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Menschenrechtsbeauftragte Bärbel Kofler zur Verhaftung der bekannten vietnamesischen Bloggerin Nguyen Ngoc Nhu Quynh
Ich bin tief bestürzt über die Festnahme der Bloggerin und Aktivistin Nguyen Ngoc Nhu Quynh. Sollten sich die Meldungen bestätigen, wonach Frau Quynh unter dem Vorwurf der Propaganda gegen den Staat inhaftiert wurde, wäre das eine erneute schwerwiegende Verletzung menschenrechtlicher Prinzipien und jener internationalen Grundsätze, zu denen sich Vietnam selbst verpflichtet hat.
Frau Quynh engagiert sich mit ihrem Blog nicht nur gegen Menschenrechtsverletzungen, Korruption und soziale Missstände. Sie ist auch eine wichtige Stimme für die zahlreichen Bauern und Fischer in Mittelvietnam, deren Lebensgrundlage durch eine von Industrieabfällen ausgelöste Umweltkatastrophe bedroht ist. Dass die Behörden dieses Engagement für Bürgerrechte, Umwelt- und Verbraucherschutz mit Repressalien, Festnahmen und Anklagen ahnden ist ein alarmierendes Signal – gerade mit Blick auf die von der Regierung proklamierten Reformanstrengungen im Bereich Verwaltung, Umwelt und Verbraucherschutz.
Ich rufe die vietnamesische Regierung dazu auf, Frau Quynh umgehend auf freien Fuß zu setzen, weitere Repressionen gegen Blogger und Aktivisten einzustellen und die auch in der vietnamesischen Verfassung garantierte Meinungs- und Pressefreiheit zu achten.
Hintergrund:
Frau Quynh ist eine der bekanntesten Bloggerinnen Vietnams und schreibt unter dem Pseudonym „Mother Mushroom“. Sie erhielt 2015 den Menschenrechtspreis der schwedischen NGO Civil Rights Defenders, konnte aber mangels Pass nicht nach Schweden reisen. Auch eine Blogger-Reise nach Deutschland konnte sie aus diesem Grund nicht antreten.
In ihren Beiträgen konzentriert sich Quynh auf soziale Missstände, staatliche Misswirtschaft, Umweltverschmutzung und die Situation politischer Gefangener. Zuletzt war Quynh besonders aktiv im Kampf für die Rechte von Fischern und Bauern in Mittelvietnam, die von einer durch Industrieabfälle ausgelösten Umweltkatastrophe betroffen sind. Frau Quynh prangerte unter anderem die Untätigkeit der Behörden gegenüber Umweltverschmutzung durch große Unternehmen an. Auch setzte sie sich für inhaftierte Aktivisten und deren Familien ein.
Vor allem mit Blick auf ihr Umweltengagement sind sie und ihre Familie zuletzt verstärkt Zielscheibe von Repressalien etwa durch öffentliche Bloßstellung in ihrem Heimatort geworden. Nach Berichten von Menschenrechtsaktivisten und unabhängiger Medien wurde ihr Haus am 10. Oktober von dutzenden Polizisten durchsucht, Frau Quynh selbst sei festgenommen worden. Bei einer Anklage wegen Propaganda gegen den Staat drohen ihr bis zu 12 Jahre Haft.
Die Festnahme reiht sich ein in zahlreiche repressive Maßnahmen der Regierung gegen Blogger und Menschenrechtsaktivisten, die sich für die von der Umweltkatastrophe in Mittelvietnam betroffenen Anwohner einsetzen. Zahlreiche Aktivisten wurden am Rande von Demonstrationen verprügelt und zeitweise festgesetzt, einige Blogger verhaftet und auf der Grundlage politischer Paragraphen verurteilt. Erst vor wenigen Wochen erregte die Bestätigung der Verurteilung zu fünf Jahren Haft für den prominenten Blogger Huu Vinh in der Berufungsinstanz internationales Aufsehen.