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Grußwort von Europa-Staatsminister Roth zur Eröffnung der Konferenz zur grenzüberschreitenden deutsch-französischen Zusammenarbeit am 07.07.2015 in Metz
Sehr geehrte Damen und Herren,
Ich freue mich sehr, dass wir heute, dank Deiner Initiative, lieber Harlem, in Metz zusammengekommen sind, um die grenzüberschreitende Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Frankreich abermals zu stärken.
Es sind heute viele der wichtigsten Akteure um unseren Tisch versammelt – nicht nur aus der Politik, sondern auch aus Wirtschaft, Bildungswesen, Jugendarbeit, vor allem aber – und das liegt mir besonders am Herzen – aus der Zivilgesellschaft. Vielen Dank dafür!
Warum ist die grenzüberscheitende Zusammenarbeit so wichtig – für Deutschland und Frankreich, aber auch für ganz Europa?
Deutschland hat gemeinsame Grenzen mit neun anderen Staaten und ist damit der EU-Mitgliedstaat mit den meisten Nachbarn. Unter diesen Nachbarn ist Frankreich ohne Zweifel unser engster und wichtigster Partner.
Historisch, menschlich und wirtschaftlich sind wir aufs Engste miteinander verbunden. Aber das ist uns noch nicht genug: Wir wollen diese Verbindungen und Verflechtungen künftig noch weiter ausbauen!
Unsere Zusammenarbeit hat aber auch eine große europapolitische Bedeutung. In der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit geht es – anders als der Begriff vermuten lässt – eben nicht darum, bestehende Grenzen einfach zu überschreiten.
Es geht vielmehr darum, die nachteiligen Wirkungen von Grenzen aufzuheben und den europäischen Raum der Freiheit und der Freizügigkeit ganz konkret im Alltag der Menschen erlebbar zu machen. Wenn wir heute in Straßburg wären, würde ich daher lieber von einer „rheinüberschreitenden“ Zusammenarbeit sprechen – das wäre ein anschaulicheres Bild. Aber hier in Metz passt das natürlich nicht so ganz…
Lassen Sie uns weitere Brücken bauen, die uns miteinander verbinden. Lassen Sie uns in vernetzten Großräumen denken und nicht bloß in unseren nationalen Grenzen verharren. Wir sind damit genau auf der Höhe der Zeit: Denn wir haben in den vergangenen Jahren in ganz Europa einen deutlichen Zuwachs von derartigen politischen Initiativen erlebt. Ich erinnere beispielsweise an die Donauraumstrategie, die Alpenraumstrategie oder die Ostseeraumstrategie.
Wir wollen den Grenzraum zwischen Deutschland und Frankreich zu einer Ideenwerkstatt und zu einem Versuchslabor für das künftige Zusammenleben in Europa machen. Denn vieles, was wir zwischen Deutschland und Frankreich gemeinsam anstoßen, kann durchaus auch als Modell für andere Räume und Regionen in Europa dienen.
Ich freue mich daher sehr, dass später mit Jean Asselborn nicht nur der Außenminister unseres gemeinsamen Nachbarn Luxemburg, sondern gleichzeitig ein hochrangiger Vertreter der neuen EU-Ratspräsidentschaft zu uns sprechen wird.
Das Zusammenwachsen Europas aktiv zu fördern, ist heute wichtiger denn je. Denn in den vergangenen Monaten haben die zentrifugalen Kräfte in der Europäischen Union leider immer deutlicher an Einfluss gewonnen. Die Diskussion um Grexit und Brexit, irritierende Nachrichten aus Ungarn oder das Erstarken von europaskeptischen Parteien in vielen Mitgliedsstaaten sprechen eine Besorgnis erregende Sprache. Die Europäische Union braucht gerade jetzt mehr Mut, Gestaltungskraft und Leidenschaft, damit unsere Solidar- und Wertegemeinschaft auch in der Krise zusammenbleibt.
Deutschland und Frankreich stehen jetzt in der Verantwortung, durch ihre Zusammenarbeit der gesamten EU den dringend benötigten Motivationsschub zu verleihen. Es ist doch gerade dies die besondere Qualität unserer Freundschaft, dass verschiedene Perspektiven zusammenbringen, dass wir den Vorstellungen des Partners zwar bisweilen kritisch, aber stets offen gegenüberstehen. Und die Erfahrung zeigt immer wieder: Wenn Deutschland und Frankreich erst einmal einen Konsens gefunden haben, dann ist dies meist auch eine gute Grundlage für einen gesamteuropäischen Kompromiss.
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Wir setzen heute mit Ausbildung und Arbeit auf die richtigen Schwerpunkte unserer heutigen Konferenz. Denn was beschäftigt die Menschen, vor allem die jungen unter ihnen, mehr als die Frage: Wie können wir eine gute Ausbildung und eine gute berufliche Perspektive erlangen?
Ich bin immer wieder überrascht, dass – anders als die öffentliche Diskussion uns manchmal glauben macht – nur knapp drei Prozent aller Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in der EU außerhalb ihres Heimatlandes tätig sind! In einem europäischen Binnenmarkt mit Arbeitnehmerfreizügigkeit hätte man doch ganz andere Zahlen erwartet.
Das heißt: Die Chancen, die die Europäische Union eigentlich jedem einzelnen von uns bietet, werden bislang nur unzureichend genutzt. Auch zwischen Deutschland und Frankreich ist der Austausch von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern recht gering. Dabei suchen wir derzeit in Deutschland händeringend nach Auszubildenden und gut qualifizierten Fachkräften. In Frankreich dagegen herrscht gleichzeitig eine hohe Arbeitslosigkeit – insbesondere unter den jungen Menschen. Vor zehn Jahren war es übrigens noch genau andersherum! Ein stärker integrierter deutsch-französischer Arbeitsmarkt wäre eine Lösung, die mutig in die Zukunft weist!
Was zeigt uns das? Wir haben in der Europäischen Union zwar die Mauern und Zäune an den Grenzen eingerissen. Aber andere ganz praktische Barrieren und Hindernisse bestehen immer noch und verhindern, dass die Grenze tatsächlich fallen. Genau das wollen wir ändern!
Diese Konferenz soll deshalb helfen, Barrieren abzubauen, gemeinsame Wege zu ebnen und neue Brücken zu bauen – in den Köpfen und in der Realität. Sie soll dabei helfen, Deutsche und Franzosen – gerade hier im sogenannten Grenzraum – einander noch näher zu bringen. Sie soll in dieser so schwierigen Zeit für Europa bewusst das Signal senden: Wir halten im Interesse unserer Bürgerinnen und Bürger fest an dem Ziel eines immer engeren Zusammenwachsens unseres Kontinents. Und wir laden alle dazu ein, sich diesem wunderbaren Projekt anzuschließen.