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Rede von Europa-Staatsminister Michael Roth bei der Gedenkstunde am Denkmal für die im Nationalsozialismus ermordeten Sinti und Roma Europas anlässlich des Holocaust-Gedenktags

27.01.2017 - Rede

-- es gilt das gesprochene Wort--

Sehr geehrte Damen und Herren,

der niederländische Sinto Zoni Weisz sprach vor sechs Jahren in seiner Rede vor dem Deutschen Bundestag vom „vergessenen Holocaust“. Und auch ich frage mich, warum dem Schicksal der Sinti und Roma in der Zeit des Nationalsozialismus in der breiten Öffentlichkeit bis heute so wenig Aufmerksamkeit entgegengebracht wird. Auch deshalb bin ich als Vertreter der Bundesregierung heute an diesem besonderen Tag der Trauer und des Gedenkens zu Ihnen gekommen.

Seit fünf Jahren gibt es nun dieses Denkmal hier im Herzen Berlins, seit 27 Jahren begehen wir in Deutschland den Internationalen Holocaust-Gedenktag, mit dem wir an die Befreiung des Konzentrations- und Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau heute vor 72 Jahren erinnern. Das zeigt: Es dauert, es dauert bisweilen sogar sehr lange, bis wir zu einer Form des Gedenkens finden. Das bleibt für die Opfer und ihre Nachkommen verletzend und enttäuschend.

Dieses Denkmal steht symbolisch für die Anerkennung des Völkermords an den Roma und Sinti Europas im Nationalsozialismus. Mit diesem Denkmal bekennen sich Staat und Gesellschaft: Wir stehen zu unserer wechselhaften Geschichte – wir sparen ihre dunkelsten Kapitel nicht aus.

Wir können den Holocaust nicht ungeschehen machen. Aber wir sind es den Opfern schuldig, dass wir ihr Leid nicht aufwiegen, aufrechnen und relativieren. Denn das Leid, was von Deutschen und im deutschen Namen begangen wurde, ist unermesslich.

Wir können dabei mithelfen, dass sich das Unrecht, das geschehen ist, niemals wiederholt. Wir wollen die Erinnerung an das dunkelste Kapitel der deutschen Geschichte wachhalten – nicht nur als Selbstzweck, sondern vor allem, um daraus die Lehren für eine bessere Zukunft zu ziehen. Zukunft braucht Erinnerung – beides gehört für mich untrennbar zusammen. Und jede Generation muss ihre eigene Form des Gedenkens finden. Das ist keine Bürde. Nein, es macht unsere Gesellschaft stark und sensibel gegenüber neuen Formen der Ausgrenzung und Unterdrückung.

Deutschland mit seiner tragischen Geschichte steht in besonderer Verantwortung für die heute in Europa lebenden 12 Millionen Sinti und Roma. Denn die über Jahrhunderte andauernde Ausgrenzung von Sinti und Roma fand im nationalsozialistischen Deutschland ihren barbarischen Höhepunkt. Und auch im Jahr 2017 sind die Vorurteile gegen die größte Minderheit Europas leider immer noch weit verbreitet.

Heute bekennt sich die Bundesregierung dazu: Der Platz von Sinti und Roma, die unseren Kontinent seit Jahrhunderten bereichern, ist in der Mitte, nicht am Rand unserer Gesellschaft. Wir kämpfen dafür, dass den Sinti und Roma endlich das zuteilwerden lässt, was ihnen zusteht – nämlich Würde, Achtung und die faire Chance auf ein selbstbestimmtes Leben.

Entschlossen kämpfen wir gegen jegliche Form der Ausgrenzung und Diskriminierung – gegen Antiziganismus, gegen Antisemitismus und auch gegen Islamophobie. In diesem Einsatz sind wir alle vereint: Bürgerinnen und Bürger gleich welchen Alters, welcher Herkunft, Überzeugung oder Religion auch immer. Alle demokratischen Kräfte müssen sich diesen menschenfeindlichen Strömungen entschieden entgegenstellen! Alles andere wäre eine Schande!

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