien in der Regel ohnehin. Jedenfalls sind sie, wie wir in Bezug auf die Türkei lernen, nicht im gleichen Maße zu Rigorosität und Härte fähig, wie das nicht-liberale Demokratien sind. Ich bin aber trotzdem der Überzeugung, dass wir diejenigen sind, die mit mehr Erfolg, mehr Stabilität das Leben für unsere Menschen organisieren können.

Aber auch Deutschland, auch Europa merkt jetzt gerade die Verletzlichkeit, wenn der Schutz durch internationale Abkommen, zum Beispiel Handelsabkommen, schwächer wird. Für eine Exportnation wie unser Land ist es eine große Herausforderung, wenn die Vereinigten Staaten von Amerika erklären, es gäbe keinen einzigen internationalen Vertrag im Interesse der Vereinigten Staaten. Alle seien gegen die Interessen der Vereinigten Staaten gerichtet und deshalb müssten alle in Frage gestellt werden. Im Übrigen wolle man auch nicht mit Europa verhandeln, sondern bilaterale „deals“ – ich weiß nicht, ob dieser Begriff schon Eingang ins Völkerrecht gefunden hat – abschließen, zwischen Deutschland und den USA, zwischen Frankreich und den USA. Das ist eine große Herausforderung, nicht nur rechtlicher Natur, sondern auch politischer und ökonomischer Natur. Das gefährdet die Stabilität unseres Landes und unseres Kontinents. Ich glaube, es gefährdet am Ende auch die Stabilität der Vereinigten Staaten von Amerika. Es wird wahrscheinlich mehrerer Besuche in den USA bedürfen, um das dort wieder ins Bewusstsein zu rufen.

Wir sind eben verwundbar, wenn diese Regeln in Frage gestellt werden. Wenn Abschottung oder erratisches Handeln die Oberhand gewinnen. Deshalb sind wir angewiesen auf klare und verlässliche Spielregeln im politischen und im wirtschaftlichen Miteinander von Staaten und Institutionen.

Und deshalb, meine Damen und Herren, sollten gerade wir – Deutschland – uns besonders dafür engagieren, dass wir das internationale Recht nicht nur wahren, sondern es ausbauen.

Wir sind dabei nicht naiv. Um im Bilde zu bleiben: das Völkerrecht sieht heute nicht so aus, als hätte ein Architekt damit einen Wettbewerb gewonnen. Es hat ein paar schiefe Wände und sicherlich auch einige undichte Stellen im Dach. Und ein ziemlich scharfer Wind pfeift um die Ecken des Völkerrechts!

Zwar bekennen sich alle Staaten zum Völkerrecht, zur Charta der Vereinten Nationen als globalem Ordnungsrahmen. Aber wir müssen doch feststellen: die Weltordnung, wie sie nach 1945 aufgebaut wurde, wird nicht mehr von allen Staaten als selbstverständlich angenommen. Da gibt es Teile, die aus meiner Sicht verständlich sind, denn es bildet die Situation nach dem 2. Weltkrieg ab.

Dass die Welt sich verändert, ist unübersehbar. Asien, Lateinamerika, Afrika wachsen, wir in Europa schrumpfen. Das bedeutet, dass natürlich der Anspruch auf Mitwirkung aus diesen Teilen der Welt größer wird, denn sie wollen ja nicht zum verlängerten Arm ihrer ehemaligen Kolonialherren, vor allen Dingen im Sicherheitsrat, gemacht werden.

Ich glaube, dass das etwas ist, dem man sich stellen muss und sich auch die Frage stellen muss: Was heißt das nun für das Völkerecht, für die internationalen Institutionen, für die Zusammenarbeit der Parlamente und Regierungen. Wir haben das gerade auch beim Außenministertreffen der G20 in Bonn im letzten Monat gesehen, wo auch China, Indien, Saudi-Arabien, Indonesien mit am Tisch sitzen und mit ganz klaren eigenen Vorstellungen darüber, wie sich das internationale Recht entwickeln soll, die nicht zwangsläufig mit den unsrigen übereinstimmen.

Angesichts dieser Neuvermessung der Welt wird keine Nation einfach auf überkommene Vorrechte pochen können. Die Vereinten Nationen werden wieder stärker zum Kristallisationspunkt von Interessensgegensätzen und damit eben auch von konkurrierenden Werte- und Ordnungsvorstellungen.

Das geht so weit – das ist kein Geheimnis – dass einige den westlichen Wertekanon für obsolet erklären. Hinter „westlichen Werten“ vermuten manche, wohl nicht immer ganz zu Unrecht, doppelte Standards und verborgene Interessen.

Trotzdem müssen wir an dieser Stelle dagegen halten: indem wir dies durch unsere eigene Politik glaubhaft widerlegen natürlich – wenn wir zum Beispiel unsere demokratischen Werte der Rede- und Versammlungsfreiheit auch dann hochhalten, wenn es uns schwerfällt. Was bei gelegentlichen Veranstaltungen in diesem Land nicht ganz leicht fällt.

Wir müssen deutlich machen, dass diese sogenannten „westlichen“ Werte sind doch keine Werte die geographisch zu verorten wären. Ich habe mich kürzlich darüber mit meinem russischen Kollegen in einer Pressekonferenz in verstärkter Höflichkeit unterhalten. Ich finde schon, dass wir klarmachen müssen, dass es keine geographische Verortung ist. Und dass es eben nicht in einen Gegensatz zu einer multipolaren Weltordnung steht. Ganz im Gegenteil, dass es nämlich einen universellen Charakter hat. Ich glaube deshalb, dass wir in Deutschland, wir in Europa diese Universalität unserer Werte hochhalten müssen und sie nicht preisgeben dürfen. Und dass wir dann uns auch verstärkt Gedanken darüber machen müssen, wie wir damit umgehen wollen, wie wir sie stärker verteidigen wollen und dafür Freunde, Partner, Unterstützer finden. Und dass es schon sein kann, dass diese westlichen Werte in Teilen der Welt durch Freiheitsbewegungen manifestiert werden, während sie im geographischen Westen durch Gefangenenlager wie in Guantanamo und das Nicht-Hineinlassen islamischer Besucher in den eigenen Staat eher in Frage gestellt werden, als verteidigt werden.

Es kommt also drauf an, dass wir wissen, worüber wir reden und an welcher Stelle wir in der Welt stehen. Wir müssen also deutlich machen, dass unsere Werte in den internationalen Vereinbarungen über Menschenrechte festgeschrieben sind. Ich bin mir sicher: diejenigen, die unter Menschenrechtsverletzungen leiden, müssen auch wissen, dass wir dieses Grundrecht kennen, erkennen und auch bereit sind, Verletztungen zu verfolgen.

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Meine Damen und Herren,

von den Infragestellungen unserer Wertvorstellungen sollten wir uns nicht beirren lassen. Sie sollten uns vielmehr anspornen, gemeinsam mit unseren Partnern für eine Verrechtlichung der internationalen Beziehungen einzutreten.

Gerade für kleine, aber auch für mittelgroße Staaten wie Deutschland ist das Völkerrecht elementare Voraussetzung der gleichberechtigten Teilnahme an internationalen Beziehungen. Denn in einer allein auf ungezügelter Macht und ihrer Ausübung beruhenden Weltordnung wird natürlich der aktuell Stärkste gewinnen, derjenige, der seine Macht am rücksichtslosesten einsetzt. Das Völkerrecht setzt dem einen fundamental anderen Ansatz entgegen. Den der souveränen Gleichheit der Staaten. Es setzt willkürlicher Machtpolitik Grenzen.

Und für das Völkerrecht gilt, wie für alle rechtlichen Normen, dass Geltung und Bedeutung eben nicht durch den Rechtsbruch aufgelöst werden. Im Gegenteil: So haben uns die furchtbaren Verletzungen des humanitären Völkerrechts im syrischen Bürgerkrieg eindringlich vor Augen geführt, wie wichtig die Einhaltung von Normen ist. Und auch wenn wir diese Verletzungen nicht verhindern konnten, helfen wir zumindest dabei, sie sichtbar zu machen und sie zu verfolgen.

Deutschland unterstützt deshalb den internationalen Mechanismus zur Aufarbeitung schwerwiegender Menschenrechts- und Völkerrechtsverletzungen in Syrien. Wir werden dem Generalsekretär der Vereinten Nationen dafür auch Finanzmittel bereitstellen. Mit dem erklärten Ziel sie für eine spätere gerichtliche Verwendung juristisch aufzuarbeiten. Denn eine dauerhafte Friedensregelung lässt sich eben nicht auf Rechtsbruch bauen.

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Meine Damen und Herren,

die Stärkung des Völkerrechts ist ein Grundpfeiler deutscher Außenpolitik – und sie ist aktueller denn je! Wir engagieren uns deshalb für eine Stärkung des Völkerrechts – politisch und praktisch.

Wir tun dies, indem wir unsere Beziehungen zu anderen Staaten auf die Basis von gemeinsam vereinbarten Regeln stellen. Zuallererst in der Europäischen Union. Aber auch weit darüber hinaus: Deutschland hat mehr als 6500 völkerrechtliche Verträge unterzeichnet und ratifiziert! An diesem engen Netz werden wir weiter arbeiten.

Wir machen uns für solche Instrumente stark, die eine friedliche Streitbeilegung fördern, insbesondere internationale Gerichte: Der Internationale Gerichtshof in Den Haag, oder der Internationale Seegerichtshof, der seinen Sitz in Hamburg hat und mit dem wir als Sitzstaat besonders eng verbunden sind. Wir rufen alle Parteien, große und weniger große Staaten, auf, die Entscheidungen der Gerichtshöfe die und Schiedssprüche verbindlicher Schiedsorgane anzuerkennen und umzusetzen. Wir setzen uns ein für den Internationalen Strafgerichtshof: Deutschland war bei seinem Aufbau nicht nur sehr aktiv, sondern ist auch sein zweitgrößter Beitragszahler. Politisch treten wir natürlich auch gerade mit den Staaten in einem Dialog über den Wert des Internationalen Strafgerichtshofs, die daran in letzter Zeit Zweifel haben erkennen lassen.

Internationale Gerichte, Untersuchungskommission und völkerrechtliche Expertenberichte – all diese Instrumente können nicht die politischen Auseinandersetzungen zwischen Staaten ersetzen. Aber sie helfen, sie in Bahnen des Rechts zu lenken, sie einzuhegen. Und nicht in die Macht des Stärkeren ausufern zu lassen. Und sie eröffnen so die Chance auf friedliche Lösungen. Die Chance, nicht die Sicherheit.

Deshalb danke ich auch all Ihren Mitgliedern, die sich aktuell oder in der Vergangenheit als Richterinnen und Richter an internationalen Gerichtshöfen zur Verfügung gestellt haben. Dabei möchte ich unserem Ehrengast ganz besonders danken. Nämlich Herrn Professor Buergenthal.

Lieber Herr Buergenthal,

Sie haben sich, unter anderem über ein Jahrzehnt lang als Richter am Internationalen Gerichtshof, für die Stärkung des internationalen Rechts eingesetzt. Dafür möchte ich Ihnen besonders danken!

Und es bewegt mich persönlich sehr, dass Sie, nach alledem, was unser Land, was Deutschland Ihnen und Ihrer Familie vor über siebzig Jahren angetan hat, dem Schutz der Menschenrechte Ihre Arbeitskraft und Ihre Energie gewidmet haben. Ich finde, das ist etwas, was Mut macht. Herzlichen Dank!

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Meine Damen und Herren,

es kann uns nicht nur darum gehen, die Völkerrechtsinstrumente zu stärken. Oder die Quantität der völkerrechtlichen Normen zu erhöhen.

Eine Verrechtlichung der internationalen Beziehungen ist wichtig. Aber die Tatsache allein, dass es internationale Regeln gibt, kann uns nicht reichen. Wir müssen den Anspruch haben, diese Regeln so zu gestalten, dass sie auch tatsächlich unsere Werte widerspiegeln. Wir müssen Völkerrecht auch als Instrument sehen, die Globalisierung gerecht zu gestalten. Ein Beispiel dafür sind die Debatten über Freihandelsabkommen. Im Kern geht es ja darum, der Globalisierung Regeln geben. Regeln sollen helfen, dem Wettbewerb einen stabilen Rahmen zu geben. Aber eben nicht zu Lasten der Umwelt, nicht zu Lasten von Arbeitnehmerrechten, nicht zu Lasten von sozialer Sicherheit und kultureller Vielfalt.

Wir glauben, dass uns das mit dem Freihandelsabkommen zwischen Kanada und der Europäischen Union gelungen ist. Das Abkommen dient eben nicht allein dazu, den Handel zu verbessern, sondern es geht gerade darum, einen Maßstab zu schaffen, an dem sich der Handel zu orientieren hat. Ich finde, es ist ein so fortschrittliches Abkommen, dass man jetzt andere Abkommen daran prüfen kann. Es ist allemal besser, selbst Standards zu setzen, als abzuwarten, dass das andere tun.

Das ist nicht nur gut für die Verbraucher in Europa und Kanada. Es ist auch ein klares Signal an die anderen internationalen Handelspartner, an die USA, an China, dass wir Europäer Standards setzen wollen, völkerrechtlich verbindliche Absprachen für die Globalisierung treffen wollen. Dieses starke Augenmerk auf die inhaltliche Ausformulierung, meine Damen und Herren, muss in Zukunft weitergehen.

Ein weiteres Beispiel für wirklich gute internationale Vereinbarungen im globalen Maßstab ist das Pariser Klimaschutzabkommen.

Ich kann mich noch lebhaft aus meiner Zeit als Umweltminister an die Diskussionen um einen Nachfolgevertrag zum Kyoto-Protokoll erinnern. Schwierige Diskussionen. Schwierig auch, Schwellenländer und Entwicklungsländer davon zu überzeugen, dass es kein neuer Trick der alten Kolonialmächte ist, sie an ihrem wirtschaftlichen Fortkommen zu hindern, sondern es für ihr eigenes Überleben notwendig ist. Dass es gelungen ist, ein globales Klimaabkommen zu verhandeln, ist auch ein Sieg für das Völkerrecht.

Und schließlich: mit der Agenda 2030 haben wir eine internationale Vereinbarung – sie ist kein völkerrechtlicher Vertrag, aber immerhin ein Beschluss aller Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen – die uns ermöglicht, für eine gerechtere Globalisierung zu arbeiten – eine Vereinbarung, die auf einem globalen Konsens aufbaut. Denn das Ziel muss mehr Wohlstand für alle sein, und nicht mehr Reichtum für wenige. Und dafür braucht es Regeln.

Auch beim Thema Migration wollen wir gerecht gestalten. Es geht um Rahmenbedingungen für kontrollierte Zuwanderung und den Kampf gegen Menschenhandel und Ausbeutung. Also eine Zuwanderung, von der die Migranten selbst, aber auch die Ausgangs- und die Zielstaaten profitieren. Wir diskutieren das intensiv im Kontext der Vereinten Nationen. Ende 2018 wird es eine Staatenkonferenz zu dem Thema geben. Die wird nicht direkt überschäumende Ergebnisse liefern. Aber allein die Tatsache, dass wir uns auf den Weg machen, solche komplizierten Fragen in einen rechtlichen Rahmen zu bringen, ist ein gutes Zeichen.

Wir haben es also in der Hand, Normen zu schaffen. Sicher, es geht bei diesem Beispiel um „soft law“ oder vielleicht müsste man besser sagen „slow law“ und nicht um einklagbare Ansprüche. Aber es geht darum, durch internationale Normsetzung mehr Gerechtigkeit und Gleichheit zu erreichen. Denn mehr Gleichheit ist nicht nur ein guter Kompass für den inneren Frieden von Gesellschaften. Sondern eben auch für den äußeren Frieden unserer Gesellschaften.

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Meine Damen und Herren,

Ihre Rechtsgebiete, das Völkerrecht, das Internationale Privatrecht, liegen an der Schnittstelle zu unserem politischen Handeln. Völkerrecht, so sehe ich es jedenfalls, ist damit nie nur technisch oder gar unpolitisch. Es wirkt in den politischen Raum der internationalen Beziehungen hinein wie kein anderes Rechtsgebiet.

Und es ist damit auch, wie kein anderes Rechtsgebiet, politischen Entwicklungen ausgesetzt. Gerade weil wir uns in einer Zeit befinden, in der die Gewichte sich in der Welt verschieben, müssen wir mehr denn je auf die ordnende Kraft des Rechts setzen. Nicht naiv. Sondern entschlossen und immer mit der Klarheit von welcher Interessensbasis wir das verfolgen.

Ich hoffe, wir können dabei auch in der Zukunft – mindestens in den nächsten 100 Jahren – auf Sie, auf die Mitglieder der Internationalen Gesellschaft für Internationales Recht zählen! Als Berater, vielleicht auch manchmal als Prozessbevollmächtigte, und immer auch als kritische Beobachter und Kommentatoren! Unser gemeinsamer Ansporn sollte es sein, dass auch in 100 Jahren das Diktum vom Völkerrecht als „Trümmerhaufen“ nicht mehr ist als ein „leerer Wahn“!

Ich wünsche Ihnen eine gute und ertragreiche Jubiläumstagung!

Vielen Dank.

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